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der Beziehungen ihrer selbst zum Handel auf-
gestellt hat, so erhält man den Begriff des Han-
delsstaats= oder Verwaltungsrechts, das wieder
einen Teil des öffentlichen Rechts ausmacht. Die
Rechtsbeziehungen dagegen, welche der Handels-
verkehr im bürgerlichen Leben von Person zu
Person herstellt, regelt das Handelsprivatrecht,
welches auch als Handelsrecht im engeren Sinne
oder schlechthin als Handelsrecht bezeichnet zu
werden pflegt. Es gibt endlich ein internationales
Handelsrecht, Handelsvölkerrecht, welches die inter-
nationalen Beziehungen auf dem Gebiete des Han-
dels zum Gegenstande hat und sich aus der Über-
einstimmung der Rechte mehrerer selbständigen
Staaten ergibt.
Die Handelsrechtspflege als Teil einerseits der
Rechtspflege im allgemeinen, anderseits der Han-
delspolitik hat es mit der Fürsorge und Ordnung
in betreff des Handelsrechts nach den verschiedenen
vorgedachten Richtungen zu tun. Außer der
wissenschaftlichen Förderung, z. B. dadurch, daß
das Handelsrecht auf Universitäten und Handels-
schulen zum Gegenstand des Fachunterrichts ge-
macht wird, hat sie sich vornehmlich mit der Er-
forschung, Aufstellung und Durchführung der für
die Rechtsverhältnisse des Handels wünschens-
werten Rechtsnormen zu beschäftigen. Sie hat es
also auf dem Gebiete des Handelsstaatsrechts mit
der Frage zu tun, inwieweit im Interesse der all-
gemeinen Wohlfahrt, der Sicherung des Handels-
verkehrs, der Ordnung und guten Sitte, der Ge-
sundheitspflege verwaltungsrechtliche, prozessua-
lische oder strafrechtliche Sätze aufzustellen seien
oder aus finanziellen Gründen zu staatlichen Maß-
regeln Veranlassung zu nehmen sei, und hat die
für geeignet gehaltenen zur Ausführung zu bringen.
Auf dem Gebiete des Handelsprivatrechts gehört
es zu ihrer Aufgabe, die gesamten Normen auf-
zustellen, soweit solche neben dem geltenden bür-
gerlichen Rechte für erforderlich oder nützlich zu
erachten sind. Und für das Gebiet des Handels-
völkerrechts hat sie vornehmlich die Rechtssicherheit
im internationalen Handelsverkehr und die Her-
stellung einer möglichst großen Gleichmäßigkeit
des internationalen Rechts zu pflegen. In betreff
des ersten Punktes ist bereits in dem Artikel Handel
unter Handelspolitik auf das Nötige hingewiesen;
in betreff des letzten ist, abgesehen von einigen da-
hin gehörigen Bemerkungen im folgenden, auf die
einzelnen Materien zu verweisen, die internatio-
nalem Rechte unterstellt sind, z. B. Urheber= und
Verlagsrecht, Telegraphen-, Post-, Eisenbahn-
recht Uusw. Im folgenden soll nur von dem Han-
delsprivatrecht und dem gerichtlichen Verfahren in
Angelegenheiten dieses Rechts die Rede sein.
II. Handelsprivatrecht. 1. Das Handels-
privatrecht ist ein Teil des allgemeinen bürger-
lichen (Privat-) Rechts. Unter Privatrecht ver-
steht man den Inbegriff der Rechtsregeln, welche
für das äußere Verhalten der Menschen unter-
einander maßgebend und mittels gerichtlichen
Handelsrecht.
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Zwanges durchführbar sind. Unter Handels-
privatrecht hat man demgemäß diejenigen Rechts-
regeln zu verstehen, welche die aus dem Handels-
verkehr entspringenden privaten Beziehungen be-
treffen. Seiner Natur nach ist also das Handels-
privatrecht nichts von dem sonstigen bürgerlichen
Rechte Verschiedenes; im Gegenteil, es ist nicht bloß
denkbar, sondern sogar wünschenswert, daß beide
Rechte möglichst ineinander aufgehen. Es liegt in
der Tat nicht die geringste innere Berechtigung
vor, weswegen der Fall, wenn ich von meinem
Nachbar zur Linken, der einen Laden hat und
Kaufmann ist, einen Bedarfsgegenstand kaufe,
nach andern Grundsätzen beurteilt und in einem
andern gerichtlichen Verfahren behandelt werden
soll als der, wenn ich von meinem Nachbar zur
Rechten, der nicht Kaufmann ist, denselben Gegen-
stand kaufe. Die Notwendigkeit eines besondern
Handelsrechts ist denn auch nicht unbestritten.
Wenn für seine Notwendigkeit z. B. angeführt
wird: „Der Handelsstand braucht ein Privat-
recht, das die rasche und sichere Durchsetzung der
Ansprüche und die unbedingte Wahrung der sub-
jektiven Rechte auf das beste gewährleistet, das
den Verkehr nicht durch lästige Formalitäten er-
schwert, aber bei aller Formfreiheit die aus den
einfachen Abmachungen hervorgehenden Rechte
und Pflichten klar und unzweideutig festlegt“, so
ist nicht einzusehen, weswegen das nicht auch An-
sprüche sein sollten, die jeder Staatsbürger mit
Fug an das Recht erheben könnte, dem er unter-
stellt ist. Mit mehr Berechtigung lassen sich die
Ansichten hören, welche unter Hinweis auf eigen-
tümliche Verhältnisse im Handel, z. B. Prokuren,
Firmen, Fixgeschäft, Selbsteintrittsrecht des Kom-
missionärs, ihnen entsprechende eigentümliche
Rechtsregeln fordern. Hier ist aber nicht zu-
zugeben, daß alles das, was als Eigentümlichkeit
des Handels ausgegeben wird, auch wirklich be-
rechtigte Eigentümlichkeit ist. Warum das Fix-
geschäft z. B. für den Kaufmann eine Eigentüm-
lichkeit bedeuten soll und als solche behandelt
werden muß, ist nicht einzusehen. Eigentümlich-
keiten auf dem Gebiete des materiellen Rechts in
Anwendung auf Rechtsgeschäfte können nicht an-
erkannt werden, wie denn auch in dieser Richtung
das B.G. B. in Deutschland in der Ausgleichung
gegen früher sehr weit gegangen ist, z. B. auch
gerade in betreff des Fixgeschäfts. Wenn endlich
für die Notwendigkeit eines besondern Handels-
rechts behauptet wird, daß das allgemeine bürger-
liche Recht sich niemals zu derjenigen Freiheit,
Beweglichkeit und universalen Geltung zu erheben
vermöge, welche ein den Handelsbedürfnissen an-
gemessenes Recht notwendig erfordert, so hängt
dies in ersterer Beziehung nur von der mehr oder
minder großen Energie ab, mit welcher die rechts-
bzw. gesetzbildenden Faktoren, wenn sie überhaupt
in Tätigkeit zu treten in der Lage sind, in den
angegebenen Richtungen gehen. Nicht grundsätz-
liche Hindernisse, sondern nur Nützlichkeitsgründe,