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gründet. Doch blieb die Bildung auf ein kleines
Gebiet, auf ganz bestimmte Klassen beschränkt.
Einen vollständigen Umschwung brachte dann die
Errichtung eines eigenen Unterrichtsministeriums
im Jahre 1871, mit der der Ausbau des gesamten
Schulwesens nach europäischem, insbesondere deut-
schem Muster beginnt. Heute hat Japan ein fast
ebenso vollständig abgeschlossenes, vom Kinder-
garten bis zur Universität aufsteigendes Schul-
system wie irgend ein anderes zivilisiertes Land der
Erde. Die Stufenleiter beginnt mit den nach deut-
scher Weise eingerichteten Kindergärten für die
Kinder von 3—6 Jahren. Daran schließen sich
für die Kinder von 6—14 Jahren die Elementar-
schulen, deren Besuch obligatorisch ist; sie zerfallen
in gewöhnliche (Kursus von 4 Jahren) und höhere
(2—4 Jahre), zu denen noch Ergänzungskurse
(2 Jahre) treten können. Die Vorbereitung auf
einen praktischen Lebensberuf oder auf die höheren
Studiengeschiehtin den Sekundarschulen („Bürger-
schulen“), deren Lehrplan überall gleichmäßig ist,
die Ausbildung der Lehrer in den gewöhnlichen
Normalschulen oder Seminarien, deren jede Prä-
fektur mindestens eine besitzt, die Ausbildung der
Lehrer für die höheren Knaben= und Mädchen-
chulen und die Lehrerseminare in 3 höheren Lehrer-
seminarien. Der Kursus der höheren Mädchen-
chulen umfaßt in der Regel 4, manchmal auch
5 Jahre, wozu ein 2jähriger Ergänzungskurs bei-
gefügt werden kann. Die Volksschulen sind größten-
teils Gemeindeschulen und meist unentgeltlich,
während die Unterhaltung der Mittelschulen und
höheren Mädchenschulen den Bezirken obliegt (ein
geringer Teil ist privat). Der Staat trägt haupt-
sächlich nur die Lasten für höhere wissenschaftliche
und Fachbildung; diese vermitteln 2 Universitäten
(Tokio und Kioto), 1 Frauenuniversität (in Tokio),
7 höhere staatliche Mittelschulen (Mittelglieder
zwischen Universität und Mittelschule, in denen
besonders das Studium fremder Sprachen und
Literaturen gepflegt wird), 8 Staats-Spezial-
schulen (5 für Medizin, je 1 für fremde Sprachen,
für Künste und 1 Musikakademie), an 50 von Orts-
behörden oder Privatpersonen errichtete Spezial-
schulen, 7 staatliche technische Hochschulen (2 Acker-
bau-, 2 Handels-, 3 Industrieschulen), an 300
von Bezirken, Gemeinden und Privaten errichtete
technische Schulen (vom Staat vielfach unter-
stützt). Dazukommen noch die vom Landwirtschafts-
ministerium abhängende Akademie für Land= und
Forstwirtschaft, die 1890 mit der Universität Tokio
vereinigt wurde, 1 landwirtschaftliche Akademie
des Hokkaidoamtes, 1 Seemanns-und Telegraphen-
schule unter dem Verkehrsministerium, 10 Lehr-
anstalten des Kriegs= und 4 des Marinemini-
steriums (Marineakademie usw.), 2 Adelsschulen
für Knaben und Mädchen unter dem Hausmini-
sterium. Außer den erwähnten Schulen können
auch gemischte Schulen von öffentlichen Korpora-
tionen oder Privatpersonen mit Genehmigung der
Aussichtsbehörden errichtet werden. 1905/06 gab
Japan.
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es 27407 Elementarschulen mit 109975 Lehr-
kräften und 5,35 Mill. Kindern, 314 Kindergärten
(814 Lehrkräfte, 28775 Kinder), 272 Mittel-,
7 höhere Mittelschulen, 101 höhere Mädchen-
schulen, 66 Lehrerseminare, 3 höhere Lehrer-
seminare, 3111 Spezial= und technische, 2044
verschiedene Schulen, 2 Universitäten. Größere
Bibliotheken besitzt Japan 12 (6 in Tokio), von
den gelehrten Gesellschaften sind bedeutend die
Asiatische Gesellschaft von Japan und die Deutsche
Gesellschaft für Natur= und Völkerkunde Ost-
asiens. Beachtung verdienen ferner die geologische
Reichsanstalt, das Observatorium in Tokio und
die 20 Erdbebenstationen (davon 7 auf Formosa),
die bei den vielen Erdbeben und Stürmen, von
denen Japan heimgesucht wird, besondere Bedeu-
tung besitzen.
Die Universität Tokio hat sich entwickelt aus
der im Jahre 1856 zu Jedo (Tokio) gegründeten
Schule „zur Prüfung barbarischer Schriften“,
an der nach und nach auch Philosophie, Natur-
wissenschaften, Technologie und Jurisprudenz ge-
lehrt wurden. Ihre eigentliche Entwicklungszeit
fällt in die Jahre 1880/86. Ganz nach deutschem
Vorbilde eingerichtet, hat sie gegenwärtig fünf
Fakultäten (Rechte, Naturwissenschaften, Technik,
Literatur und Medizin) und ist mit vortrefflichen
Instituten, reichen Sammlungen und einer Biblio-
thek von 230 000 japanischen, 1700000 auslän-
dischen Bänden ausgestattet. Die vorgeschriebene
Studienzeit dauert für die Studierenden des
Rechts, der philosophischen Wissenschaften und der
Literatur je drei, für die Studierenden der Medizin
vier Jahre. Die Universität Kioto wurde 1897
gegründet.
Während der Elementarunterricht der unteren
Stufe (vier Jahre) ganz vom Staat in Anspruch
genommen ist (nur in großen Städten werden
einige Ausnahmen zugelassen), ist der Unterricht
von der höheren Stufe an freigegeben, und die
Regierung begünstigt die Errichtung privater An-
stalten, die bei Erfüllung gewisser Bedingungen
staatliche Anerkennung erlangen können. Alle staat-
lichen Schulen sind konfessionslos; auch für die
Privatschulen ist vollkommene religiöse Neutralität
vorgeschrieben: Religion darf in ihnen nur außer-
halb der eigentlichen Schulstunden gelehrt werden,
doch hat die Regierung den katholischen und prote-
stantischen Missionsschulen bisher nochkeine Hinder-
nisse in den Weg gelegt. Die Gesamtausgaben
des Unterrichtsministeriums beziffern sich 1909
auf 8,1 Mill. Jen.
Dieerste Zeitung Japans erschien 1863 („Nach-
richten aus Batavia“) in Tokio und enthielt Über-
setzungen aus holländischen Zeitungen; 1878 zählte
man bereits 260 Zeitungen und Zeitschriften mit
einer Gesamtauflage von 28 Mill. Exemplaren,
1890: 1716, 1906: 1775. Die japanischen Zei-
tungen stehen trotz der Schwierigkeiten der Her-
stellung infolge der komplizierten Schriftzeichen
fast auf gleicher Höhe mit den europäischen; die