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kannte Beichtvater Ludwigs XIV., hat es an oversteht (Const. 3, c. 1, 8 23; 6, c. 1, 8 6).
Ernst in der Seelenleitung nicht fehlen lassen; eine Aber böswilligen, hämischen, verleumderischen
zu große Konnivenz gegen die absolutistischen Ge= Angriffen war der Orden schon sehr frühe aus-
lüste des Königs wird ihm mit mehr Recht zum gesetzt. Daher die fast übergroße Vorsicht des
Vorwurf gemacht. P. Le Tellier aber hatte an hl. Ignatius in der Formulierung einer an sich
der 1710 vorgenommenen Zerstörung des als so selbstverständlichen Sache. Ja wo ernstliche
Jansenistennest bekannten Klosters Port-Royal Zweifel über die Erlaubtheit des Befohlenen ob-
keinen Anteil. Ebensowenig sind die Vorwürfe walten, muß sich der Jesuit, wie jeder andere
begründet, welche Ordensgegner den kaiserlichen Mensch, zuvor auf irgend einem Wege, und zwar
Beichtvätern am Hofe zu Wien machen, besonders auf solide Gründe hin, eine feste Überzeugung
dem P. Lamormain, Nachfolger Becans als Beicht= von der Erlaubtheit der befohlenen Handlung
vater Ferdinands II. Dieser Mann habe, sagt verschaffen. Gelingt ihm dieses nicht, bleibt er
man, den Kaiser zu intoleranten Maßregeln zweifelhaft über deren Erlaubtheit, so darf er
gegen die Protestanten gedrängt. Das gerade nicht gehorchen. Jedoch gewähren ihm die Kon-
Gegenteil ist wahr und unbestreitbar (vgl. unter stitutionen in einem solchen Zweifels= und Kon-
anderem Duhr, Jesuitenfabeln (11904) 665; fliktsfalle ausdrücklich das Recht, Vertrauens-
ders., Die Jesuiten an den deutschen Fürstenhösen männer anzugehen, die dann nicht eben notwen-
des 16. Jahrh. 1901|; Reichmann, Die Je= digerweise aus dem Orden genommen zu sein
suiten im Herzogtum Braunschweig (1890] 30 f). brauchen (Exam. gen. c. 3, § 12, D). Ganz
Vollkommener Gehorsam gegen die Oberen dieselbe Bewandtnis hat es mit dem sog. „Ka-
soll aus vielen Gründen die charakteristische Tugend davergehorsam“, wie die Gegner des Ordens
aller Mitglieder des Ordens sein (Epist. de virt. ihn heißen (vgl. übrigens Const. 6, c. 1, § 1 u.
oboedientiae 88 2, 3; Const. 3, c. 1, 923). Doch Summ. reg. 36). Er ist der Gehorsam des der
gerade hier haben Unverstand und Vorurteil,
Schmähsucht und Böswilligkeit, Haß und Neid
gegen den Jesuitenorden geeifert. Der Obere soll
(nach Const. 6, c. 5) seine Untergebenen „zur
Sünde verpflichten“ können, also zum Morde,
zum Diebstahl usw. Hätte man, von allem an-
dern abgesehen, nur einige Kenntnis des mittel-
alterlichen oder scholastischen Lateins besessen, ja
hätte man, statt im bloßen Inhaltsverzeichnisse
nachzuschlagen, auch nur die betreffende Stelle
selbst wirklich gelesen, dieses geradezu ungeheuer-
liche und absurde Mißverständnis wäre unmöglich
gewesen. Obligare ad peccatum heißt (eim Gegen-
satze zu obligare ad poenam) wie auch sonst,
ebenso an der betreffenden Stelle „bis zur Sünde
verpflichten“, d. h. den Willen eines Untergebenen
so an eine Vorschrift binden, daß sich dieser
durch ihre freiwillige Ubertretung sofort einer
Sünde schuldig macht. Das also kann der Obere
in Einzelfällen tun; er muß und soll es nicht bei
jeder Anordnung tun (vgl. Der Jesuitenorden usw.
18 13f; Duhr, Jesuitenfabeln I/(1904.
528 ff).
Aber die Jesuitenkonstitutionen stellen doch einen
einigermaßen blinden Gehorsam (caecam quan-
dam oboedientiam) als Gehorsamsideal hin.
Dem ist so. Jedoch haben das auch andere Ordens-
stifter und Heilige vor dem hl. Ignatius getan,
z. B. Basilius, Bonaventura usw. Mit der Blind-
heit, welche der vollkommene Gehorsam der Je-
suiten haben soll, verhält es sich übrigens fol-
gendermaßen. Die Blindheit darf und soll keine
allseitige sein; der wahre Jesuit darf und soll
nicht blind und taub sein gegen die Stimme des
Gewissens. Im Gegenteil, wo offenbar Sünde
ist, darf der Untergebene niemals gehorchen. So
sprechen es noch ausdrücklich die Konstitutionen
aus, obschon es sich an und für sich von selbst
Welt, der Sinnlichkeit und der Eigenliebe ab-
gestorbenen Mannes, der einzig nach dem durch
die berechtigten Organe kundgegebenen Willen
Gottes fragt. Bei alledem bleibt dem Jesuiten
das Recht gewahrt, seinen Oberen betreffs des
Angeordneten Vorstellungen zu machen, falls er
nämlich auch nur über die Zweckmäßigkeit des
Befohlenen gegründete Zweifel hegt und die
Sache von einiger Bedeutung ist. Freilich, wenn
dann der Obere auf seinem Befehle besteht, so
muß der Untergebene gehorchen; aber welcher
Untergebene müßte das nicht? (Exam. gen. c. 8S;
Const. 3, c. 2, § 1; 5, c. 4.)
Mit Rücksicht auf den apostolischen Zweck und
auf die Wirksamkeit des Ordens bestimmte der
hl. Ignatius verschiedenes, was dem jungen Orden
ob der Neuheit dieser Anordnungen fürs erste
mannigfachen Widerspruch eintrug. So sah Igna-
tius von gewissen frommen Ubungen ab, welche
bis dahin in allen Orden höchst löblicher Weise
beobachtet worden waren; anderseits scheute er
sich auch nicht, Neues, von den Gewohnheiten
aller bisherigen Orden Abweichendes einzuführen.
So halten die Jesuiten kein gemeinsames Chor-
gebet (Const. 6, c. 3, § 4). Ferner schrieb der
hl. Ignatius seinen Ordensjüngern nicht be-
stimmte äußere, allen gemeinsame Bußwerke
vor, sondern überließ dem Eifer und der Dis-
kretion der einzelnen und ihrer Seelenführer,
hierin Art und Maß zu bestimmen (Exerc. spir.
add. 10; Exam. gen. c. 1, 86; Const. 6, c. 3,
§ 1; 3, c. 2, §5; Summ. reg. 4). Um leichter
am Seelenheile in allen Ländern und bei den ver-
schiedensten Menschenklassen arbeiten zu können,
verzichtete er auch auf einen eigenen bestimmten
Ordenshabit; die Tracht soll ehrbar, den Orts-
verhältnissen und der religiösen Armut entspre-
chend sein (Const. 6, c. 2, §§ 15, 16; Riba-