Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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vormundung frei, Drakes Raubzüge in den spa- 
nischen Kolonien und die Vernichtung der spani- 
schen Armada erwiesen die Überlegenheit der 
englischen Flotte. 1585 gründete Raleigh die erste 
überseeische Kolonie in Virginia, und 1599 bildete 
sich die Ostindische Kompanie; es waren die ersten 
Schritte, welche die englische Herrschaft in Nord- 
amerika und Ostindien einleiteten. Die Landung 
französischer und spanischer Truppen auf dem ka- 
tholischen Irland, von wo aus der Glaubenskrieg 
gegen England geführt werden sollte, gab den 
Anlaß, die Insel (bis 1602) mit grausamer Härte 
zu unterwerfen; der Grundbesitz wurde großen- 
teils eingezogen und unter englische Barone und 
die anglikanische Kirche verteilt. Über dem poli- 
tischen und merkantilen Aufschwung Englands, 
der Blüte in Kunst und Literatur übersahen die 
Zeitgenossen und vielfach auch die Nachwelt die 
Schattenseiten, vor allem auch im Charakter der 
Königin, und priesen ihre Regierung als das 
goldene Zeitalter Englands. 
Der nächstberechtigte Thronerbe war der Sohn 
der 1587 hingerichteten Maria Stuart, Jakob VI. 
von Schottland, als König von England Jakob I. 
(1603/25), der hiermit beide Reiche in Personal- 
union vereinigte. Er suchte den Tudorschen Abso- 
lutismus und das anglikanische Kirchentum zur 
unbeschränkten Herrschaft zu bringen; daher wur- 
den die Katholiken, deren Enttäuschung die Pul- 
ververschwörung (1605) zur Folge hatte, und mit 
besonderer Strenge die demokratischen Puritaner 
verfolgt. Infolge des Glaubensdruckes wanderten 
viele aus (1619 Puritaner nach Neuengland, 
1632 Katholiken nach Maryland). Noch eigensinni- 
ger und kurzsichtiger verfolgte Karl I. (1625/49) 
diese Politik und suchte gegen, seit der 1628 
erzwungenen Anerkennung der Beschwerden der 
Petition of Right (gegen willkürliche Besteuerung, 
Verhaftung und Einquartierung) ohne Parlament 
zu regieren. Er rief dadurch 1642 den Bürger- 
krieg hervor und wurde 1649 wegen Hochverrats 
hingerichtet. Der leitende Mann der Republik 
(1649/60), Oliver Cromwell, seit 1653 bis zu 
seinem Tode 1658 als Lordprotektor an der Spitze 
des Staates, trieb im Gegensatz zu den Stuarts 
eine energische und nationale äußere Politik. Hol- 
land wurde durch einen Seekrieg zur Anerkennung 
der Navigationsakte von 1651 gezwungen, die den 
holländischen Zwischenhandel ausschloß. Spanien 
verlor 1655 Jamaica an England. Im Innern 
war Cromwells Regierung ein intolerantes Säbel- 
regiment. Das neue Parlament rief 1660 Karls I. 
Sohn Karl II. (1660/85) zurück, dessen Mangel 
Lan sittlichem Ernst und nationaler Gesinnung je- 
doch der Dynastie keinen festen Halt zu schaffen 
vermochte. Seine auswärtige Politik, teilweise 
auch das Entgegenkommen gegen die Katholiken 
waren abhängig von den hohen Summen, die 
Ludwig XIV. ihm für seinen verschwenderischen 
Hoshalt zahlte. Daher setzte das Parlament 1673 
die Testakte durch, die mit der Forderung des 
Großbritannien. 
  
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Suprematseides und anglikanischen Abendmahles 
die Katholiken von jedem Amt und dem Parlament 
ausschloß, 1679 die Habeaskorpusakte gegen will- 
kürliche Verhaftung. Die Exklusionsbill, mit wel- 
cher die Whigs (die Parteibezeichnungen kamen 
damals als Spottnamen auf) den katholischen 
Thronfolger auszuschließen gedachten, scheiterte 
am Widerstand der konservativen Tories im Ober- 
haus, die am Gottesgnadenkönigtum festhielten. 
So folgte 1685 Jakob II. seinem Bruder. Seine 
absolutistische Gesinnung, das verhaßte Bündnis 
mit Frankreich, seine Duldsamkeit gegen Dissenters 
und Katholiken förderten die Mißstimmung. Als 
die Geburt eines Prinzen die katholische Thron- 
folge zu sichern schien, brach der Hochverrat all- 
gemein aus. Tories und Whigs verbündeten sich 
und riefen Jakobs Schwiegersohn Wilhelm III. 
von Oranien ins Land, der mühelos den Thron 
in Besitz nahm. Die Iren büßten ihre Anhäng- 
lichkeit an Jakob II. mit neuen Konfiskationen. 
3. Herrschaft der Aristokratie (1688 
bis etwa 1830). Diese zweite, „glorreiche“" Revo- 
lution hatte eine empfindliche Schwächung der 
Krone zur Folge. Die Bill of Rights 1689 
sicherte die Rechte des Parlamentes und Volkes, 
die Kroneinkünfte wurden teilweise unter Parla- 
mentskontrolle gestellt, das stehende Heer nur noch 
von Jahr zu Jahr bewilligt. Damit war der 
Grund zur Parlamentsherrschaft gelegt, die aber 
nicht den Volkswillen, sondern die Macht und die 
Interessen der besitzenden Klassen und der füh- 
renden Geschlechter zum Ausdruck brachte. Es 
gab nur zwei Parteien, Tories und Whigs, und 
aus der herrschenden wurde jetzt das Kabinett ge- 
bildet, das dem Parlament verantwortlich war. 
Das Hauptziel der englischen Politik seit der Ver- 
treibung der Stuarts war fortan die Seeherrschaft, 
die Erringung von Handelsvorteilen und Kolonial- 
besitz. Der einzige wirkliche Rivale war Frankreich, 
an dessen Bekämpfung Wilhelm III. (1688 
bis 1702) seine ganze Kraft setzte. Nach der Act 
of Settlement (1701), die nochmals und end- 
gültig die parlamentarische Grundlage des Staa- 
tes verbürgte, folgte ihm seine Schwägerin Anna 
(1702/14), dann das Haus Hannover. Schott- 
land wurde durch die Unionsakte von 1707 mit 
England zu einem Reich „Großbritannien“ ver- 
einigt und sandte fortan 45 Vertreter ins eng- 
lische Parlament, behielt jedoch sein Privatrecht 
und seine Kirche. Als Siegespreis im Spanischen 
Erbfolgekrieg fielen England 1713 Gibraltar und 
Menorca, Neufundland, Neuschottland und die 
Hudsonbailänder zu, ferner das Monopol des 
Negerhandels nach Spanisch-Amerika. 
Unter Georg I. (1714/27), zugleich Kur- 
fürsten von Oannover (das bis 1837 in Personal- 
union mit England blieb), gelangte die Parla- 
mentsherrschaft zum vollen Siege. Der Premier= 
minister Walpole setzte im Interesse der Whigs 
1716 die (jetzt noch geltende) siebenjährige Par- 
lamentsdauer durch. Die lange Friedenszeit unter
	        
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