Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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Erbschaften ausgenommen, Gesamtgut wird, wäh- 
rend das eingebrachte Vermögen oder das Ererbte 
Sondereigentum jedes Gatten bleibt; jedoch hat 
hier der Mann vom Sondervermögen der Frau 
Nutznießung und Verwaltung; 4) die Fahrnis- 
gemeinschaft; hierbei wird das ganze einge- 
brachte Vermögen der Eheleute Gesamtgut mit 
Ausnahme des unbeweglichen Vermögens, das mit 
in die Ehe gebracht oder während ihrer Dauer er- 
erbt wird. 
Wenn die Eheleute keinen Ehevertrag schließen, 
dann tritt das gesetzliche Güterrecht in Kraft, das 
den Güterstand der Verwaltungsge- 
meinschaft herstellt. In diesem Fall bleibt das 
beiderseitige Vermögen der Ehegatten dem Eigen- 
tum nach zwar völlig getrennt, aber der Mann hat 
das Recht, während der Ehe das Vermögen der 
Frau zu verwalten und zu nutzen. Ausgenommen 
ist nur das Vorbehaltsgut der Frau, das 
ihrer eigenen Verwaltung und Nutzung auch wäh- 
rend der Ehe unterstehen bleibt. Dies ist alles, 
was ihrem persönlichen Gebrauch dient und was 
sie sich während der Ehe durch Arbeit erwirbt. 
Für die Schulden des Mannes ist jedoch bei 
diesem Güterstand das Vermögen der Frau nicht 
haftbar. Ja wenn der Mann etwa durch schlechte 
Verwaltung das Vermögen der Frau schädigen 
würde, so kann sie völlige Gütertrennung bean- 
tragen und durchsetzen. 
Die allgemeine Gütergemeinschaft kann nach 
dem Tod des einen Ehegatten zwischen dem über- 
lebenden Gatten und den gemeinschaftlichen Kin- 
dern, mögen sie volljährig oder minderjährig sein, 
fortgesetzt werden, wenn der überlebende Teil es 
will. Diese fortgesetzte Gütergemeinschaft bleibt 
dann unter seiner Verwaltung und Nutznießung 
bis zu seinem Tod oder seiner Wiederverehe- 
lichung oder seiner gegenteiligen Willenserklä- 
rung. Wegen Gefährdung der Interessen der 
Kinder kann auf Klage und gerichtliches Urteil hin 
diese Gütergemeinschaft ebenfalls aufgehoben wer- 
den (Glock, Deutsche Staats= und Rechtskunde). 
Im Dienst der Familie steht in besonderer 
Weise das Stammgutsrecht des Adels. Es 
hat den ausgesprochenen Zweck, den Namen und 
Stamm der Familie zu erhalten (s. d. Art. Fidei- 
kommiß). Für die bäuerlichen Besitz= und Be- 
triebsverhältnisse von großer Wichtigkeit und von 
einschneidender Bedeutung für die einzelnen Fa- 
milien ist das Anerbenrecht (l. d. Art.). In- 
dem es die geschlossenen Hofgüter schützt vor der 
Zersplitterung und Überschuldung, ist es dazu an- 
getan, durch Beiziehung lediger Familienmitglie= 
der die Familie als wirtschaftliche Arbeitsgemein- 
schaft zu erhalten. (Über die Erbfolge der Kinder 
s. d. Art. Erbrecht.) 
IV. Wirtschaftliche Junktion der Jami- 
lie. Wie für die Gesellschaft, so ist auch für die 
Wirtschaft die Familie die Grundform, der Aus- 
gangspunkt der Güterherstellung, -verteilung und 
-verwendung. Das kam vor allem zum Ausdruck 
Familie. 
  
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in jener Wirtschaftsstufe, die wir die „geschlossene 
Hauswirtschaft“ nennen, deren Schauplatz die 
Großfamilie war. Hier wurden die Güter in der- 
selben Hauswirtschaft hergestellt und verbraucht. 
Die geschlossene Hauswirtschaft konnte selbst auf 
relativ hohen Kulturstufen aufrechterhalten werden 
durch Zuhilfenahme von Sklaverei im griechischen 
obcog und der römischen familia und der mittel- 
alterlichen Hörigkeit im Fronhof. In der Form 
der Sadruga hat sich die Großfamilie als Wirt- 
schaftsform bis in die Neuzeit auf dem Balkan 
erhalten. 
Mit der Entwicklung des Verkehrs änderte sich 
auch die Bedeutung der Familie für die Wirtschaft 
vollständig. Die alte Einheit von Gütererzeugung 
und Güterverbrauch in derselben Familie wurde 
der Hauptsache nach aufgelöst. Durch die Aus- 
bildung des Marktwesens verlor die geschlossene 
Hauswirtschaft ihre wirtschaftliche Selbstgenüg- 
samkeit. Heutzutage ist mit wenig Ausnahmen 
die wirtschaftliche Tätigkeit von Produktion und 
Erwerb getrennt von der Konsumtionswirtschaft 
der Familie. Der Mann und die Familienmit- 
glieder gehen zum Erwerb gewöhnlich nach Arbeits- 
stellen außer dem Haus oder in eine Werkstatt, 
die von der Wohnung gesondert ist. Im Hause 
selbst ist unter der Leitung der Hausfrau oder 
ihrer Stellvertreterin nur noch die Haushaltungs- 
wirtschaft, die den Speisen und andern Genuß- 
und Verbrauchsgütern die letzte Zubereitung zur 
Konsumtion gibt. In den Stüädten ist freilich 
auch davon schon ein großer Teil auf selbstän- 
dige Erwerbszweige außer dem Hause abgeladen 
worden. Es sind sogar Bestrebungen vorhanden, 
die auch die Konsumtionswirtschaft der Familie 
vollständig abnehmen wollen durch Einrichtung 
von gemeinsamen Küchen usw. Aber da dies 
wieder einen gewissen Zwang notwendig macht 
und so die Entfaltung der individuellen Freiheit 
hindert, würden solche Einrichtungen immer nur 
ein Notbehelf bleiben für Fälle, in denen eine 
eigne Familienwirtschaft nicht möglich oder mit 
zu großen Kosten verbunden ist. Zudem braucht 
das familiäre Zusammenleben von Eltern und 
Kindern an sich schon zur Erfüllung seiner ethischen 
und sozial politischen Aufgaben eine gewisse selb- 
ständige wirtschaftliche Grundlage, die am besten 
durch die Konsumtionswirtschaft hergestellt wird. 
Neben der Erwerbswirtschaft des Mannes bleibt 
daher in der modernen Volkswirtschaft die Haus- 
haltungswirtschaft der Frau innerhalb der Fa- 
milie von der größten Bedeutung. Denn von der 
vernünftigen, zweckmäßigen Verwendung des Ar- 
beits= und Erwerbseinkommens hängt die Wohl- 
fahrt der Familie zum großen Teil ab und nicht 
etwa allein und in erster Linie von der Erwerbs- 
möglichkeit und der Kunst des Erwerbs. Zur 
Hebung der materiellen und geistigen Lage eines 
Volkes ist ebenso wichtig, ja fast noch wichtiger die 
Kunst, den Verbrauch und Verzehr an den Er- 
werb anzupassen. Diese Bemerkung ist haupt- 
 
	        
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