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bindung mit land- oder forstwirtschaftlichem Grund-
eigentum erfolgen; es fehlt aber an einer Bestim-
mung, die besagt, wie weit städtischer Grundbesitz
dabei beteiligt sein darf. Auch die Wertung der
reinen Geldfideikommisse, die der preußische
Entwurf wie auch schon das geltende Recht ein-
zelner Bundesstaaten ganz ausschließt, ist eine sehr
verschiedene. Der Entwurf sagt, sie seien, da sie
nur den Bezug sicherer Renten gewähren, von den
Bezugsberechtigten aber keine eigene Arbeit ver-
langen, nicht geeignet, zur Teilnahme an gemein-
nütziger Tätigkeit im Dienst des Vaterlandes an-
zuregen, deren Wert oft erst durch den Segen er-
kannt werde, den die Früchte der eigenen Arbeit
bringen. Zur Ermöglichung und Unterstützung
einer solchen Tätigkeit, zur Beschaffung der nötigen
Mittel auf der heimatlichen Scholle, zur Fürsorge
für wirtschaftlich Schwache reiche eventuell die
Familienstiftung vollkommen aus. Diese sicher-
lich viel Wahres enthaltende Anschauung findet
jedoch auch ihre Gegner, die nachzuweisen suchen,
wie unter gewissen Normen auch die Geldfidei-
kommisse gemeinnützigen und kulturellen Zwecken
dienstbar gemacht werden können.
So viel steht jedenfalls fest, der preußische Ent-
wurfüber die Neureglung des Fideikommißwesens,
der eine neue Ara einleiten soll, schließt die Gefahr
der Bindung landwirtschaftlichen Besitzes in einem
die Interessen der Allgemeinheit benachteiligenden
Umfang nicht aus, er beseitigt auch nicht die Mög-
lichkeit der Festlegung umfassenden städtischen
Grund= und Hausbesitzes sowie großer Kapitalien
in Verbindung mit relativ geringem land= und
forstwirtschaftlichem Grundbesitz.
4. Statistik. Eine regelmäßige statistische
Aufnahme der Fideikommisse findet nur in Preußen
statt (seit 1895). Preußen hatte Ende 1906 eine
Fideikommißfläche von 2,276 Mill. ha oder 6,5%
des Gesamtumfangs des Staates, darunter ein
Waldbestand von 1,049 Mill. ha, d. i. 3% der
Staatsfläche, 12,7 % der ganzen Waldfläche im
Staat und 46,1 % der Gesamt-Fideikommißfläche,
während der Grundsteuer-Reinertrag der Fidei-
kommisse 28,159 Mill. M — 6,3% desjenigen der
gesamten Staatsfläche ausmache. Von Ende 1895
bis Ende 1906 nahm die Fideikommißfläche über-
haupt um 169 743 ha oder 8 % die Fideikommiß-
waldfläche um 76 945 ha, d. i. 8% , und der
Grundsteuer-Reinertrag der gesamten Fideikom-
mißfläche um 2 305 896 Xf = 9% zu.
Der Mehrzugang an fideikommissarisch gebun-
dener Fläche war seit dem Bestehen der Statistik
(1895) am größten im Jahr 1904 mit 35 080 ba,
worunter sich jedoch 21 329 ha Waldfläche befan-
den, und im Jahr 1906 mit 26250 ha, wovon je-
doch nur etwa ein Viertel aus Waldungen bestand,
so daß 1906 der Mehrzugang an nicht aus Wald,
sondern aus Ackerland, Wiesen usw. bestehender
Fideikommißfläche seit der ersten Erhebung weit-
aus am bedeutendsten war.
Die Gesamtzahl der Fideikommisse bezifferte sich
am Schluß des Jahres 1906 auf 1190 gegen 1170
Ende 1905 und 1045 Ende 1895. Vergleicht man
Fläche und Grundsteuer-Reinertrag der Fideikom-
Familienfideikommiß.
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misse mit der Gesamtfläche und dem zugehörigen
Grundsteuer-Reinertrag der entsprechenden Landes-
teile unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Wald-
fläche, so entfielen Ende 1906
auf die Fidei-- auf die Waldfläche
kommisse über- der Fideilommisse
aup Hundertteile
Hundertteile der
in der Provinz D.
der des Ge- Ge. Gesamt-
Ge= Gesamt- samt- samt= Fidei-
samt- ein- lläche Wald--kommiß-
fläche ertrags stache fläche
3.7 4,7 1,1 6,4 30,3
4.0 3.3 1,8 8,2 43.9
#s80 122 122 510
7,7 10,5 2,110,2 27,2
6,3 6,6 2,3 11,6 36,3
15.6 10,8 8,.9 30,9 56,8
4,9 4,4 2,1 9.7 41.7
76 951.522.3193
20 30%% E 1 4
7.7 74 3
4.9 4.7 3,1 7.7. 6822,6
2,8 3.0 1,6 5,2 58.1
16,3 12,8 12,8 37.7 78,1
6.5 6,3 3,0 12,7 46,1
In Schlesien und Hohenzollern ist also der Anteil
der Fideikommißfläche an der Gesamtfläche mitje an-
nähernd einem Sechstel rund zweieinhalbmal — in
den Regierungsbezirken Oppeln mit 20,7 und Stral-
sund mit 20,8 %%, also je mit etwas über einem
Fünftel der gesamten Bezirksfläche, sogar mehr als
dreimal — so groß als im Staatsdurchschnitt.
Auch tritt die volkswirtschaftliche Bedeutung der
Fideikommisse für die Erhaltung eines größeren
Waldbestandes hervor; während die gesamten Wal-
dungen im Staat nur 23,7% seiner Fläche aus-
machen, gehen über diesen Durchschnitt die Fidei-
kommißforsten in allen Provinzen mit Ausnahme
von Schleswig-Holstein größtenteils sehr weit
hinaus.
In 33 preußischen Kreisen nehmen die Fidei-
kommisse mehr als 20% der Fläche ein (Wernige-
rode 57%, Wittgenstein 53 %, Plön 48% Mi-
litsch 43% Tarnowitz und Pleß je 42 % Adelnau
41% Hirschberg 35% uff.).
Etwa 24% der ertragsfähigen Fläche sind in
„Preußen dem Verkehr entzogen (Staats= und Kom-
munalbesitz, Kron= und Hausgüter, Kirchen-, Uni-
versitäts= und Stiftungsgüter, Lehn= und Fidei-
kommißgüter).
In Bayern fanden in den Jahren 1894 und
# 1904 statistische Erhebungen statt. Die Ausdehnung
der Fideikommisse ist hier weit geringer als in
Preußen; sie betrug 1894: 2,12 %, 1904:2,25%
der Gesamtfläche. Die Zahl der Fideikommisse be-
trug 1904:; 166 (1894; 151), der Gesamtgrund-
besitz derselben belief sich 1904 auf 171.000 ha
(1894: 161.000 ha), davon war über die Hälfte
Waldbesitz (1904: 95,000 ha, 1894: 91.0000 ba).
Am meisten vertreten ist der Fideikommiß in Ober-
bayern (1904: 34 700 ha) und Schwaben (31500
ha), am geringsten in Mittelfranken (12 300 ha).
In der Pfalz besteht noch aus der französischen Zeit
das Verbot der Fideikommisse.
In den übrigen größeren deutschen Bundes-
staaten sind keine statistischen Erhebungen über die
Fibeilommisse veranstaltet bzw. veröffentlicht
worden.