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Kriegszwecke bestimmter Formationen, wie Feld-
post, Etappenkommandos usw., ergänzt. Man
unterscheidet Feldtruppen, Ersatztruppen und Be-
satzungstruppen. Feldtruppen sind die mobile
Feldarmee. Nicht in mobilem Zustand befinden
sich die Ersatztruppen, welche zur Ausbildung und
Nachsendung von Rekruten sowie auch als Stämme
für etwaige Neuformationen dienen, und die Be-
satzungstruppen, welche zur Besatzung der Festun-
gen und zur Deckung von Etappenstraßen be-
stimmt sind.
V. Die Organisation der Landwehr ist nur
in ihren Grundzügen durch Gesetz geregelt. Die
Landwehrinfanterie wird in besonders formierten
Landwehrtruppenkörpern zur Verteidigung des
Vaterlandes als Reserve für das stehende Heer
verwendet; jedoch können die Mannschaften des
üngsten Jahrganges der Landwehrinfanterie er-
forderlichenfalls bei Mobilmachungen auch in Er-
satztruppenteile eingestellt werden. Die Mann-
chaften der Landwehrkavallerie werden im Kriegs-
fall nach Maßgabe des Bedarfs in besondere Trup-
penkörper formiert; die Landwehrmannschaften der
übrigen Waffen werden bei eintretender Kriegs-
gefahr nach Maßgabe des Bedarfs zu den Fahnen
des stehenden Heeres einberufen (Wehrgesetz vom
9. Nov. 1867 § 5). Als Grundlage für die Or-
ganisation der Landwehr dient die Einteilung des
Reichsgebiets in 22 Armeekorpsbezirke (s. oben
III, 6). Eine Ausnahme bilden nur die 9 preu-
ßischen Gardelandwehrregimenter, welche keine
territorialen Ersatzbezirke haben (Kabinettsordern
vom 1. März 1872 und 1. Jan. 1873). Inner-
halb der Schranken dieser gesetzlichen Vorschriften
bestimmt der Kaiser die Organisation der Land-
wehr, also insbesondere die Einteilung der Land-
wehrbezirke; ausgenommen ist Bayern, für welches
der König von Bayern die Organisation in Über-
einstimmung mit den für das Bundesheer bestehen-
den Normer bestimmt (Reichsverf. Art. 63, Abf. 4;
Bündnisvertrag III, § 5, Ziff. 8). Jedem Land-
wehrbezirk ist ein Stabsoffizier als Landwehr-
bezirkskommandeur vorgesetzt; letzterem sind bei-
gegeben ein Bezirksadjutant für die Bureauge-
schäfte und Bezirksoffiziere für die einzelnen Kon-
trollbezirke sowie das erforderliche Unterpersonal.
Die Landwehrbezirkskommandos sind den Infan-
teriebrigadekommandos oder den Landwehrinspek-
tionen und diese den Generalkommandos unter-
stellt, ausgenommen Hessen, wo das Divisions-
kommando an Stelle des Generalkommandos die
Leitung hat. Aufgabe dieser Friedensorganisation
der Landwehrbehörden ist lediglich die Kontrolle
der Personen des Beurlaubtenstandes und die
Vorbereitung der Mobilmachung.
VI. Die Organisation des Landsturms be-
stimmt der Kaiser. Die einzige Gesetzesvorschrift
bezüglich dieser Organisation ist, daß der Land-
sturm zweiten Aufgebots in der Regel in beson-
dern Abteilungen formiert werden soll. Militär-
gesetz vom 2. Mai 1874 86; Gesetz betreffend
Heerwesen.
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Anderungen der Wehrpflicht vom 11. Febr. 1888
§24, Abf. 4.
VII. Festungen. Das Recht, Festungen inner-
halb des Reichsgebiets anzulegen, steht ausschließ-
lich dem Kaiser zu (Reichsverf. Art. 65). Die
Bundesstaaten sind nicht berechtigt, gegen die An-
legung oder Veränderung einer Festung in ihrem
Gebiet Einspruch zu erheben; nur die Festungs-
gemeinden haben, wenn die für den öffentlichen
Verkehr bestimmten Tore und Torbrücken einer
Reichsfestung im Lauf der Zeit sich als unzuläng-
lich für diesen Verkehr exweisen, einen Anspruch
darauf, daß diese Tore und Torbrücken, soweit ein
fortifikatorisches Interesse nicht entgegensteht, auf
Kosten des Reichs erweitert werden (Reichsgesetz
vom 30. Mai 1873 Art. IV., Abs. 2). Alle
Reichsfestungen stehen im Eigentum des Reiches,
auch die vor Gründung des Reiches angelegten
Festungen (Reichsgesetz vom 25. Mai 1873 8 1)
unterliegen daher der Beaufsichtigung des Kaisers.
Die Besatzungstruppen unterstehen, wie alle
Truppen, dem Befehl des Kaisers; alle Festungs-
kommandanten werden vom Kaiser ernannt
(Reichsverf. Art. 64, Abs. 3). Von diesen Bestim-
mungen ist Bayern ausgenommen: „Die Anlage
von neuen Befestigungen auf bayrischem Gebiete
wird Bayern im Wege jeweiliger spezieller Ver-
einbarung zugestehen“; die bayrischen Festungen
bleiben im Eigentum Bayerns, und wenn neue
Befestigungen auf gemeinschaftliche Kosten in
Bayern angelegt werden sollten, geht deren immo-
biles Material in das ausschließliche Eigentum
Bayerns über; Bayern ist verpflichtet, die Festun-
gen Ingolstadt und Germersheim und etwaige
auf Kosten des Reiches künftig in bayrischem Ge-
biet errichteten Festungen in vollkommen vertei-
digungsfähigem Zustand zu erhalten; die bay-
rischen Besatzungstruppen unterstehen im Frieden
nicht dem Befehl des Kaisers, und die bayrischen
Festungskommandanten werden ausschließlich vom
König von Bayern ernannt (Bündnisvertrag III,
§ 5 und Schlußprotokoll dazu). Mit Württem-
berg ist vereinbart worden, daß der Kaiser über
die Anlegung neuer Befestigungen innerhalb des
Königreichs und über die Ernennung der Kom-
mandanten für die im Königreich gelegenen festen
Plätze sich mit dem König von Württemberg
„vorher in Vernehmen setzen“ werde. Durch eine
besondere Vereinbarung zwischen Preußen, Bayern
und Württemberg vom 16. Juni 1874 ist die
Festung Ulm beider Ufer als einheitlicher Waffen-
platz unter das Kommando und die Verwaltung
der Reichsorgane gestellt; der Gouverneur, der
Kommandant und deren Stäbe werden vom Kaiser,
das übrige Personal von den Territorialstaaten
ernannt und das gesamte Personal für den Kaiser
verpflichtet; die Verwaltung führt das preußische
Kriegsministerium.
VIII. Die Heeresverwaltung ist Kontin-
gentsverwaltung; die Verwaltungsbeamten wer-
den von den Kontingentsherren ernannt und sind