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zunehmenden Einfluß des Christentums.
Die Knechte wurden nun nicht mehr in jeder Be-
ziehung als Sache, sondern in manchen Beziehun-
gen als Personen behandelt; so erlangten sie im
9. Jahrh. ein eigenes Wergeld. Die Verbesserung
der rechtlichen Lage war eine ungleichmäßige bei
den verschiedenen Arten der Knechte. In gehobener
Lage befanden sich die servi casati, Knechte, die
auf einer Hufe ihres Herrn angesiedelt sind. Sie
sitzen in kleineren Höfen, casae, hospitia. Nach
der Hufe, welche sie bebauen, heißen sie auch man-
sionarü, mansuarü oder hobarüs, Hübner. Sie
hatten an den Hof ihres Herrn gewisse Zinse und
Dienste zu leisten. Sie gehören untrennbar zur
Hufe, können nun nicht mehr ohne die Hufe ver-
äußert werden, sie werden als glebae adscripti
wie unbewegliche Sachen behandelt. Die unan-
gesiedelten Hofknechte (mancipia, juniores) galten
dagegen als bewegliche Sachen und konnten als
solche frei, nur nicht außer Landes verkauft werden.
Diese niedrigste Klasse der Knechte kam namentlich
auch auf den Höfen unfreier Bauern, die selbst
wieder solche Leute in ihrem Vermögen besaßen,
vor. — Begründet wurde die Unfreiheit in der
fränkischen Zeit durch Kriegsgefangenschaft, durch
Abstammung von einem unfreien Vater oder einer
unfreien Mutter, durch Verheiratung einer Freien
mit einem Unfreien (ogl. d. Art. Ebenbürtigkeit
Bd I. Sp. 1367/68), unter Umständen durch Ver-
knechtung zur Strafe oder durch freiwillige Er-
gebung des zahlungsunfähigen Schuldners in die
Schuldknechtschaft. Dem Einfluß der Kirche ist
es zu danken, daß die Schuldknechtschaft seit der
karolingischen Zeit durch Zahlung der Schulden
oder durch Abarbeitung derselben wieder ausge-
hoben werden konnte; ebenso gelangte die zeitliche
Beschränkung der Schuldknechtschaft bzw. die Ver-
pfändung der Freiheit für gewisse Wochentage zur
Anerkennung.
Eine höher siehende Klasse von Knechten waren
ferner die Diener, welche den Dienst um die
Person ihres Herrn versahen oder zur Führung
des Haushalts verwendet wurden (kamuli, pueri,
vassi, vassalli, vassi ad ministerium, mini-
steriales; das Wort vassus ist teltisch und
bedeutet soviel als Diener; in karolingischer Zeit
gewann es erhöhte Bedeutung, indem es jetzt meist
freie Leute bedeutete, welche in ein Dienstverhältnis
höherer Ordnung zum König oder einem Großen
eintraten). Die unfreie Dienerschaft gelangte
zu militärischer Bedeutung, sie wurde verwendet
zu Boischaften, Schutzgeleiten, zu Polizei= und
Bütteldiensten, namentlich aber in den Fehden
und Kriegsfahrten ihrer Herren. Als im Kriegs-
wesen der Reiterdienst durchdrang, gewannen die
dafür ausgerüsteten Ministerialen erhöhte Bedeu-
tung; gleich freien Leuten empfingen sie Bene-
fizien und wurden in die Stellung von Vasallen
aufgenommen.
Die höchste gesellschaftliche und rechtliche Stel-
lung erlangten unter den Knechten die Ministe-
Hörigkeit usw.
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rialen des Königs (pueri regis, pueri au-
lici). Sie hatten das Wergeld des Liten, also das
halbe des Gemeinfreien, konnten ÄAmter bekleiden
und in die Zahl der königlichen Antrustionen auf-
genommen werden. In der Karolingerzeit wurden
sie von den Hörigen nicht mehr unterschieden; die
Unfreien und Hörigen auf den Krongütern bil-
deten seitdem die einheitliche Klasse der fiscalini.
Am frühesten und am niedrigsten fixiert waren
die Leistungen und Zinse der Unfreien auf den
Kirchengütern. Nur drei Tage der Woche sollten
sie für das Kirchengut arbeiten, drei Tage für sich
selbst arbeiten dürfen. Sie durften wie die Knechte
des Königs in eigener Person vor dem öffentlichen
Gerichte sich verantworten. Sie wurden mit den
halbfreien Kirchenleuten trotz der rechtlichen Unter-
schiede zur Klasse der homines ecclesiastici zu-
sammengefaßt.
IV. Mittelalter: 1. Die Dienstmannen
oder Ministerialen. Wenn in der fränki-
schen Zeit das Wort minister oder ministerialis
überhaupt die höheren Klassen der Unfreien be-
zeichnete, so nahm es im Laufe der Zeit wie das
Wort „Dienstmann“ eine bestimmte Bedeutung an.
Man verstand jetzt darunter nur Dienstleute des
Königs und der Großen, die im Hofdienst oder
als Reisige (equitando serviunt), zu Boten und
Geleitediensten (itinerarü#, scararll, scaremanni)
oder zu Jagd und Krieg oder als Förster usw.
Verwendung fanden. So bildeten diese Ministe-
rialen seit dem 11. Jahrh. einen eigenen Geburts-
stand, da für ihre Dienste eine besondere Erziehung
und Vorbildung nötig war. Diese Ministerialen
erhoben sich sehr bald auch über die freien Land-
bewohner und Stadtbürger und traten als Ritter-
stand bald unmittelbar hinter den der Edelherren.
(Vgl. die Art. Adel, Ebenbürtigkeit, Fürst.) Ihre
Unfreiheit äußerte sich hauptsächlich in ihrer per-
sönlichen, einseitig unlösbaren Dienstpflicht, die
ihnen nicht, wie den freien Lehnsmannen, durch
besondern Vertrag, sondern durch ihre Geburt ob-
lag. Ihre Dienste waren teils Hof= teils Kriegs-
dienste. Die Dienstmannen unterlagen der Zucht-
gewalt ihres Herrn. Der Herr hatte ferner das
Ehebewilligungsrecht bei Heiraten mit Ministe-
rialen oder Hörigen eines andern Herrn; doch trat
dieses Recht seit dem 12. Jahrh. allmählich stark
zurück. Die Unfreiheit der Dienstmannen zeigte
sich am deutlichsten dadurch, daß der Herr das
Recht hatte, ihre Herrschaft auf andere zu über-
tragen, allerdings nur in Verbindung mit dem
Lehen. Um einem Ministerialen die Freiheit zu
geben, bedurfte es einer ausdrücklichen Frei-
lassung des Herrn. [Über die Verschmelzung des
unfreien mit dem freien Ritterstand vgl. den
Art. Adel (Bd I, Sp. 84 f).]) Im Laufe des
14. Jahrh. verschwanden die letzten Spuren der
Unfreiheit der Dienstmannen. „Aus belehnten
Eigenleuten hatte sich ein freier Lehnsadel ent-
wickelt“ (Schröder, Lehrbuch der Rechtsgeschichte
0# 19071 455).