Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

1259 Hof 
werden, kennt man doch erst seit dem 14. Jahrh. 
einen fest organisierten, unsern Staatsmini- 
sterien entsprechenden Hofrat, dessen Vorsitzen- 
der seit Ruprecht von der Pfalz, der „Oberst- 
hofmeister“, später „Reichshofmeister“ genannt, 
den abwesenden König vertrat auch auf Reichs- 
tagen, bei Belehnungen und richterlichen Ge- 
schäften. 
3. Landesfürstliche Höfe. Mit der Aus- 
bildung der Landeshoheit fingen die Landesherren 
an, die Organisation der Hofämter an ihren Höfen 
der des Königshofes nachzubilden. Auch hier gab 
es nun Erbhofämter, die bloße Ehrenämter 
waren und nur bei besonders feierlichen Gelegen- 
heiten in Dienst traten, während der tägliche Dienst 
in den Händen von Unterhofbeamten lag. Die 
Erbämter an den herzoglichen und bischöflichen 
Höfen waren vielfach an Fürsten verliehen, sonst 
waren die Träger der Hofämter Edle oder vor- 
nehmere Ministerialen, zum Teil ebenfalls auf 
Grund erblicher Verleihung. Die Dienste selbst 
wurden von Ministerialen versehen. Insbesondere 
finden sich an jedem Fürstenhofe die vier alten 
Hofämter des Marschalls, Truchseß oder Küchen- 
meisters, Kämmerers oder Kammermeisters (als 
Leiter des Finanzwesens) und des Schenken. Der 
Marschall war gewissermaßen Kriegsminister und 
Haupt des Lehnsadels geworden; er führte meist 
auch den Vorsitz in den Landtagen und übte eine 
gewisse Disziplinargerichtsbarkeit aus über die ge- 
samte Ritterschaft des Landes. In Österreich 
wurde das Amt später getrennt in das Amt des 
Hofmarschalls und das des Landmarschalls. An 
der Spitze des gesamten Hofpersonals steht als 
Stellvertreter des Landesherrn auch in der Landes- 
regierung seit dem 13. Jahrh. der Hofpmeister, 
der somit Hof= und Landesbeamter zugleich war. 
Hofmeister, Marschall und Kanzler bildeten die 
vornehmsten Räte des Landesherrn. In Bran- 
denburg beschränkten die Hohenzollern das Hof- 
meisteramt wieder auf die reinen Hofangelegen- 
heiten, während es dort unter den Wittelsbachern 
auch in Landessachen die erste Stelle eingenommen 
hatte. Fast an allen Höfen gab es noch andere 
höhere Hofbeamte von mehr oder weniger un- 
bestimmter Stellung, wie den „Jägermeister“ oder 
„Oberjägermeister“, den Hofkaplan, den „Hof- 
reiter“ und den „Ministerial“, die je nach Bedürf- 
nis zu den verschiedensten Aufträgen verwendet 
wurden. Der „Hofrat“ oder „Heimliche Rat“ war 
gebildet aus den verschiedenen Hofbeamten und 
sonstigen Vertrauenspersonen des Landesherrn. 
4. Im Reiche wurden durch den Westfälischen 
Frieden die alten Erzämter noch um ein Erz- 
schatzmeisteramt vermehrt, das der Pfalzgraf 
für das auf Bayern übertragene Erztruchseßamt 
erhielt, während es dann nach der Vereinigung 
Bayerns und der Pfalz an den Kurfürsten von 
Hannover (bisher Erzbannerherr) kam. Diese Erz- 
ämter waren im wesentlichen bloße Dignitäten ohne 
reale Bedeutung. Ihre erblichen Stellvertreter, die 
  
usw. 1260 
Inhaber der Reichserbämter, übten gleichfalls nur 
selten ihr Amt in Person aus, dagegen kamen 
ihnen aus diesen Amtern gewisse Einnahmen zu. 
Seit der Goldenen Bulle hatten die Grafen von 
Pappenheim das Erbmarschallamt; das Erbkäm- 
mereramt war vor der Goldenen Bulle, seit 1257, 
bei den Grafen von Falkenstein gewesen, 1413 kam 
es an die Grafen von Weinsberg, 1504 war es 
bei den Grafen von Seinsheim und seit 1507 bei 
den Grafen und Fürsten von Hohenzollern. Das 
Erbschenkenamt hatten seit 1273 die von Limburg 
in Franken und nach deren Aussterben, seit 1714, 
die Grafen von Althan. Das Erbtruchseßamt 
stand zur Zeit der Goldenen Bulle denen von 
Nortenberg zu, seit 1486 denen von Seldeneck, 
seit 1594 den Freiherren, nachmaligen Grafen von 
Truchseß-Waldburg. Erbschatzmeister waren die 
Grafen von Sinzendorf. Den Erbbeamten gegen- 
über traten jetzt die persönlich vom Kaiser er- 
nannten Hofbeamten, namentlich der Obersthof- 
meister, Oberstmarschall und Generalschatzmeister, 
als besondere Vertrauenspersonen in den Vorder- 
grund. Die Kaiser verpflichteten sich in den Wahl- 
kapitulationen, nur Männer von guter Herkunft 
(womöglich aus dem hohen Adel) und nur Deutsche 
oder solche Ausländer, die Lehen im Reiche hatten, 
zu Hofbeamten zu machen. Der von Kaiser Maxi- 
milian I. ins Leben gerufene, durch die Hofrats- 
ordnungen von 1527, 1541 und. 1550 reorgani- 
sierte Hofrat wurde, entsprechend dem französischen 
conseil und dem continual council Eduards I., 
mehr und mehr zu einer eigentlichen Reichsbehörde. 
Seit dem 16. Jahrh. wurde der Hofdienst am 
Kaiserhofe wie an den Höfen der Territorialfürsten 
ein förmliches, kündbares Amt und verlor damit 
sehr an Bedeutung. 
5. Burgund und Spanien. Von den 
Höfen des Mittelalters wurde jener der pracht- 
liebenden und reichen Herzoge von Burgund seines 
Glanzes wegen am meisten berühmt und nach- 
geahmt. Durch die Vermählung der burgundischen 
Erbtochter Maria mit Maximilian I. verpflanzte 
sich die burgundische Hofsitte nach Spanien und 
erhielt hier ihre vollendetste Ausbildung. Unter 
dem gemessenen Philipp II. erreichte der spanische 
Hofstaat seinen höchsten Glanz; die spanische Hof- 
sprache und das strenge, höchst eingehende Zere- 
moniell galten allen übrigen europäischen Höfen 
als Muster, am allermeisten dem verwandten 
Kaiserhofe in Wien. Hier und in den ihm zu- 
nächst stehenden Häusern wurde das Spanische so- 
gar Hofsprache und erhielt sich als solche das ganze 
16. Jahrh. hindurch, bis dann wegen der engeren 
Beziehungen zu Italien die italienische Sprache 
das UÜbergewicht erhielt, das erst wieder schwand, 
als gegen Ausgang des 17. Jahrh., besonders seit 
dem Frieden von Nimwegen (1678), die franzö- 
sische Sprache alle andern verdrängte, und zwar 
wie in Wien, so auch an allen andern europäischen 
Höfen. Wie für den Wiener, so ist auch für den 
portugiesischen, für den neapolitanischen, den sar-
	        
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