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offenkundige Tatsache, daß kein Land so entfernt,
kein Volk so wild, keine Gegend so unwegsam war,
wohin die Jesuiten nicht vorzudringen und das
Licht des Evangeliums und wahre Zivilisation zu
verbreiten suchten. Abgesehen von jenen euro-
päischen Ländern, wo damals sicher nicht geringere
Gefahren dem katholischen Priester drohten wie
unter den wildesten Barbaren: England, Schott-
land, Irland usw., drangen die Jesuiten schon unter
dem Generalat des hl. Ignatius nach Indien und
Japan (Franz Faver), nach Brasilien (1549) und
Athiopien (1555) vor. Schon um einige Jahre
früher (1547) fanden durch vier vom Papste und
vom Könige von Portugal gesandte Jesuiten die
ersten Missionsversuche am Kongo statt. 1559
wird von Jesuiten eine Mission unter den Kaffern
eröffnet. Andere versuchen anderswo das Kreuz
aufzupflanzen. Unter dem Generalat des hl. Franz
Borgias (1565/72) wird die Mission auf Florida,
in Peru und Mexiko gegründet; die Missions-
gebiete in Brasilien und Japan werden bedeutend
erweitert. Unter dem fünften Ordensgeneral Aqua-
viva (1581/1615) wächst bei der langen Dauer
seiner Verwaltung und bei der ihm eigenen Energie
das Missionsgebiet ins Unermeßliche. Noch unter
seinem Vorgänger Everhard Mercurian (1573/80)
indes war unter den Maroniten des Libanon
(1579) wie auch in England eine Jesuitenmission
(1580) begründet worden. Unter ihm selbst kamen
die Jesuiten nicht nur nach Siebenbürgen und
Livland, sondern es gelang ihnen auch endlich nach
vielen mißglückten Versuchen, bis ins Herz von
China, bis nach Peking vorzudringen (P. Mat-
thias Ricci, 1581/88). Dabei erweiterten sich zu
gleicher Zeit die Missionen in Japan, in Mexiko,
wo bereits 1608 die Hälfte des Landes christlich
war, in Brasilien usw. 1586 gelangten die ersten
Jesuiten in die einige Jahre später so wunderbar
aufblühende Mission von Paraguay. Es wurden
allmählich unter unglaublichen Opfern bis 300000
Menschen in den sog. Reduktionen gesammelt.
Kanada und seine wilden Bewohner sahen am
12. Juni 1611 die ersten Ordensmänner aus der
Gesellschaft Jefu. Schon 1605 waren sie in Kon-
stantinopel gelandet. Aquavivas Nachfolger im
Generalat des Ordens, P. Mucius Vitelleschi
(1615/45), mußte zwar gegen Ende seiner Re-
gierung den beinahe völligen Zusammenbruch der
herrlichen Mission von Japan, unter dem gemein-
samen Anstürmen von Heiden, calvinischen Hol-
ländern und Engländern, erleben, nachdem viele
Tausende von Christen zuvor ihr Leben hingegeben
hatten für den Glauben; dafür erlebte er es aber
auch, daß in Kotschinchina das Christentum seit
1640 Anhänger fand (P. Alexander de Rhodes).
1645 gab es dort schon 30 000 Christen. Ebenso
langten unter ihm (1645) die ersten 15 Jesuiten
am Mara#on an. P. Joh. Cabral hatte schon 1628
das Kreuz nach Tibet getragen. Daß unter den
folgenden Generalaten nicht mehr so viele neue
Missionen in fremden Ländern unternommen wur-
Jefuiten.
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den (denn die aufgezählten sind bei weitem nicht
alle), lag nicht an einer Erschlaffung des Eifers,
sondern in der Natur der Dinge. Das bereits
Gegründete zu erhalten und auszudehnen, erfor-
derte schon ungeheure Kräfte, Anstrengungen und
Opfer. Doch ward noch unter dem zwölften
Ordensgeneral Karl von Noyelle (1682/86) unter
anderem die bald mächtig aufblühende Mission
im damaligen Persien gegründet. Nach 25jäh-
riger Tätigkeit zählte man daselbst Tausende von
Katholiken. Wenn manche dieser Unternehmungen
trotz der ungeheuern Opfer, die gebracht wurden,
nicht jenen nachhaltigen Erfolg errangen, welche
man hätte erwarten dürfen, so war das nicht die
Schuld der Jesuiten, sondern vor allem ihrer
mächtigen Feinde in Europa, welchen bald der
gesamte Orden, wenn auch nur zeitweilig, zum
Opfer fiel. Auch heute haben wiederum die Je-
suiten ausgedehnte Missionen in fast allen heid-
nischen und mohammedanischen Ländern.
Unter die vorzüglichsten Mittel zum Heile der
Seelen rechnete der Orden von jeher die Jugend-
erziehung und den Jugendunterricht (Const.
4, c. 5, § 1; c. 7, § 1; c. 11, § 1 usw.), und
zwar vorab den mittleren und höheren Unterricht
an den von ihm geleiteten Gymnasien, Lyzeen und
Universitäten; doch wird der Elementarunterricht
nicht ausgeschlossen, soweit sich Kräfte und Mittel
dazu finden (Const. 4, c. 12, C). Ungeheure
Mühe hat es sich der Orden kosten lassen, ohne
Entgelt zu verlangen, auf dem Gebiete der Er-
ziehung und des Unterrichts etwas Gründliches,
ja wo möglich etwas Vorzügliches zu leisten. Als
die reife Frucht aller seiner pädagogischen Er-
fahrungen kann man die nach 14jähriger Spezial-
arbeit 1598 unter dem Generalate des P. Aquaviva
definitiv abgeschlossene Ratio studiorum bezeich-
nen. Man suchte sie unter dem Generalate des
P. Johann Roothaan (1829/53) den neueren
Zeitverhältnissen anzupassen. Die alte Studien-
ordnung ist in das Institut ausgenommen und
steht deshalb auch in den neuesten Ausgaben des-
selben, obschon manche ihrer Anordnungen anti-
quiert und durch die neue Studienordnung von
1832 ausgemerzt sind, wie z. B. die oft an-
geführte Bestimmung über den Besuch von Ketzer-
hinrichtungen (ogl. Pachtler-Duhr, Monumenta
Germaniae Paedagogica XVI [1894] 470 ff).
Für die Vortrefflichkeit der Studienordnung kön-
nen wir uns auf das Zeugnis ausgezeichneter
Gelehrten, die nicht dem Orden angehörten, ja
zum Teil ihm feindlich gesinnt waren, berufen
(ogl. Duhr, Studienordnung der Gesellschaft Jesu,
Freiburg 1896; „Der Jesuitenorden“ usw., An-
hang (11 ff). Nicht minder legen die großen Ge-
lehrten, die der Orden auf allen Gebieten hervor-
gebracht hat, das beredteste Zeugnis für sie ab.
Wenn, namentlich in dem alten Studienplan, den
Realien nur ein geringer Platz eingeräumt ist, so
ist dazu zweierlei zu bemerken: 1) daß die Realien
damals noch lange nicht jene Entwicklung gefun-
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