Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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ministeriums leitet der Ministerpräsident (der 
zurzeit zugleich das Finanzministerium innehat); 
jeder Minister ist für seine Person verant- 
wortlich, doch ist in wichtigen Angelegenheiten 
eine Beratung des gesamten Ministeriums er- 
forderlich. Der Minister des kaiserlichen Hau- 
ses zählt nicht mit zu dem Kabinett, sondern 
ist ein Hofbeamter. Unabhängig von dem Kabi- 
nett besteht der 1880 errichtete, dem Kaiser un- 
mittelbar untergeordnete Rechnungshof, der aus 
einem Präsidenten, drei Abteilungspräsidenten und 
zwölf Inspektoren zusammengesetzt ist; die Mit- 
glieder können gegen ihren Willen ihres Amtes 
nicht entsetzt noch in den Ruhestand versetzt werden. 
Ein besonderer Verwaltungsgerichtshof wurde 
durch Gesetz vom 28. Juni 1890 geschaffen. Den 
Geschäftsverkehr des Ministeriums mit dem Kaiser 
vermittelt der Ministerpräfident, der auch bei allen 
Immediatvorträgen der Minister zugegen zu sein 
berechtigt ist. Jeder Minister wird unterstützt 
oder vertreten von einem Vizeminister (Unter- 
staatssekretär); außerdem hat er zwei Privat- 
sekretäre (Sonin). Die einzelnen Ministerien zer- 
fallen in eine Anzahl Abteilungen unter je einem 
Direktor (Cho, im Range eines Sonin); wichtige 
Abteilungen haben auch noch einen Vizedirektor. 
Zur Unterstützung der Minister wie der Abtei- 
lungen dienen mehrere Sekretäre (Schokikwan) und 
Räte (Sandschikwan). 
Alle Beamten sind in drei Klassen eingeteilt: 
in Chokunin (die höchsten Beamten), Sonin und 
Hannin. Von den Chokunin wurden 1886 noch 
die Schinnin, die Minister und die ihnen im 
Range Gleichstehenden, besonders abgetrennt. Die 
Ernennung der Chokunin, die wieder in zwei 
Klassen zerfallen, liegt unmittelbar in der Hand 
des Kaisers; die der Sonin, die in sechs Klassen 
eingeteilt sind, geschieht gleichfalls durch den Kaiser, 
jedoch auf Vorschlag des Ministerpräsidenten; die 
Hannin, welche zehn Abteilungen bilden, werden 
von dem Chef der betreffenden Behörde ernannt. 
Bei allen drei Graden gibt es auch Beamte, die 
zu keiner Klasse gehören; endlich gibt es noch 
(niedere) Beamte ohne Rang, z. B. Polizisten, 
Gefängniswärter usw. Nicht zu den Beamten 
zählen diejenigen, welche auf Zeit beschäftigt wer- 
den. Dahin gehören die sämtlichen in Japan 
angestellten Ausländer, deren Zahl in den 
ersten Jahren nach Wiederherstellung der Mikado- 
herrschaft erheblich war (1872:369, 1875:527), 
seitdem aber nach und nach durch Einheimische 
ersetzt wurden, die zum Teil im Auslande (Amerika, 
Kln usw.) ihre Ausbildung empfangen 
aben. 
Für die untere Verwaltung ist Altjapan ein- 
geteilt in drei Residenzbezirke (Fu: Tokio, Osaka, 
Kioto) und 43 Landbezirke (Ken), die wieder in 
539 Gun (Kreise) und 56 Schi (Großstädte) zer- 
fallen. Die Insel Jesso mit den Kurilen hat be- 
sondere Verwaltung (unter dem Minister des In- 
nern), Formosa und Kwangtung stehen unter Gene- 
  
Japan. 
  
  
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ralgouverneuren, Sachalin unter einem Gouverneur. 
An der Spitze eines jeden Bezirks steht der Bezirks- 
hauptmann (Chidschi), der Chokun in oder Sonin 
erster Klasse ist. Ihm zur Seite stehen zwei Sekre- 
täre, Sonin zweiter Klasse und darunter, von 
denen der ältere ihn in Verhinderungsfällen ver- 
tritt. Die erste Abteilung der Bezirksregierung 
hat die Besorgung aller K langelegenheit 
der Bezirke und Gemeinden, einschließlich der 
Kommunalbesteuerung, die Landwirtschafts-, Ge- 
werbe= und Handelssachen und die Angelegen- 
heiten der Ausländer in-der Hand; der zweiten 
Abteilung unterstehen die öffentlichen Arbeiten, 
das Unterrichts-, Gesundheits-, Gefängnis= und 
Rechnungswesen, die Geschäfte der Staatsschulden- 
verwaltung und die Militärangelegenheiten, der 
dritten alle Steuersachen mit Ausnahme der Zölle, 
der vierten die Polizeiverwaltung, die jedoch im 
Bezirk Tokio einer besondern Polizeipräfektur 
obliegt. 
Jeder Bezirk zerfällt seit 1878, wo man statt 
der Amtereinteilung wieder auf die althistorische 
Kreiseinteilung vor 1871 zurückgriff, in eine An- 
zahl Kreise. Kleinere Kreise sind vielfach unter 
einem Amte vereinigt. Leiter des Kreisamtes ist 
der Kreishauptmann (Guncho, Kucho), der im 
Range eines Sonin vierter Klasse oder darunter 
steht; er ist wesentlich ausführendes und über- 
wachendes Organ des Bezirkshauptmanns. Neben 
dem Kreishauptmann besteht in jedem Kreise ein 
Kreispolizeiamt mit einem Inspektor (Keibu), der 
dem Polizeidirektor des Bezirks untergeordnet ist, 
selbst aber wieder nach Bedarf Zweigämter unter 
einem Inspektor oder Wachtmeister unter sich hat. 
Unterabteilungen des Kreises sind die Ge- 
meindebezirke unter Vorstehern (Kocho), die 
meist angesehene Einwohner der Gemeinden selbst 
sind; nach der Gemeindeordnung von 1888 werden 
dieselben gewählt und vom Bezirkshauptmann 
bestätigt, während dieser früher das Ernennungs- 
recht besaß. Die japanischen Ortsgemeinden sind 
sehr klein, daher oft mehrere unter einem Orts- 
vorsteher vereinigt. Dem Gemeindevorsteher ob- 
liegt hauptsächlich die Erhebung der direkten 
Steuern und die Führung der Bevölkerungs= und 
Zivilstandsregister; außerdem ist er Schiedsmann 
und überhaupt die allgemeine Vertrauensperson, 
hat aber keine Polizeigewalt. 
Gemeinde und Bezirk sind Selbstverwal- 
tungskörperschaften mit eigenem Vermögen, 
Haushalt und Steuerwesen, freilich nur in Alt- 
japan, seit 1901 auch auf Jesso. Bereits im Jahre 
1878 wurde den Bezirken eine gewählte Vertretung 
gewährt; das Wahlrecht besitzen alle großjährigen 
(mehr als 20 Jahre alten) männlichen Einwohner, 
die im Bezirke heimatsberechtigt sind und wenig- 
stens 5 Jen Staatsgrundsteuer zahlen, wenn sie 
nicht im Bankrott befindlich oder zu längeren 
Freiheitsstrafen verurteilt gewesen sind; wählbar 
sind solche Personen, welche mindestens 10 Jen 
Grundsteuer zahlen, mehr als 25 Jahre alt sind
	        
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