Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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wen und besonders der Normannen veranlaßten 
(847) den ersten Erzbischof Ansgar, sich vorüber- 
gehend in Bremen aufzuhalten, wohin der erz- 
bischöfliche Sitz nach 868 zeitweise, seit 1223 
endgültig übertragen wurde; Hamburg behielt 
jedoch ein selbständiges Domkapitel. Der Ort 
stand anfangs unter kaiserlichen Vögten. Seit 
1110 übten die Grafen von Holstein aus dem 
Hause Schauenburg eine Art Landeshoheit aus, 
die sie vergeblich in eine vollständige Herrschaft 
umzuwandeln suchten. Eifersüchtig wachten Ham- 
burgs Bewohner über ihre Selbständigkeit, die 
sich durch neue Gerechtsame und Privilegien immer 
mehr festigte und erweiterte. So verlieh Fried- 
rich Barbarossa 1189 der Stadt eine eigene Ge- 
richtsbarkeit und freie Schiffahrt nebst Fischerei 
auf der Elbe. Otto IV. gab ihr 1215 das Recht 
eigener Verwaltung, das in der Verfassung von 
1270 einen bestimmten Ausdruck erhielt und auch 
von den Grafen von Holstein 1292 anerkannt 
wurde. 1245 schloß Hamburg mit Lübeck den 
bekannten Vertrag, der als Grundlage und An- 
fang des Hansabundes angesehen wird. Während 
sich im 13. und 14. Jahrh. das Stadtgebiet 
durch Kauf und Eroberung um Eppendorf, die 
Elbwerder (Stein-, Bill-, Ochsen-, Finken= und 
Moorwärder), Moorburg, das Amt Ritzebüttel 
mit Cuxhaven und der Insel Neuwerk und Berge- 
dorf nebst den Vierlanden (von 1420 bis 1. Jan. 
1868 mit Lübeck gemeinsamer Besitz) erweiterte, 
gewann auch der Bürger= und Handelsstand 
größere Macht und erhöhtes Ansehen. Maximi- 
lian verlieh der Stadt 1510 die Reichsunmittel- 
barkeit, jedoch wahrten die Erzbischöfe von Bremen 
sowie ihre Rechtsnachfolger (Schweden 1648, 
Hannover 1713) stets ihre Hoheitsbefugnisse auf 
die Kathedrale und ihren Bereich. Die Grafen 
von Holstein gaben auch als Könige von Däne- 
mark ihre Ansprüche auf Hamburg nicht auf, ob- 
wohl sie vom Reichskammergericht wiederholt 
(1618, 1630, 1643) damit abgewiesen wurden; 
erst 1768 verzichtete die dänische Krone gegen 
eine Abfindungssumme von 280 000 Reichs- 
talern im Vertrage zu Gottorp auf ihre ver- 
meintlichen Rechte. Nunmehr erhielt die freie 
Stadt endlich Sitz und Stimme im Reichskolle- 
gium, und am 14. März 1770 erschien sie zum 
erstenmal auf der Bank der rheinischen Städte. 
Im Jahre 1529 hatte der „lange Rezeß“ die 
Reformation eingeführt, und Hamburg wurde 
eine ganz lutherische Stadt, die keinen Anders- 
gläubigen auf ihrem Gebiete duldete. Die Grün- 
dung einer eigenen Handelsbörse (1558), die ge- 
gen den Willen von Kaiser, Reich und Hansa 
  
gestattete Niederlassung der englischen Merchant 
adventurers, die Aufnahme von niederländischen 
und französischen Reformierten und begüterten 
Juden aus Spanien und Portugal waren für 
Handel und Wandel von großem Einfluß; die 
Abfassung eines neuen Stadtrechts sowie die Er- 
richtung der Girobank zu Anfang des 17. Jahrh. 
Hamburg. 
  
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bezeichnen die Epoche, in welcher Hamburg vor 
den übrigen Hansestädten hervorzutreten begann. 
Der 30jährige Krieg berührte die Republik we- 
nig; der Verfall der Hansa, der Siebenjährige 
Krieg und die Unabhängigkeitserklärung der 
Vereinigten Staaten von Amerika gaben dem 
rührigen Kaufmannsstande stete Gelegenheit, sich 
in immer größerem Maßstabe am Welthandel zu 
beteiligen. 
Im Reformjahr 1803 blieb Hamburg freie 
Stadt; aber schon 1806 wurde sie das erstemal 
von den Franzosen unter Mortier gebrandschatzt. 
Die Kontinentalsperre, der Verlust des Amtes 
Ritzebüttel, die Blockade der Elbmündung durch 
die Engländer und die Erpressungen der Fran- 
zosen ruinierten die Stadt, die 1810 dem fran- 
zösischen Reiche einverleibt und zum Hauptorte 
des „Departements der Elbmündung“ gemacht 
wurde. Am 18. März 1813 hielt Tettenborn 
unter dem Jubel der Bevölkerung seinen Einzug; 
die Hamburger mußten aber ihren Patriotismus 
schwer büßen, denn schon am 30. Mai desselben 
Jahres kehrten die Franzosen zurück. Davoust 
legte starke Befestigungen an, nahm 7,5 Mill. M 
Banco aus der Bank, erpreßte 48 Mill. Francs 
Kontribution und zwang im Winter 30 000 Be- 
wohner zur Auswanderung. Erst nach dem Frie- 
densschlusse räumte er am 12. Mai 1814 auf 
ausdrücklichen Befehl Ludwigs XVIII. die schwer 
geprüfte Stadt, die ihren Schaden von 1806 bis 
zum 31. Mai 1814 auf 191 Mill. M Banco be- 
rechnete und nur durch ½ Mill. Francs Renten 
entschädigt wurde. 
Die drohende Gefahr, dem Dänenreiche ein- 
verleibt zu werden, ging zum letztenmal glücklich 
vorüber, und Hamburg wurde als freie Hanse- 
stadt Mitglied des Deutschen Bundes. Rasch 
blühte der Handel wieder auf, und auch der ge- 
waltige Brand vom 5. bis 8. Mai 1842, der 
einen großen und den reichsten Teil der Stadt 
(4219 Feuerstellen) in Asche legte, konnte ihren 
Aufschwung nur für eine Zeitlang hemmen. Eine 
unerwartete, nachhaltige Einwirkung übte das 
Brandunglück auf die inneren Verhältnisse aus. 
Die alte Verfassung des Jahres 1712 (der „große 
Rezeß“), welche durch ihre Trefflichkeit die kleine, 
vielfach angefeindete Republik anderthalb Jahr- 
hunderte erhalten und alle Wandlungen siegreich 
überstanden hatte, genügte den Anforderungen 
schon längst nicht mehr. Die völlig veränderte 
Lage der Dinge nach dem Brande forderte ge- 
bieterisch auch hierin Wandel; aber fast zwei 
Jahrzehnte lang wurde gestritten und geprüft, 
und erst am 28. Sept. 1860 kam das neue Ver- 
fassungswerk zum Abschluß. 
Der Deutsche Krieg sah die Republik auf der 
Seite Preußens, und am 15. Mai 1867 trat sie 
als „Freie und Hansestadt“ dem Norddeutschen 
Bunde bei. Nach Art. 34 der deutschen Reichs- 
verfassung wurde Hamburg mit einem Teile seines 
Gebietes, ebenso wie Bremen, zum Freihafen er-
	        
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