Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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dem Christentum stehen die meisten gleichgültig 
gegenüber. 
Das Christentum wurde durch den hl. Fran- 
ziskus Xaverius 1549 nach Japan gebracht, 
die blühenden Christengemeinden durch schwere 
Verfolgungen aber wieder fast vollständig ver- 
nichtet (vgl. Abschnitt I. Sp. 1295 f). Als in 
neuerer Zeit die Handelsinteressen den Weg nach 
Japan wiedergefunden hatten, wurden auch dem 
Christentum die Tore des Landes wieder eröff- 
net. Freilich sicherten die Verträge mit den frem- 
den Ländern nur deren Angehörigen die freie 
Religionsübung, den Japanern blieb nach wie 
vor der Übertritt zum Christentum verboten, und 
noch 1870 wurden die alten Gesetze dagegen er- 
neuert und zahlreiche Christen verbannt, eingekerkert 
und gefoltert. Erst 1873 wurde die Verfolgung 
eingestellt, und 1876 wurden alle Gesetze gegen die 
christliche Religion aufgehoben und volle Religions- 
freiheit gewährt. 1885 wurde die offizielle Staats- 
religion abgeschafft. Japanische Schriftsteller treten 
offen für die Einführung des Christentums ein, 
dem auch viele Staatsmänner zuneigen; im Parla- 
mente sitzen mehrere Bekenner desselben. Durch 
ein Schreiben, das der Apostolische Vikar von 
Nordjapan, Msgr Osuf, in feierlicher Audienz 
überreichte, trat Papst Leo XIII. mit dem Mikado 
in Verbindung (1886); dieser betonte in seiner 
Antwort den Willen, seinen christlichen Untertanen 
gleichen Schutz zu gewähren wie allen andern. 
Freilich regt sich auch die Gegnerschaft gegen das 
Christentum aufs neue, nicht am wenigsten unter 
den europäisch gebildeten, mit ungläubigen An- 
schauungen erfüllten Gelehrten, und der in der 
Bevölkerung zunehmende Indifferentismus sowie 
die Verschiedenheit der christlichen Bekenntnisse, 
die Missionäre senden, sind starke Hindernisse für 
die Ausbreitung des Evangeliums. Immerhin 
haben seit der freien Ausübung der christlichen 
Religion die Missionen große Fortschritte zu ver- 
zeichnen. 1890 wurden vier Bistümer (das Erz- 
bistum Tokio und die Bistümer Nagasaki, Osaka 
und Hakodate) errichtet; im selben Jahre trat auf 
Anordnung des Papstes am 19. März ein japani- 
sches Nationalkonzil zur Beratung der kirchlichen 
Angelegenheiten der japanischen Katholiken und 
zur Besprechung der weiteren Entwicklung der 
Mission in Nagasaki zusammen (vier Bischöfe und 
mehr als 30 Missionäre). Die neuesten Verträge, 
die das ganze Land dem Verkehr öffneten, werden 
auch für die Verkündigung des Christentums nicht 
ohne gute Wirkung sein, das nun gesetzlich den 
Landesreligionen vollständig gleichberechtigt gegen- 
übersteht, dessen kirchliche Obern und Bischöfe of- 
fiziell als solche anerkannt sind und mit der Staats- 
regierung direkt in Verbindung treten können. 
Freilich sucht die Regierung auch ganz nach dem 
Muster europäischer Staaten die verschiedenen 
christlichen Kirchen einer umfassenden Staatsauf- 
sicht und Kontrolle zu unterwerfen. Der Bau der 
Kirchen und Kapellen, die Abhaltung religiöser 
Japan. 
  
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Versammlungen, jeder Plan zu einem kirchlichen 
Unternehmen soll der Genehmigung der Behörden 
unterliegen, denen auch genaue Auskunft über Natur 
und Wesen des betreffenden Bekenntnisses, seine 
Lehre und seine kirchlichen Obern sowie über die 
Verwaltung des kirchlichen Vermögens zu geben, 
jeder Wechsel und jede Vermehrung des Personals, 
jede Veränderung des Wohnsitzes anzuzeigen ist. 
Die Zahl der Katholiken, die 1876 erst 
16622 betrug, ist 1908 auf 62 694 (ohne For- 
mosa) gestiegen, unter denen 119 europäische Mis- 
sionspriester aus dem Pariser Seminar für die 
auswärtigen Missionen, 33 einheimische Priester 
und 20 in drei Seminarien erzogene Kleriker, 
französische Schulbrüder (Marianisten), Trap- 
pisten, Dominikaner, Steyler Missionäre und 
Franziskaner (im ganzen 8 Männerklöster mit 
93 Religiosen), französische Trappistinnen (Zister- 
zienserinnen), Damen vom hl. Maurus, Schwe- 
stern vom hl. Paul von Chartres, Damen vom 
heiligsten Herzen, Schwestern vom Kinde Jesu 
von Chauffailles und (seit 1908) Franziskane- 
rinnen nebst zahlreichen einheimischen Schwestern 
und Gehilfinnen (insgesamt 30 Niederlassungen 
mit 391 Schwestern) und 416 Katechisten wirkten. 
1908 gabes 217 Kirchen und Kapellen, 19 Waisen- 
häuser, in denen 927 Kinder erzogen wurden, 
3 Spitäler und 14 Armenapotheken. Außerdem 
zählte die Mission 33 Schulen mit 5902 Schülern, 
darunter 4 Knabenkollegien und 10 Mädchen- 
pensionate und höhere Töchterschulen. Die (staat- 
lich anerkannten) Knabenkollegien werden von 
Marianisten, die Mädchenpensionate von den 
Schwestern vom hl. Paul, vom hl. Maurus, vom 
Kinde Jesu und vom heiligsten Herzen geleitet. 
Im allgemeinen erfreuen sich die Missionen und 
ihre Anstalten großer Zuvorkommenheit sowohl 
bei den Staatsmännern und Gebildeten Japans 
wie auch bei den ansässigen Europäern. Die von 
der Mission herausgegebenen katholischen Zeit- 
schriften Tentschidschin und Koje zählen zu den 
besten des Landes. 
Die protestantischen Religionsgenossen- 
schaften zählen an 460 Gemeinden mit 85800 
Gläubigen, die russisch-orthodoxe Mission 1 Bi- 
schof, an 40 Geistliche, 260 Gemeinden und 
27000 Christen. 
Ein öffentliches Schulwesen ist alt in Japan; 
die niederen Schulen waren allerdings früher 
Privatschulen, dagegen wurden schon unter der 
Tokugawa-Herrschaft höhere Schulen für die Sa- 
murai von den Territorialherren unterhalten, in 
welchen die chinesische Literatur und die Philosophie 
des Konfutse gelehrt wurde. In Jedo (Tokio) 
bestand seit 1630 eine Art Universität, eine Privat- 
anstalt mit Staatsunterstützung, die seit dem Ende 
des 18. Jahrh. reine Staatsanstalt war. Allmählich 
drang auch europäische Wissenschaft und Literatur 
immer mehr ein, und es wurden bis zur Mitte der 
1860er Jahre mehrere „europäische Medizin- 
schulen“ und Schulen für fremde Sprachen ge-
	        
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