Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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St Petersburg einen modus vivendi wegen der 
Mandschurei vor, Rußland machte aber keine 
Miene, das Stammland der chinesischen Dynastie 
zu räumen. Die Erregung in Japan stieg aufs 
höchste; Händeleien an der koreanisch-chinesischen 
Grenze verschärften den Konflikt, dessen Gefährlich- 
keit aber von der japanischen Regierung durch 
Auflösung des kriegerisch gesinnten Parlaments 
maskiert wurde, wohl um desto wirksamer plötzlich 
losschlagen zu können. 
Das geschah Febr. 1904 mit dem Vorstoß gegen 
Port Arthur und in Korea. Nunmehr entfaltete 
Japan sich als ein militärischer Faktor zu Lande 
und zur See, der sich eine allgemein anerkannte 
Großmachtstellung sicherte. Schritt um Schritt 
wurde Rußland zurückgedrängt, zuerst aus Korea, 
dann nach der Einschließung von Port Arthur 
nordwärts nach und nach aus der Mandschurei. 
Während im hartnäckigen Belagerungskampfe sich 
bis zum Ende des Jahres 1903 das Schicksal 
Port Arthurs vollendete, erlitten die Russen in 
den großen Schlachten bei Liaujang und am 
Schaho Niederlagen, denen sich dann im März 
1905, als Port Arthur schon längst gefallen war, 
die Riesenschlacht bei Mukden mit gleichem Aus- 
gang anschloß. Die letzte Hoffnung der Russen 
sank mit der jammervollen Vernichtung ihres großen 
Geschwaders bei Tsuschima. 
Japan hatte gesiegt, aber fast bis zur Er- 
schöpfung seiner Kräfte. Deshalb kamen ihm die 
Vermittlungsvorschläge des Präsidenten der Ver- 
einigten Staaten gelegen. Am 5. Sept. 1905 
wurde zu Portsmouth (Nordamerika) der Friede 
geschlossen, der Japan die südliche Hälfte der 
Insel Sachalin einbrachte, vor allem aber seine 
Oberherrschaft über Korea feststellte und ihm in 
der Mandschurei, trotz aller schönen Versprechungen, 
Chinas Souveränität dort zu achten, diejenige 
Stellung verschaffte, aus der es Rußland soeben 
verdrängt hatte. Wirtschaftliche Verträge und die 
Festsetzung in Port Arthur gaben hierfür die 
Unterlage ab. England knüpfte die so erfolgreich 
aufgestrebte Macht in Ostasien durch die Erneue- 
rung und Vertiefung des Bündnisses noch fester 
an sich; Japan seinerseits war weit entfernt vom 
Sättigungspunkt; sein Ehrgeiz richtet sich nun auf 
den Ausbau seiner Vormundschaft über China 
und auf die Vormachtstellung im Stillen Ozean. 
Geschicktes Vorgehen in der einen Richtung bietet 
Japan viele Aussichten, nach der andern Seite 
aber mußte sich der Antagonismus gegen das ge- 
waltige Staatswesen jenseits des Pazifik immer 
stärker entwickeln. Seit 1906 besteht Feindschaft 
zwischen den amerikanischen Weststaaten und Japan; 
jene bekämpfen die japanische Einwanderung mit 
allen möglichen Mitteln und reizen damit einer- 
seits das japanische Selbstgefühl sehr stark, wie sie 
anderseits der Bundesregierung große Unbequem- 
lichkeiten schaffen. Zwar wurde von dieser immer 
wieder eingerenkt, aber der Stachel blieb, und die 
Entfaltung der ganzen nordamerikanischen Flotten- 
Japan. 
  
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macht im Pazifik während des Jahres 1908, die 
Art ihres Empfanges in dem gleichfalls japan- 
feindlichen Australien diente auch nicht dazu, das 
Verhältnis zwischen hüben und drüben zu ver- 
bessern. Die Entente betreffend die Erhaltung 
der Integrität Chinas wurde als ein Auskunfts- 
mittel beider Teile angesehen, um Zeit zu ge- 
winnen. Inzwischen wurde zwar die Mandschurei 
durch Japan „geräumt“, d. h. es wurde ein Teil 
der japanischen Truppen zurückgezogen, aber es 
blieb doch noch ein ansehnlicher Teil unter dem 
Vorwande der Bewachung der den Japanern ge- 
hörigen Bahn dort. Die durch Japan erzwungene 
Abdankung des Kaisers von Korea (Juli 1907) 
besiegelte die Abhängigkeit dieses Landes. 
II. Fläche, Bevölkerung. Das Gesamt- 
gebiet des Staates umfaßt 452 922 qkm; davon 
entfallen auf das nördliche Japan (Jesso mit den 
Kurilen usw.) 94.012, auf das japanische Sacha- 
lin 32348, auf das sog. Altjapan (die großen 
Inseln Nippon oder Honschiu, Kiuschiu. Schikoku 
und einige andere) mit den Bonin= und Lutschu- 
inseln 288 404 qkm, auf Formosa und die Pes- 
cadores 34974, auf Kwantung 3162 qkm. Von 
den drei großen Inseln ist die nördliche (Nippon) 
am größten und umfaßt allein beinahe drei Fünf- 
tel der ganzen Fläche Altjapans. Die Bevölke- 
rung ist, von den Aino und den Eingebornen 
von Formosa und den Pescadores abgesehen, 
ziemlich einheitlich. Die Aino, die Ureinwohner 
Japans, welche den Norden, namentlich die Insel 
Jesso, Südsachalin und die Kurilen bewohnen und 
im ganzen etwa 17 300 Köpfe zählen, sind mon- 
golischer Rasse, von Wuchs kleiner, aber kräftiger 
und breitschulteriger als die eigentlichen Japaner. 
Diese sind ein mongoloides Mischvolk aus drei ver- 
schiedenen Volkstypen: dem Ainoelement, der malai- 
ischen und dermongolischen Rassez der malalsche Ty- 
pus, der in der Masse des Volkes überwiegt (282), ist 
untersetzt, breitschulterig, mit kurzem Hals, rundem 
Gesicht und breiter Nase; der feinere Typus (bei 
den ursprünglich herrschenden Ständen) ist etwas 
größer, schlank, zierlicher, mit länglichem Gesicht, 
weniger vorstehenden Backenknochen und feiner, oft 
stark ans Jüdische erinnernder Nase. Im Verhält- 
nis zu den Europäern sind sie ebenfalls von 
kleiner Gestalt (Männer 1,59, Weiber 1,47 m); 
im allgemeinen gelten sie als verständig und vor- 
sichtig, fleißig und geschickt, sparsam, nüchtern, 
gutmütig und treu, pietätsvoll, aber auch als 
leichtlebig, argwöhnisch, verschlossen, abergläubisch 
und grob sinnlich, von geringer Stetigkeit und 
Ausdauer, sowie nationalstolz bis zum Größen- 
wahn. 
Die Gesamtzahl der Bevölkerung belief sich 
1908 auf 52924202, von denen 46,73 Mill. 
auf das eigentliche Japan, 3.18 Mill. auf For- 
mosa und die Pescadores, 20 500 auf Sachalin, 
405 700 auf Kwantung kamen. Die Volksdichte (im 
ganzen Reich 117 auf 1 akun) ist in Altjapan sehr 
hoch (167—194), geringer auf Formosa (91) und
	        
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