Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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für 1908 auf 85 166 gewachsen ist, sowie die mit 
dem Wachstum der Bevölkerung sich mehrende 
Zahl der Einjährig-Freiwilligen, deren es im Etats- 
jahr 1908 rund 11 000 sind. Die deutsche Be- 
völkerungsziffer ist von 40 818 000 im Jahre 
1870 auf 60641 278 am 1. Dez. 1905 gestiegen, 
hat sich also um 47,7 % vermehrt; rechnet man 
einen entsprechenden weiteren jährlichen Bevölke- 
rungszuwachs von 847 600 Köpfen, so hätte die 
Bevölkerung im Jahre 1908 die Zahl von 63.15 
Mill. erreicht, somit sich um 54,7 % vermehrt. 
Dagegen ist die Präsenzziffer des Heeres an Unter- 
offizieren und Gemeinen von 401 659 im Jahre 
1871 auf587 156 im Jahre 1908, also um 185497 
Mann oder 46,1 % gewachsen. Rechnet man hier- 
zu noch nach dem Etat für 1908 die Präsenzziffern 
für Marine (46 205), Schutztruppen (7658), ost- 
asiatische Besatzung und Truppen von Kiautschou 
Gusammen 4135), denen im Etat für 1871 nur 
3440 Mann Marinetruppen gegenüberstehen, so 
ergibt sich eine Gesamtvermehrung der Präsenz an 
Unteroffizieren und Gemeinen von 405 099 im 
Jahre 1871 auf 645 154 im Jahre 1908 und 
damit (ohnedie Einjährig-Freiwilligen) ein Wachs- 
tum von 240 055 Mann oder 59,2 % . Im Rech- 
nungsjahr 1908 hat somit die Präsenzstärke der 
gesamten bewaffneten Macht Deutschlands 1,02% 
der deutschen Bevölkerung erreicht. Den tatsäch- 
lichen Präsenzstand, der innerhalb des Etatsjahres 
sich bald über bald unter der gesetzlich festgestellten 
Jahresdurchschnittsstärke bewegt, zu bestimmen, 
steht dem Kaiser zu. Sehr verschieden wird in der 
staatsrechtlichen Literatur die Frage beantwortet, 
ob der Kaiser zur Bestimmung des Präsenzstandes 
auch dann befugt ist, wenn ein Gesetz über die 
Friedenspräsenzstärke nicht zustande kommt; so- 
lange die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers 
rechtlich nicht geregelt ist, fehlt der Untersuchung 
dieser Frage die praktische Spitze. 
2. Waffengattungen. Hauptwaffen sind 
Infanterie, Artillerie (Feldartillerie, Fußartillerie) 
und Kavallerie. Dazu kommen als Hilfswaffen: 
Pioniere, Train und Verkehrstruppen (Eisenbahn- 
regimenter, Telegraphenbataillon, Luftschiffer- 
bataillon, Versuchsabteilung). Der Feuerkampf 
und die Infanterie ist in den Kämpfen des Krieges 
heutzutage ausschlaggebend. Wegen der großen 
Schußweite, Treffsicherheit und Feuerschnelligkeit 
der verbesserten Gewehre und des Gebrauches 
rauchschwachen Pulvers ist es geboten, die Trup- 
pen möglichst dem Auge des Feindes zu entziehen, 
sie nicht in geschlossenen Massen, sondern in 
Schützenschwärmen an die feindliche Stellung 
heranzubringen und einen Ansturm erst zu wagen, 
wenn der Feind durch Geschütz= und Gewehrfeuer 
erschüttert ist. Den Ansturm der Infanterie zu 
ermöglichen und zu erleichtern, ist Hauptaufgabe 
der Artillerie. Da infolge dieser Verhältnisse die 
Truppen, die zum Gefecht geführt werden, schon 
von weither entwickelt werden müssen und die 
Schlachtlinie einen überaus großen Raum umfaßt, 
Heerwesen. 
  
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ist auch die Bedeutung einer Aufklärung über 
Stärke und Stellung des Feindes gewachsen. Diese 
Aufklärung zu beschaffen, ist Hauptaufgabe der 
Kavallerie. 
3. Die Friedensformationen des 
stehenden Heeres sind in ihren wichtigsten 
Bestandteilen durch das Militärgesetz dauernd 
festgelegt, nämlich in der Zahl der Armeekorps 
sowie in der Zahl der Bataillone, Eskadrons und 
Batterien. Im Frieden besteht die Heeresmacht 
des Deutschen Reiches aus 23 Armeekorps, wovon 
Bayern 3, Sachsen 2, Württemberg 1, Preußen 
mit den übrigen Ländern 17 aufstellt (Gesetz vom 
25. März 1899). Nach dem letzten Friedensprä- 
senzstärkegesetz vom 15. April 1905 ist die Zahl 
der Formationen festgesetzt auf 633 Bataillone 
Infanterie, 510 Eskadrons Kavallerie, 574 Bat- 
terien Feldartillerie, 40 Bataillone Fußartillerie, 
29 Bataillone Pioniere, 12 Bataillone Verkehrs- 
truppen, 23 Bataillone Train; einzelne dieser 
Formationen sollen übrigens erst in den Rech- 
nungsjahren 1909 und 1910 gebildet werden. 
Die Vermehrung der Truppenteile und die Rich- 
tung, in welcher die Verstärkung der deutschen 
Heereskraft erfolgte, zeigt am besten eine Ver- 
gleichung dieser Zahlen mit den Bestimmungen 
des Militärgesetzes vom 2. Mai 1874 88 2, 3; 
damals wurde die Heeresmacht auf 18 Armee- 
korps festgesetzt (14 preußische, 2 bayrische, je 1 
sächsisches und württembergisches) und die Infan- 
terie in 469 Bataillone, die Kavallerie in 465 
Eskadrons, die Feldartillerie in 300 Batterien, 
die Fußartillerie in 29, die Pioniere und der 
Train in je 18 Bataillone eingeteilt. Die Ver- 
mehrung erfolgte entsprechend der Bedeutung der 
Waffengattung zunächst bei Infanterie und Ar- 
tillerie, zuletzt (in den Jahren 1893, 1899 und 
1905) bei der Kavallerie. — Im übrigen ist ge- 
setzlich nur vorgeschrieben, daß die Bataillone „in 
der Regel“ vier, die Bataillone des Trains zwei 
bis drei Kompagnien haben, daß je zwei bis vier 
Batterien der Feldartillerie eine Abteilung bilden, 
daß „in der Regel“ bei der Infanterie aus drei 
Bataillonen, bei der Kavallerie aus fünf Eska- 
drons, bei der Artillerie aus zwei bis drei Ab- 
teilungen bzw. Bataillonen ein Regiment formiert 
wird, daß zwei oder drei Regimenter zu einer Bri- 
gade, zwei oder drei Brigaden der Infanterie und 
Kavallerie unter Zuteilung der nötigen Feld- 
artillerieformationen zu einer Division vereinigt 
werden, daß aus zwei bis drei Divisionen mit den 
entsprechenden Fußartillerie-, Pionier= und Train- 
formationen ein Armeekorps gebildet und für je 
drei bis vier Armeekorps eine Armeeinspektion er- 
richtet wird (Reichsmilitärgesetz vom 2. Mai 1874 
§§ 2, 3 und vom 25. März 1899 Art. 1). Auch 
bezüglich des bei den einzelnen Formationen er- 
orderlichen Personals an Offizieren, Unteroffi- 
zieren, Militärärzten und Militärbeamten sagt 
das Gesetz nur: in der Regel wird jede Kompagnie, 
Eskadron und Batterie durch einen Hauptmann 
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