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den Staatsgesetzen entgegengesetzt werden. Königs-
morde, Staatsverschwörungen u. dgl. sind von den
Priestern oft unterstützt und ausgeführt worden.“
Der Protestantismus hat aber das Weltliche, das
Sittliche und Recht mit dem Göttlichen versöhnt
und „den Gehorsam gegen die Staatsgesetze als
die Vernunft des Wollens und Tuns zum Prin-
zip gemacht“ (Werke IX 424, 446).
Dieser Staatsbegriff wird von Hegel ganz be-
sonders als Substanz des preußischen Staates
hingestellt; denn in ihm hat die sittliche Macht des
Geistes sich in ihrer Energie gefühlt und ihr Panier
aufgesteckt; in ihm ist die Bildung und die Blüte
der Wissenschaft eines der wesentlichen Momente
des Staatslebens geworden (Werke VI, S. XXxVI).
Ihm ist auch der Beruf zugefallen, Hort des Pro-
testantismus zu sein gegenüber dem Katholizismus.
Durch den Westfälischen Frieden hatte die prote-
stantische Kirche Selbständigkeit erlangt; es fehlte
dieser Selbständigkeit aber noch an einer „Garantie
und Sicherheit durch eine einzelne Macht“. Diese
Macht ist am Ende des 17. Jahrh. aufgetreten;
es ist Preußen (Werke IX 434).
Die innere Verfassung des Staates, sofern er
der Idee nach genommen wird, abgesehen von all
seinen historischen Erscheinungsweisen, ist nichts
Gemachtes, sondern aus dem lebendigen Volks-
geist herausgewachsen. Ihre vollendete Entwicklung
besitzt sie in der konstitutionellen Monarchie, die ein
Werk der neueren Welt ist; die Monarchie, Aristo-
kratie, Demokratie, welche die Formen der alten
Welt bildeten, sind in ihr zu Momenten herabge-
schwunden. Ihre Gliederung gewinnt sie innerhalb
derselben in der fürstlichen Gewalt als „Spitze
und Anfang des Ganzen“, in der Regierungsgewalt
und der gesetzgebenden Gewalt (Philos. des Rechts
§§ 272/274). Die fürstliche Gewalt bildet „das
Moment der letzten Entscheidung als der Selbst-
bestimmung, in welche alles übrige zurückgeht"“.
Eine Volkssouveränität, im Gegensatze zu der im
Monarchen existierenden Souveränität aufgefaßt,
gehört zu den verworrenen Gedanken, denen eine
wüste Vorstellung des Volkes zugrunde liegt; denn
„das Volk ohne seinen Monarchen und die eben
damit notwendig und unmittelbar zusammen-
hängende Gliederung des Ganzen genommen, ist
die formlose Masse, die kein Staat mehr ist“.
„Daß nun der Staat der sich selbst bestimmende
und vollkommen souveräne Wille, das letzte Sich-
entschließen ist, begreift die Vorstellung leicht. Das
Schwerere ist, daß dieses „Ich will“ als Person ge-
faßt werde. Hiermit soll nicht gesagt sein, daß der
Monarch willkürlich handeln dürfe; vielmehr ist er
an den konkreten Inhalt der Beratungen gebunden,
und wenn die Konstitution fest ist, so hat er oft
nicht mehr zu tun, als seinen Namen zu unter-
schreiben. Aber dieser Name ist wichtig; er ist die
Spitze, über die nicht hinausgegangen werden
kann“ (Werke VIII2 363). „Es ist bei einer voll-
Hegel.
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keit gegen die Leidenschaft. Man fordert daher mit
Unrecht objektive Eigenschaften an dem Mon-
archen; er hat nur Ja zu sagen und den Punkt
auf das J zu setzen. Denn die Spitze soll so sein,
daß die Besonderheit des Charakters nicht das Be-
deutende ist“ (ebd. S. 365).
Die Monarchie in ihrer vollendeten Gestalt ist
Erbmonarchie. Der Grund hierfür liegt darin,
daß „die Idee des von der Willkür Unbewegten
die Majestät des Monarchen ausmacht“. Daß bei
Erledigung des Thrones hierdurch dem Kampfe
der Faktionen und der Schwächung und Zertrüm-
merung der Staatsgewalt vorgebeugt werde, das
ist nur Folge; zum Grunde gemacht, würde es
die Majestät des Thrones in die Sphäre des
Räsonnements herabziehen. Wie die Monarchie,
so ist auch die Erbmonarchie aus der Idee des
Staates durch Vernunftnotwendigkeit zu begrün-
den; man kann sich nicht damit begnügen, zu sagen,
daß Gott die Könige eingesetzt habe; denn Gott
hat alles, auch das Schlechteste, gemacht; immer-
hin kommt indessen die Vorstellung, das Recht der
Monarchie als „auf göttliche Autorität“ gegründet
zu erachten, der Wahrheit noch am nächsten, indem
dieses Recht ihr wenigstens doch als ein un-
bedingtes und nicht als ein durch Gründe des
Räsonnements abgeleitetes gilt (vgl. Philos. des
Rechts 8§ 275, 279/281).
Die Ausführung und Anwendung der fürst-
lichen Entscheidungen begreift die Regierungs-
gewalt in sich, worunter die exekutive, richter-
liche und polizeiliche Gewalt befaßt ist. Ubrigens
sollen die Interessen der besondern Sphären (der
Gemeinden und Korporationen) deren eigener
Verwaltung überlassen bleiben unter der Be-
dingung, daß sie den höheren, allgemeinen Inter-
essen des Staates nicht widersprechen, sondern
untergeordnet sind (a. a. O. 88 287/289).
In der gesetzgebenden Gewalt als Totalität
ist zunächst das monarchische Element wirksam,
sofern ihm die höchste Entscheidung zukommt, und
dann die mit der Kenntnis und UÜbersicht des
Ganzen ausgerüstete und zur Beratung dienende
Regierungsgewalt und endlich das ständische Ele-
ment. Die Notwendigkeit von Ständeversamm-
lungen liegt nicht, wie die gewöhnliche Vorstellung
meint, darin begründet, daß die Abgeordneten
aus dem Volk oder gar das Volk es am besten
verstehen müssen, was zum Besten des Volkes
diene, und den unbezweifelt besten Willen für
dieses Beste haben. Die „Gewährleistung, die
für das allgemeine Beste und die öffentliche Frei-
heit in den Ständen liegt, findet sich bei einigem
Nachdenken nicht in der besondern Einsicht der-
selben — denn die höchsten Staatsbeamten haben
notwendig tiefere und umfassendere Einsicht in
die Natur der Einrichtungen und Bedürfnisse des
Staates sowie die größere Geschicklichkeit und
Gewohnheit dieser Geschäfte und können ohne
endeten Organisation nur um die Spitze formellen Stände das Beste tun, wie sie auch fortwährend
Entscheidens zu tun und um eine natürliche Festig= bei den ständischen Versammlungen das Beste