Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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recht LXXXI (1901) 650 f; H. C. Lea, The dead 
Hand (1900); Kormann, Die kirchenrechtl. Ver- 
äußerungsbeschränkungen bei kath. Kirchengut u. 
das bürgerl. Recht (1907); Vering, Lehrbuch des 
Kirchenrechts (31893) 761 f. Weitere Literatur 
bei Kahl a. a. O. S. 6, Anm. 5; Holder im Archiv 
für kathol. Kirchenrecht LXXXIV (1904) 22 ffj; 
Friedberg a. a. O., Sägmüller, Lehrb. des kath. 
Kirchenrechts (21909) 855 ff, 877 ff. 
[(Biederlack S. J., rev. Ebers.) 
Handel und Handelspolitik. (Be- 
griff und Wesen des Handels; Geschichtliche Ent- 
wicklung und Gliederung des Handels; Volks- 
wirtschaftliche Bedeutung des Handels; Handels- 
politik.) 
I. Begriff und Wesen des Handels. In 
Ansehung dessen, was unter Handel zu verstehen 
ist, deckt sich der gewöhnliche Sprachgebrauch nicht 
mit der wissenschaftlichen Ausdrucksweise, und die 
letztere wiederum legt diesem Worte nicht immer 
denselben Begriff unter. Der Sprachgebrauch des 
Volkes pflegt mit dem Worte Handel einen ganz 
allgemeinen Begriff zu verbinden, mit ihm jede 
menschliche Tätigkeit zu bezeichnen, welche den 
Austausch von Gütern bezweckt. So treibt nach 
allgemeiner Auffassung der Fabrikant, der Hand- 
werker, der die eigenen, nicht auf vorherige Be- 
stellung hergestellten Erzeugnisse seiner Tätigkeit 
feilhält und absetzt, Handel. So wird der gesamte 
innerhalb des Landes und über die Landesgrenzen 
sich vollziehende Güteraustausch als der Handel 
des Landes, der unter den Ländern des Erdballs 
sich bewegende als Welthandel bezeichnet. In ähn- 
licher Weise hat auch die ältere volkswirtschaftliche 
Theorie unter Handel den gesamten Güteraustausch 
zusammengefaßt, ohne weitere Unterscheidungen 
in Hinsicht der tätigen Personen oder der Güter 
zu machen, und auch die neuere Theorie bezieht, 
wenn sie die internationale Güterbewegung, den 
auswärtigen Handel eines Landes, die auswärtige 
Handelspolitik erörtert, den Begriff Handel auf 
den gesamten Güteraustausch. Im übrigen aber 
stellt die neuere volkswirtschaftliche Lehre für den 
Handel einen bedeutend engeren Begriff auf. Sie 
unterscheidet zwischen Urproduktion, stoffverwan- 
delnder Industrie und Handel. Sie begreift unter 
diesem letzteren nur „das gewerbsmäßig betriebene 
Kaufen zum Wiederverkauf“, dieses also wiederum 
scharf unterschieden nicht nur von jenen beiden 
andern genannten Formen wirtschaftlicher Tätig- 
keit, sondern auch von den Veräußerungsgeschäf- 
ten der bloßen Produzenten wie den Erwerbs- 
geschäften der bloßen Konsumenten (Roscher); oder 
sie definiert ihn als „diejenige wirtschaftliche Tä- 
tigkeit, welche den Verkehr zwischen Produzenten 
und Konsumenten vermittelt“, „welche Gewinn er- 
zielen will, indem sie den Einkauf und die Wieder- 
veräußerung von Gütern gewerbsmäßig betreibt“ 
(Rathgen). Diese engere Auffassung verlangt also 
drei Merkmale, welche zusammentreffen müssen, 
um den Begriff des Handels herzustellen: ein selb- 
ständiges gewerbliches Unternehmen, die Absicht, 
Handel ufsw. 
  
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Gewinn zu erzielen (die übrigens wohl schon in 
dem ersteren Merkmale von selbst gegeben sein 
dürfte), und endlich die bloße Vermittlung des 
Güteraustausches, also des Austausches der fer- 
tigen Güter, ohne daß eine Bearbeitung oder Ver- 
arbeitung derselben hinzutritt. Indessen wird all- 
seitig zugegeben, daß diese Grenze tatsächlich nicht 
scharf gezogen werden kann, indem Formen wirt- 
schaftlicher Tätigkeit bestehen, bei denen es zweifel- 
haft erscheint, ob sie mehr dem Gebiete des Han- 
dels in diesem erwähnten engeren Sinne oder 
einem der beiden andern wirtschaftlichen Gebiete 
angehören. Indem darauf hingewiesen wird, daß 
mit vielen Betrieben der Urproduktion sowohl wie 
der stoffoverwandelnden Industrie die Veräußerung 
an die Konsumenten unmittelbar organisch ver- 
bunden ist und in der letzteren sogar der Schwer- 
punkt der Tätigkeit liegt, wird diese letztere Form 
der Handelstätigkeit als „Fabrik= und Handwerks- 
handel“ bezeichnet und ihr der Handel im engeren 
Sinne als „Kaufmannshandel“ entgegen und zur 
Seite gestellt. Wie wenig es möglich ist, die 
Grenze tatsächlich scharf einzuhalten, zeigt unsere 
amtliche Statistik, die ohne Umschweife zugesteht, 
daß für sie eine Trennung der Betriebe in in- 
dustrielle und Handelsbetriebe nicht vollständig 
durchführbar sei. Ebensowenig läßt sich vom ver- 
waltungsrechtlichen Standpunkt aus die gedachte 
Grenze einhalten; die verwaltungsrechtlichen Maß- 
nahmen müssen den Güteraustausch in allen seinen 
Formen und Beziehungen erfassen, was natürlich 
nicht ausschließt, daß einzelne derselben nur dem 
Handel im engeren Sinne gelten sollen. Für das 
bürgerliche (Privat-) Recht endlich war ein solch 
flüssiger Begriff überhaupt nicht brauchbar; schon 
aus diesem Grunde mußte es zur Abgrenzung 
dessen, was es unter Handel, besonders unter 
Handelsgeschäften, verstanden wissen will, zu posi- 
tiven Vorschriften greifen und hat aus praktischen 
Gründer hierbei den Begriff des Handelsgewerbes 
bedeutend über den des Handels im erwähnten 
engeren Sinne erweitert. auch die sog. Hilfsge- 
werbe des Handels in seinen Bereich einbezogen 
(Näheres s. unter Handelsrecht). Auch bei den 
folgenden Erörterungen wird nicht an einem ein- 
heitlichen Begriffe des Handels in dem einen oder 
andern vorerörterten Sinne festgehalten werden 
können; Mißverständnisse indessen können daraus 
wohl nicht entstehen, da sich an jeder Stelle schon 
aus dem Zusammenhang ergeben wird, welche 
Bedeutung gemeint ist. 
II. Geschichtliche Entwicklung und Gliede- 
rung des Handels. 1. Wenngleich die ersten An- 
fänge der menschlichen Handelstätigkeit im Dunkel 
vorgeschichtlicher Zeit ruhen, so lassen sich doch ihre 
Ursachen und Formen mit Sicherheit erkennen. 
Die Güter und Kräfte der Erde sind über dieselbe 
ungleich verteilt und die Fähigkeit der Menschen, 
dieselben zu nutzen und sich dienstbar zu machen, 
ist verschieden. Mangel an Gütern zur Befrie- 
digung wirklicher oder auch vermeintlicher Bedürf-
	        
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