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biete der Armenpflege ist demnach Elsaß-Loth-
ringen für das übrige Deutschland einstweilen
noch ebenso Ausland wie Bayern. Es kommen
zufolge Beschlusses des Bundesrats vom 6. Dez.
1873 zwischen Elsaß-Lothringen und dem übrigen
Deutschland auch ebenso die Bestimmungen des
Eisenacher Vertrages zur Anwendung wie bei
Bayern. Durch Reichsgesetz vom 30. Mai 1908
ist jetzt aber bestimmt worden, daß auch für Elsaß-
Lothringen das Unterstützungswohnsitzgesetz in
Kraft treten soll, und zwar vom 1. April 1910 ab.
IV. Dasösterreichische Heimatsrecht hat
sich entwickelt entsprechend dem bayrischen. Das
Gemeindegesetz vom 17. März 1849läßtdie Heimat
zusammenfallen mit der Gemeindeangehörigkeit.
Es unterscheidet Gemeindeangehörige und Ge-
meindebürger. Erstere haben das Recht des Auf-
enthaltes, der Benutzung des Gemeindegutes, der
Armenversorgung, und wenn sie Beamte oder
Doktoren einer Universität sind, das Recht der
Teilnahme an der Wahl des Gemeindeausschusses;
letztere haben allgemein noch aktives und passives
Wahlrecht zum Gemeindeausschuß. Die Ge-
meindeangehörigkeit wird erworben durch Geburt,
Verehelichung, Antritt eines Amtes im Bezirk der
Gemeinde oder Aufnahme. Letztere geschieht durch
förmlichen Gemeindebeschluß oder durch vier-
jährigen Aufenthalt einer Person, die nicht im
Besitz eines ordnungsmäßigen Heimatscheines ist.
Daneben ist der Satz ausgestellt: „Personen,
deren Zuständigkeit nicht erweislich ist, fallen,
wenn sie erwerbsunfähig werden, der Gemeinde
zur Last, in welcher sie sich zuletzt aufgehalten
haben.“ Wer im Besitz des Heimatscheines einer
Gemeinde war, behielt dauernd in dieser seine
Heimat. Für die Städte Wien, Prag und Triest
galt als Ausnahme der Satz, daß Ortsfremde,
welche sich mit Heimatschein einer andern Ge-
meinde mindestens zehn Jahre im Gemeindebezirk
aufhielten, dadurch einen rechtlichen Anspruch auf
Aufnahme in den Gemeindeverband erwarben.
Das Patent vom 24. April 1859 dehnte letztere
Bestimmung auf alle Gemeinden aus und knüpfte
den Anspruch auf Aufnahme schon an einen vier-
jährigen Aufenthalt. Das Heimategesetz vom
3. Dez. 1863 verband mit der Heimat die Auf-
enthaltsberechtigung, die Armenversorgung und
das Wahlrecht zur Gemeindevertretung. Das
Heimatsrecht wird erworben durch Abstammung,
Verehelichung, Amtsantritt, außerdem nur durch
Verleihung seitens einer Gemeinde. Diese stand
in völlig freiem Belieben der Gemeinde und unter-
stand keinerlei Berufung oder Kontrolle. Ein
Erwerb der Heimat durch noch so langjährigen
Wohnsitz existierte nicht. Die Gemeinden können
auch Ausländern das Heimatsrecht verleihen, doch
nur unter der Bedingung, daf sie die österreichi-
sche Staatsbürgerschaft erwerben. Heimatlose wer-
den einer bestimmten Gemeinde zugewiesen. Eine
Milderung dieses schroffen Heimatsrechts brachte
die Novelle vom 5. Dez. 1896. Sie gibt einen
Staatslexikon. II. 3. Aufl.
Heimstättenrecht.
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Anspruch auf Verleihung des Heimatsrechts für
alle Osterreicher, welche nach erlangter Eigenbe-
rechtigung, also im allgemeinen nach vollendetem
24. Lebensjahre, durch zehn Jahre freiwillig und
ununterbrochen in einer Gemeinde sich aufgehalten
haben, ohne Armenunterstützung zu genießen.
Eine Gebühr für diese Verleihung darf nicht
erhoben werden. Ausländer erwerben durch zehn-
jährigen Aufenthalt den Anspruch auf Zusicherung
der Aufnahme in den Heimatsverband; die Auf-
nahme wird jedoch erst dann wirksam, wenn die
Betreffenden das österreichische Staatsbürgerrecht
erlangt haben.
Literatur. Über das deutsche Unterstützungs-
wohnsitzgesetz: Kommentare von Krech (51901),
Eger (71900), Wohlers-Krech (91901); Entschei-
dungen des Bundesamtes für das Heimatswesen
(seit 1873); Frhr. v. Reitzenstein, Armenfürsorge
für Ausländer, insbesondere in Deutschland (1895).
Über das bayr. Gesetz über Heimat, Verehelichung
u. Aufenthalt: Handausgabe der bayr. Gesetze über
Heimat usw. von Reger (71898); Kommentar von
v. Riedel ((1898); Pröbst, Das bayr. Gesetz usw.
(“1900). Für Österreich: Geller, Gesetze u. Verord-
nungen über Heimatsrecht usw., in den Österr. Ge-
Esen. Einzelausgaben Hft 55 (1897); Arailza,
Osterr. Heimatsrecht (1889); Reicher, Heimatsrecht
(1890); Münsterberg, Das ausländische Armen-
wesen, in den Schr. d. d. Vereins für Armenpflege
u. Wohltätigkeit Nr 35 (1898).
[Karl Bachem.)
Heimstättenrecht. Begriff; Sozialpoli-
tische und juristische Gesichtspunkte; Gesetzesvor-
schläge; Bestehende Gesetzgebungen; Aussichten.)
1. Begriff. Unter den Vorschlägen zum
Schutze des Grundbesitzes, welche in den letzten
Jahrzehnten an die Offentlichkeit traten, nimmt
die auf Einführung von sog. Heimstätten ge-
richtete Bewegung eine bemerkenswerte Stelle ein,
indem sie dem Grundbesitzer, ohne ihn an die
Scholle zu binden, eine gesicherte Familienheim-
stätte in seinem Gute erhalten will. Es würden
sämtliche gesetzlichen Maßregeln hierher gehören,
die das Wohl des Bauernstandes und insbeson-
dere die bäuerliche Erbfolge, die Teilbarkeit der
landwirtschaftlichen Grundstücke und deren Pfand-
belastung betreffen. Um aber den Begriff des
Heimstättenrechts im eigentlichen Sinne dar-
zustellen, bedarf es einer Erweiterung, insofern
nicht nur die Erhaltung des Bauernstandes,
sondern auch die Seßhaftmachung der Arbeiter
bezweckt wird, und einer Verengerung, indem
hier nur die Verschuldung über eine bestimmte
Grenze hinaus und die Versteigerung im Zwangs-
wege eingeschränkt werden soll. Diese Begriffs-
umgrenzung ist allerdings nicht allgemein aner-
kannt; aber sie besitzt gegenüber den viel weiter-
gehenden Forderungen einzelner Entwürfe den
Vorzug der juristischen Folgerichtigkeit.
2. Sozialpolitische und juristische
Gesichtspunkte. Einen Anknüpfungspunkt
findet das Heimstättenrecht im engeren Sinne an
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