Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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Europa wie speziell in Deutschland haben wir 
diese Verteilung. Die Notwendigkeit des Wald- 
besitzes im volkswirtschaftlichen und öffentlichen 
Interesse gibt den Ausschlag für öffentlichen 
Waldbesitz. Eine Reihe privatwirtschaftlicher, öko- 
nomisch-technischer Gründe treten hinzu. Beim 
Walde produziert ein Privatbesitzer weder billiger 
noch größere Mengen wie eine Genossenschaft oder 
ein Staatsbetrieb, bei der späten Rente ist es besser, 
daß das Risiko auf stärkere Schultern abgewälzt 
wird, als sie der Einzelbesitzer hat. 
6. Bei dem Wegeboden liegt, soweit es 
sich um die Mittel für den öffentlichen Verkehr 
handelt, die Frage durchaus und beinahe aus- 
schließlich zugunsten des öffentlichen und gesell- 
schaftlichen Eigentums; die geschichtliche Entwick- 
lung hat auch so entschieden. 
Für den Wegeboden ist die ökonomisch-technische 
Befähigung von Staat und Gesellschaft zu seiner 
Verwaltung und Nutzung nachgewiesen. Nur bei 
öffentlichem Eigentum können die Verkehrsinter- 
essen allseitig richtig wahrgenommen werden. Ent- 
wicklungen der Volkswirtschaft werden berück- 
sichtigt. Bei der Überschußwirtschaft der Staats- 
eisenbahnen in Preußen kommen diese verdienten 
Summen der Gesamtheit zugute, es ist die Aus- 
gleichung günstiger und ungünstiger Fälle bei 
Eisenbahnen und Straßen möglich und Monopol- 
bildung wird verhindert (Aktiengesellschaft, z. B. 
nachteiliges Monopol). 
7. Bei den Gewässern wird die Benutzungs- 
art ausschlaggebend sein für die Beantwortung 
der Frage, ob Gemein= und Gesellschafts= oder 
Privateigentum vorzuziehen ist. Für schiffbare, 
große Ströme empfiehlt sich wegen der ihnen zu- 
zuweisenden Aufgaben Staats= oder Gemein- 
eigentum; kleinere Flüsse und Bäche stehen besser 
den Anliegern mit gewissen Beschränkungen zu 
Gebote. Die beginnende Benutzung der natür- 
lichen Gewässer und ihrer natürlichen und künst- 
lichen Gefälle (Fluktuationen) als Kraftauelle der 
Elektrizität wird wichtige neue Rechtsfragen her- 
vortreten lassen. 
Nahe liegt es hier, Staatsregale zu begründen, 
sie können ihre Aufgaben besser wie der einseitig in 
seinem Interesse arbeitende Privatmann ausüben. 
Die Bodenrechtsordnung hat besonders bei der 
Wahl der beiden großen Rechtsprinzipien des Ge- 
mein= und Privateigentums wie historisch und 
örtlich, so besonders nach Bodenkategorien zu 
unterscheiden, worauf auch regelmäßig die ge- 
schichtliche Rechtsordnung des Bodens hindrängt. 
Das Produktionsinteresse einerseits, eine mög- 
lichst günstige wirtschaftliche und soziale Lage der 
den Boden bewohnenden, bearbeitenden und be- 
nutzenden Menschen anderseits werden die Grund- 
tendenzen sein, wonach die Vor= und Nachteile hi- 
storisch gewordener oder zu erstrebender Rechts- 
ordnungen des Bodens zu beurteilen sind. 
Berücksichtigt man ferner das menschliche Trieb- 
leben und die praktische Durchführbarkeit bestimm= 
Grundbesitz. 
  
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ter Normen und Wirtschaftsweisen, so wird man 
bei Beachtung vorstehender Leitmotive das jewei- 
lig für Mensch und Volkswirtschaft Beste treffen. 
III. Arten der Besitzverteilung. Der Grund- 
besitz zerfällt, soweit er der Bodenkultur dient, in 
großen, mittleren und kleinen Besitz. Bei 
dem großen Besitz ist noch besonders die Lati- 
sundienwirtschaft und bei dem kleinen Besitz die 
Parzellenwirtschaft in Betracht zu ziehen. Unter 
großen Gütern versteht man (nach Roscher) solche 
Besitzungen, auf denen „ein Wirt der gebildeten, 
höheren Klasse schon mit der bloßen Leitung des 
Betriebes vollauf beschäftigt ist“. Die auszu- 
führenden Arbeiten werden von Lohnarbeitern ver- 
richtet. Latifundien sind außergewöhnlich 
große Ansammlungen von zusammenhängenden 
Landkomplexen in einer Hand. Das herkömmliche 
Rittergut mit einem Flächeninhalt von 250 bis 
1000 ha gehört keinesfalls zum Latifundien- 
besitz. Wo ein Latifundienbesitz sich breitmacht, 
kann ein gesunder bäuerlicher Besitzstand nicht be- 
stehen. In Deutschland gehört der Latifundien- 
besitz nicht zu den Seltenheiten. Im Westen und 
Südwesten des Deutschen Reiches wird derselbe 
besonders dargestellt durch ausgedehnte Wald- 
güter der altadligen Familien, im Osten finden 
sich besonders in Pommern und Schlesien größere 
Latifundienbesitze. Bei den Römern und Griechen 
war der Latifundienbesitz sehr verbreitet; er trug 
zum Untergang dieser Reiche wesentlich bei. Im 
Mittelalter waren große Grundkomplexe in weni- 
gen Händen vereinigt. In neuerer Zeit vermehrten 
sich die Latifundien in außerdeutschen Ländern 
außerordentlich, so in Italien, Spanien, Por- 
tugal, Böhmen, Ungarn, Rußland, Nordamerika 
und England. Während in den sechs erstgenann- 
ten Ländern die Latifundien meist aus älterer Zeit 
stammen und in Händen adliger Besitzer sind, voll- 
zieht sich im Osten Nordamerikas, in Großbritan= 
nien und im industriereichen Westen Deutschlands 
seit neuerer und neuester Zeit die Bildung von 
Latifundien in den Händen großkapitalistischer 
Unternehmer, die das Bedürfnis haben, einen 
Teil ihres in der Industrie erworbenen Vermögens 
in Grund und Boden sicher anzulegen. Mitt- 
lere Güter sind solche, welche von dem Besitzer 
und seiner Familie unter regelmäßiger Beihilfe 
von fremden Arbeitskräften bewirtschaftet werden. 
Kleinere Güter machen die regelmäßige Heran- 
ziehung von Lohnarbeitern nicht erforderlich, ge- 
währen aber dem Besitzer und dessen Familie aus- 
reichende Beschäftigung und auskömmlichen Lebens- 
unterhalt. Besitzungen, welche zu klein sind, als 
daß sie den Inhaber mit Familie zu ernähren und 
vollständig zu beschäftigen vermöchten, nennt man 
Parzellenwirtschaften; bei diesen ist der In- 
haber auf Außenverdienst angewiesen. 
IV. Wirtschaftliche und soziale Bedentung 
der verschiedenen Arten des Grundbesitzes. 
In wirtschaftlich-technischer Hinsicht ist der Groß- 
grundbesitz am besten befähigt und auch dazu be-
	        
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