Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

1339 Jesuiten. 1340 
kannte Beichtvater Ludwigs XIV., hat es an oversteht (Const. 3, c. 1, 8 23; 6, c. 1, 8 6). 
Ernst in der Seelenleitung nicht fehlen lassen; eine Aber böswilligen, hämischen, verleumderischen 
zu große Konnivenz gegen die absolutistischen Ge= Angriffen war der Orden schon sehr frühe aus- 
lüste des Königs wird ihm mit mehr Recht zum gesetzt. Daher die fast übergroße Vorsicht des 
Vorwurf gemacht. P. Le Tellier aber hatte an hl. Ignatius in der Formulierung einer an sich 
der 1710 vorgenommenen Zerstörung des als so selbstverständlichen Sache. Ja wo ernstliche 
Jansenistennest bekannten Klosters Port-Royal Zweifel über die Erlaubtheit des Befohlenen ob- 
keinen Anteil. Ebensowenig sind die Vorwürfe walten, muß sich der Jesuit, wie jeder andere 
begründet, welche Ordensgegner den kaiserlichen Mensch, zuvor auf irgend einem Wege, und zwar 
Beichtvätern am Hofe zu Wien machen, besonders auf solide Gründe hin, eine feste Überzeugung 
dem P. Lamormain, Nachfolger Becans als Beicht= von der Erlaubtheit der befohlenen Handlung 
vater Ferdinands II. Dieser Mann habe, sagt verschaffen. Gelingt ihm dieses nicht, bleibt er 
man, den Kaiser zu intoleranten Maßregeln zweifelhaft über deren Erlaubtheit, so darf er 
gegen die Protestanten gedrängt. Das gerade nicht gehorchen. Jedoch gewähren ihm die Kon- 
Gegenteil ist wahr und unbestreitbar (vgl. unter stitutionen in einem solchen Zweifels= und Kon- 
anderem Duhr, Jesuitenfabeln (11904) 665; fliktsfalle ausdrücklich das Recht, Vertrauens- 
ders., Die Jesuiten an den deutschen Fürstenhösen männer anzugehen, die dann nicht eben notwen- 
des 16. Jahrh. 1901|; Reichmann, Die Je= digerweise aus dem Orden genommen zu sein 
suiten im Herzogtum Braunschweig (1890] 30 f). brauchen (Exam. gen. c. 3, § 12, D). Ganz 
Vollkommener Gehorsam gegen die Oberen dieselbe Bewandtnis hat es mit dem sog. „Ka- 
soll aus vielen Gründen die charakteristische Tugend davergehorsam“, wie die Gegner des Ordens 
aller Mitglieder des Ordens sein (Epist. de virt. ihn heißen (vgl. übrigens Const. 6, c. 1, § 1 u. 
oboedientiae 88 2, 3; Const. 3, c. 1, 923). Doch Summ. reg. 36). Er ist der Gehorsam des der 
gerade hier haben Unverstand und Vorurteil, 
Schmähsucht und Böswilligkeit, Haß und Neid 
gegen den Jesuitenorden geeifert. Der Obere soll 
(nach Const. 6, c. 5) seine Untergebenen „zur 
Sünde verpflichten“ können, also zum Morde, 
zum Diebstahl usw. Hätte man, von allem an- 
dern abgesehen, nur einige Kenntnis des mittel- 
alterlichen oder scholastischen Lateins besessen, ja 
hätte man, statt im bloßen Inhaltsverzeichnisse 
nachzuschlagen, auch nur die betreffende Stelle 
selbst wirklich gelesen, dieses geradezu ungeheuer- 
liche und absurde Mißverständnis wäre unmöglich 
gewesen. Obligare ad peccatum heißt (eim Gegen- 
satze zu obligare ad poenam) wie auch sonst, 
ebenso an der betreffenden Stelle „bis zur Sünde 
verpflichten“, d. h. den Willen eines Untergebenen 
so an eine Vorschrift binden, daß sich dieser 
durch ihre freiwillige Ubertretung sofort einer 
Sünde schuldig macht. Das also kann der Obere 
in Einzelfällen tun; er muß und soll es nicht bei 
jeder Anordnung tun (vgl. Der Jesuitenorden usw. 
18 13f; Duhr, Jesuitenfabeln I/(1904. 
528 ff). 
Aber die Jesuitenkonstitutionen stellen doch einen 
einigermaßen blinden Gehorsam (caecam quan- 
dam oboedientiam) als Gehorsamsideal hin. 
Dem ist so. Jedoch haben das auch andere Ordens- 
stifter und Heilige vor dem hl. Ignatius getan, 
z. B. Basilius, Bonaventura usw. Mit der Blind- 
heit, welche der vollkommene Gehorsam der Je- 
suiten haben soll, verhält es sich übrigens fol- 
gendermaßen. Die Blindheit darf und soll keine 
allseitige sein; der wahre Jesuit darf und soll 
nicht blind und taub sein gegen die Stimme des 
Gewissens. Im Gegenteil, wo offenbar Sünde 
ist, darf der Untergebene niemals gehorchen. So 
sprechen es noch ausdrücklich die Konstitutionen 
aus, obschon es sich an und für sich von selbst 
Welt, der Sinnlichkeit und der Eigenliebe ab- 
gestorbenen Mannes, der einzig nach dem durch 
die berechtigten Organe kundgegebenen Willen 
Gottes fragt. Bei alledem bleibt dem Jesuiten 
das Recht gewahrt, seinen Oberen betreffs des 
Angeordneten Vorstellungen zu machen, falls er 
nämlich auch nur über die Zweckmäßigkeit des 
Befohlenen gegründete Zweifel hegt und die 
Sache von einiger Bedeutung ist. Freilich, wenn 
dann der Obere auf seinem Befehle besteht, so 
muß der Untergebene gehorchen; aber welcher 
Untergebene müßte das nicht? (Exam. gen. c. 8S; 
Const. 3, c. 2, § 1; 5, c. 4.) 
Mit Rücksicht auf den apostolischen Zweck und 
auf die Wirksamkeit des Ordens bestimmte der 
hl. Ignatius verschiedenes, was dem jungen Orden 
ob der Neuheit dieser Anordnungen fürs erste 
mannigfachen Widerspruch eintrug. So sah Igna- 
tius von gewissen frommen Ubungen ab, welche 
bis dahin in allen Orden höchst löblicher Weise 
beobachtet worden waren; anderseits scheute er 
sich auch nicht, Neues, von den Gewohnheiten 
aller bisherigen Orden Abweichendes einzuführen. 
So halten die Jesuiten kein gemeinsames Chor- 
gebet (Const. 6, c. 3, § 4). Ferner schrieb der 
hl. Ignatius seinen Ordensjüngern nicht be- 
stimmte äußere, allen gemeinsame Bußwerke 
vor, sondern überließ dem Eifer und der Dis- 
kretion der einzelnen und ihrer Seelenführer, 
hierin Art und Maß zu bestimmen (Exerc. spir. 
add. 10; Exam. gen. c. 1, 86; Const. 6, c. 3, 
§ 1; 3, c. 2, §5; Summ. reg. 4). Um leichter 
am Seelenheile in allen Ländern und bei den ver- 
schiedensten Menschenklassen arbeiten zu können, 
verzichtete er auch auf einen eigenen bestimmten 
Ordenshabit; die Tracht soll ehrbar, den Orts- 
verhältnissen und der religiösen Armut entspre- 
chend sein (Const. 6, c. 2, §§ 15, 16; Riba- 
 
	        
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