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hl. Ignatius sonder Zweifel verfaßten, von der
ersten Generalkongregation des Ordens nach sei-
nem Tode im Jahre 1558 definitiv bestätigten
und approbierten zehn Teile der sog. Konstitutio-
nen samt den beigegeben Erklärungen (declara-
tiones), bie ebenfalls vom hl. Ignatius herrühren.
Zu den Konstitutionen gehört als integrierender
Teil das zunächst für die Kandidaten und No-
vizen des Ordens bestimmte sog. Generalexamen
(Examen generale). Obschon die Konstitutionen
als solche keine größere innere Rechtskraft besitzen
als andere von den Generalkongregationen des
Ordens erlassene Dekrete, da sie nur durch An-
nahme und Bestätigung der Generalkongregation
Rechtskraft erlangten, so hat doch der Orden die-
selben als das Vermächtnis seines heiligen Stif-
ters und die Grundlage seines konkreten Seins
stets besonders hoch verehrt und ihre Unversehrt-
heit so viel als nur möglich zu schützen und zu
wahren gesucht (vgl. u. a. Congr. 6, decr. 11,
13). Eigentliche Gesetzeskraft kommt 3) den De-
kreten der 25 Generalkongregationen zu.
In diesen Dokumenten sind also alle grund-
legenden Normen für das ganze innere Rechts-
leben und die innere Verwaltung des Ordens ge-
geben, soweit dieses nicht durch allgemein gültige
kirchliche Gesetze bestimmt und geregelt wird. Die
hier sofort zu erwähnenden, mit steter Gültigkeit
versehenen allgemeinen Verordnungen und In-
struktionen der Generale des Ordens (Ordinatio-
nes perpetuae generalium) tragen dagegen den
Charakter von bloßen Ausführungsbestimmungen
an sich (vgl. Congr. 7, decr. 76). Eine ein-
dringliche, wahrhaft gründliche Kenntnis des Or-
densgeistes vermitteln die „Geistlichen Ubungen“
(Exercitia spiritualia) des hl. Ignatius. (Über
angebliche Geheiminstruktionen vgl. B. Duhr, Je-
suitenfabeln (11904 84 ff.)
II. Geist und Wesen des Ordens. Die Ge-
sellschaft Jesu, welche nach Suarez (De religione
S. I. I. 1, c. 6, n. 8) nichts darstellen will als
eine möglichst vollkommene, den veränderten Um-
ständen angepaßte Nachahmung des apostolischen
Lebens Christi und seiner Apostel, hat in der Tat
ihre Wiege und ihren Ursprung in den geistlichen
Ubungen des hl. Ignatius. In ihnen hat Ignatius
selbst die Grundlage seines neuen Lebens in
Christus in der Einsamkeit von Manresa 1522
gefunden (Genelli, Leben des hl. Ignatius von
Loyola 1. Tl. 7. u. 10. Kap.; Gonsalez, Acta
duacdam P. N. Ignatii de Loyola n. 71).
Durch sie wurden auch die Mitbegründer des
Ordens, unter andern Petrus Faber, Franz
Xaver, Jakob Laynez, für Ignatius und seine
Zwecke gewonnen. Auch heute noch werden die
Exerzitien von jedem Ordensmitglied wenigstens
einmal, von jedem Ordensmitglied aber, welches
zum Priestertum bestimmt ist, zweimal im Leben
ihrem ganzen Umfange nach gemacht: das erste
Mal im Noviziate (Exam. gen. c. 4, § 10
Const. 3, c. 1, § 20) und noch ein zweites Mal
m;
Jesfuiten.
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nach beendeten Studien (Ord. gen. c. 3, tit. 2,
§§ 2, 6). Jedes Jahr sind dieselben von jedem
Mitgliede des Ordens in verkürzter Form (wäh-
rend acht bis zehn aufeinanderfolgender Tage)
zu wiederholen (Congr. 6, decr. 29). Endlich
haben die täglich durch die Ordensstatuten vor-
geschriebenen geistlichen Ubungen: Betrachtung,
Gewissenserforschung usw., keinen andern Zweck,
als den aus den Exerzitien geschöpften Geist
lebendig zu erhalten, anzufachen, zu stärken und
zu nähren.
Die Exerzitien sind nach ihrer formellen
Seite eine kurze und umfassende, ebenso metho-
dische wie praktische Anleitung zu allen Haupt-
übungen des geistlichen Lebens, die sich auf die
Grundgesetze einer gesunden Psychologie und auf
die katholischen Lehrsätze von der Gnade stützt und
aufbaut. Dem Zwecke nach sollen die Exerzitien
den Menschen dahin bringen, daß er vor allem der
Sünde gänzlich entsage (1. Woche der Exerzitien);
sodann positiv Christus, d. i. alle Tugenden
Christi, vollkommen anziehe (2. und 3. Woche),
um, nachdem dieses geschehen, schließlich in Chri-
stus und mit Christus, dem Auferstandenen, den
Weg der vollkommenen Vereinigung mit Gott in
heiliger Liebe und Freude nachhaltig zu betreten
(4. Woche). Bereits ehe man in die erste Woche
eintritt, hat der hl. Ignatius Ziel und Richtung
des ganzen menschlichen Lebens in der ebenso ver-
nunftgemäßen als wichtigen Fundamentalbetrach-
tung (principium et fundamentum) dem Exer-
zitanten vor Augen geführt. Gott dienen und
dadurch selig werden ist unsere ganze sittliche
Lebensaufgabe. Dies ist mithin auch der Maßstab
für jedes wahrhaft vernunftgemäße Verlangen,
Streben, Handeln. Was diesem Zwecke entspricht,
ist wahrhaft begehrenswert, was ihm aber wider-
spricht, unbedingt abzuweisen. Daß nun auf die-
sem Boden eine wahrhaft apostolische Gesinnung
und ein apostolischer Beruf erwachsen kann, ist
einleuchtend. Die Exerzitien sind übrigens durch
Breve Pauls III. Pastoralis officii vom 31. Juli
1548 nach vorausgegangener Prüfung im ganzen
und in allem einzelnen ausdrücklich und positiv
gutgeheißen worden.
Mit dem Geiste der Exerzitien stimmt nun der
in den Satzungen des Ordens zum Ausdruck
kommende Geist aufs vollkommenste überein. Zu-
nächst zeigt sich dieses im Ordenszwecke.
Dieser läßt sich kurz in den Ausdruck zusammen-
fassen: „Förderung der größeren Ehre Gottes beie
den einzelnen Ordensmitgliedern und bei möglichst
vielen andern Menschen ohne Unterschied der
Rassen, der Nationen, der Stände“ usw. (val. die
grundlegende Bulle Regimini militantis eccle-
siae; Jummar. Const. reg. 2, 3; Exam. gen.
. 1, § 2; Const. 3, c. 2, G). Noch kürzer ist
der adäquate Zweck des Ordens in seinem Wahl-
spruche „Alles zur größeren Ehre Gottes“ ent-
halten (vgl. Kanonisationsbulle des hl. Ignatius
vom 6. Aug. 1623).