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deneira, De ratione Instituti, Rom 1864,
c. 2, 3; Duhr, Gesch. der Jesuiten J 564 ff).
Eine wesentliche Neuerung bewirkte der hl. Ig-
natius im Ordensleben durch die Einführung der
sog. einfachen Ordensgelübde. (S. den
Art. Orden.) Seine Absicht bei dieser Einrich-
tung ging dahin, die Entlassung ungeeigneter
Elemente aus dem Ordensverbande und die Rein-
erhaltung des Ordens möglichst zu erleichtern.
Denn da diese einfachen Ordensgelübde nur für
die Zeit, wo jemand dem Orden angehört, binden,
obschon der Betreffende seinerseits ohne Dispens
den Orden nicht mehr verlassen kann, so ist dem
Orden eine Türe offen gelassen, durch welche er
ungeeignete Ordensmitglieder ohne zu große Mühe
zu entfernen vermag. Nach eigentlichen feierlichen
Gelübden ist eine solche Entfernung viel schwie-
riger. Diese Einrichtung hat sich im allgemeinen
so bewährt, daß Pius IX. sie, wenn auch in weit
beschränkterem Maße, in alle männlichen Orden
einführte.
Da demnach die Ordensgelübde der meisten
Mitglieder der Gesellschaft Jesu bloße einfache
Gelübde sind, so führen sie naturgemäß die durch
das kanonische Recht an die feierlichen Ordens-
gelübde der Armut und der Keuschheit geknüpften
rechtlichen Wirkungen nicht herbei. Wer nach voll-
endetem zweijährigen Noviziat in der Gesellschaft
Jesu die ersten einfachen Gelübde ablegt, wird
dadurch nicht persönlich vermögensunfähig: er
kann vielmehr vorerst noch sein ganzes Vermögen
behalten, er kann sogar mit Erlaubnis der Oberen
eine ihm etwa zufallende Erbschaft antreten. Aber
erlaubterweise kann er nicht mehr unabhängig über
sein Vermögen und seine Vermögensrechte verfügen
und bestimmen. Deshalb kann er auch keine feste
Verbindlichkeit ohne Zustimmung des Obern ein-
gehen; jede derart eingegangene Verbindlichkeit
würde durch den Widerspruch der Oberen hinfällig
(Exam. gen. c. 4, §§ 2, 3, 4, 5; Const. 3, c. 1,
&5 7 alias). Die Einkünfte aus diesen Gütern
kommen indessen weder ihm selbst noch notwendiger-
weise dem Orden zugute. Vielmehr ist es Sache
des Betreffenden, sie unter Beistimmung des Pro-
vinzialobern zu guten Zwecken (ad pias causas)
zu verwenden. Freilich findet nach einigen wei-
teren Jahren die absolute und definitive Verzicht-
leistung auf die ganze besessene Habe statt (Const.
4, c. 4, E usw.) Dabei kommen wesentlich die-
selben Grundsätze wie bei der früheren Verteilung
der Einkünfte zur Anwendung. Der Orden hat
kein Recht auf dieselben, weder auf das Ganze noch
auf einen Teil. Unter Zustimmung des Provin-
zials kann und soll der Verzichtleistende über das
Seine nach Gutdünken zu frommen Zwecken ver-
fügen (Congr. 7, decr. 17).
Durch die letzten Gelübde, welche erst mehrere
(8—15) Jahre später abgelegt werden, entsteht in
jedem Falle, auch wenn diese Gelübde keine feier-
lichen sind, an und für sich vollkommene kanonische
Unfähigkeit, irgend etwas für sich oder für den
Jexuiten.
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Orden als Eigentum zu besitzen oder Erbe zu
werden. Vgl. Const. 6, c. 2, §§ 11, 12; Bulle
Regimini militantis ecclesiae, Exposcit de-
ditum usw. (Durch päpstliche Dispens ist wegen
der Zeitverhältnisse in einzelnen Ländern das
Gegenteil verfügt; vgl. Decret. 31. kuli# 1878
pro Belgio.) Hieraus allein schon kann man er-
sehen, was es mit dem oft erhobenen Vorwurf der
Habsucht auf sich hat. Bewiesene Tatsachen gibt
es hier nicht. Auch das weitverbreitete Gerede von
den großen Reichtümern des Jesuitenordens ist
ohne jegliche Grundlage (vogl. Duhr, Jesuiten=
fabeln ([11904. 582 ff). Der Orden als Ganzes
kann überhaupt rechtlich gar keinen ständigen Be-
sitzhaben, wie aus den oben angeführten Stellen
des Instituts klar hervorgeht. Rechtlich ständiges
Eigentum besitzen können nur bestimmt charakteri-
sierte einzelne Häuser, die für gewöhnlich nichts
weniger als reich sind. Handel, oder was auch
nur den Schein von Handel an sich trägt, ist den
Jesuiten streng verboten (Congr. 2, decr. 61;
über P. Lavalette (1755] vgl. Duhr a. a. O.
631 ff). Als eine Eigentümlichkeit des einfachen
Keuschheitsgelübdes in der Gesellschaft Jesu ist
seine Eigenschaft als trennendes Ehehindernis für
eine noch abzuschließende Ehe hervorzuheben (Pri-
vileg Gregors XIII., Bulle Ascendente Do-
mino); mithin macht es jede abzuschließende Ehe
ungültig.
Namentlich von den französischen Jansenisten
(Arnauld, Nicole, Pascal [Lettres à un Pro-
vincial] usw.) wurde der Vorwurf einer laxen
Sittenlehre gegen den Orden in Umlauf gesetzt,
während sogar nach den verbissensten Gegnern des
Ordens die einzelnen Jesuiten persönlich im all-
gemeinen durchaus sittenreine Männer waren und
sind. Schon ob dieses Zugeständnisses willen muß
jedem denkenden Menschen die prinzipielle Anklage
höchst verdächtig vorkommen. Sie wird jedoch
vorzüglich auf folgende mehr spezielle Anklagen
gestützt: 1) Die Jesuiten lehren beinahe alle den
Probabilismus, d. h. nach der Darstellung der
Gegner ein Moralsystem, welches darauf hinaus-
läuft, das offen bar Unsittliche zuerst durch bloße
Scheingründe zu bemänteln und dann sich für
dasselbe ohne weitere Gewissensbisse zu entscheiden.
2) Die Jesuiten lehren den alle sittlichen Verhält-
nisse auf den Kopf stellenden Grundsatz: „Der
Zweck heiligt die Mittel.“ 3) Die Jesuiten lehren
endlich den alle Staatsordnung bedrohenden Satz
von der Erlaubtheit des Tyrannenmordes.
Was den ersten Vorwurf betrifft, so ist zu be-
merken: Nicht bloß die übergroße Mehrheit der
Jesuiten, sondern die übergroße Mehrheit aller
katholischen Theologen huldigen und huldigten
dem gemäßigten, d. i. dem von fast allen Jesuiten
vertretenen Probabilismus (vgl. u. a. Ballerini-
Palmieri, Opus morale I, 1, 164 f; Lehm-
kuhl, Theol. mor. I 60 f). Daraus folgt
zweierlei: Erstens, der richtig verstandene Pro-
babilismus kann unmöglich das scheußliche