1381
schen Stadt und Grundherrschaft können mit
dem Ende des 14. Jahrh. als abgeschlossen be-
trachtet werden. Bis dahin aber darf man wohl
zweifelsohne das Nebeneinanderbestehen von länd-
lichen wie städtischen Korporationen der Hand-
werker annehmen, wenngleich erstere nach und nach
ohne Bedeutung wurden. Ihre Verfassung bleibt
ebenso rudimentär wie die grundherrliche Ver-
fassung der Gewerbe in den Städten. Dort, wo
die Grundherren gleichzeitig Stadt-
herren waren, ist ihr Einfluß auf die Gewerbe-
verfassung im Gegensatze zu den Städten, wo
dies nicht der Fall, unverkennbar. Sie nahmen
hier nach Inama-Sternegg ebenso wie aufs dem
Lande für sich das Recht in Anspruch, die Hand-
werke als Amter bezw. Lehen zu behandeln und
Zunftrechte zu verleihen. Auch der Inhalt der
Zunftstatuten wird von ihnen bestimmt. Jedoch
scheinen diese Vorrechte der Stadtherren nicht
von langer Dauer gewesen zu sein; sie scheiterten
an dem Widerspruche der städtischen Bevölkerung,
der eine gewisse Gewerbefreiheit als Grundlage
der Lebensbedingung galt. Die Stadtherren muß-
ten daher hierin zwar nachgeben, wußten aber
viele Rechte für sich zu reservieren, wie Markt-
recht, Mühlenrecht us. Im 13. Jahrh. war
das Gewerberecht aber zumeist schon an die
Städte übergegangen, und das Stadtrecht trat
an die Stelle des Hofrechts; damit verloren die
Stadtherren die Einwirkung auf die Verfassung
der Zünfte. Diese entwickelten sich dort, wo die
Grundherrschaft ohne Einfluß war, auf völlig
freier Grundlage. Die gesamte Ausgestaltung
des mit der Zunft sich entwickelnden Gewerbe-
rechts ist hier auf dem ureigenen Boden städ-
tischen Lebens entsprungen. — Die kirchlichen
Bruderschaften sowie die Gilden bildeten hier den
Boden für die Entwicklung der Zünfte. Neben
den kirchlichen Zwecken richten sich ihre Ziele auf
Förderung der wirtschaftlichen Verhältnisse und
damit naturnotwendig auf Anerkennung ihrer
Institutionen usw. durch die öffentliche Gewalt.
Deren Zustimmung wird ihnen auch nicht ver-
sagt, und die von ihnen selbst entworfenen Nor-
men werden gebilligt. An der Schwelle der
großen Bewegung, welche die mittelalterliche Ge-
werbeverfassung entwickelt hat, steht überall das
Recht der Handwerker, Innungen zu bilden.
Jedoch bestand kein gemeines Recht der Innun-
gen; auch war mit dem Begriff der Innung als
öffentliches Recht nicht immer der gleiche Inhalt
von Befugnissen verstanden. Als Hauptziel aller
Innungen kann man aber das Bestreben an-
nehmen, die Selbständigkeit ihrer genossenschaft-
lichen Existenz zu sichern, ihre Vorsteher selbst zu
wählen, die innern Streitigkeiten selbst zu schlich-
ten und die Innung zu einer Schutzgemeinschaft
sowie zu einer Einrichtung der gemeinschaftlichen
Förderung ihrer Standesinteressen zu machen.
Die materiellen Ziele waren Zunftzwang, Eman-
zipation von den besondern Lasten der gutsherr-
Innung.
1382
lichen Gewalt und Erlangung besonderer Privi-
legien, durch welche ihr wirtschaftliches Interesse
gefördert wurde.
Die Entwicklung der Zünfte ist aber selbst
nach Ausmerzung der grundherrlichen Gewalt in
den einzelnen Städten noch in ganz verschiedenem
Maße vor sich gegangen, je nachdem der Stadt-
rat in Händen der Patrizier oder der Hand-
werker und Gewerbetreibenden lag. Wo ersteres
der Fall war, setzte bereits im 12. Jahrh. eine
zielbewußte Gewerbepolitik ein, und dort trat
der Stadtrat schon frühzeitig in die Rechte der
ehemaligen Stadtherren ein. Dort versucht der-
selbe auch die Autonomie der Zünfte zu regeln;
er macht die Bildung von Innungen nicht bloß
von seiner Zustimmung abhängig, sondern be-
stimmt auch den Inhalt des Statuts und greift
ferner in die gesamte Tätigkeit der Innungen ein.
Er bestellt diesen städtische Aufsichtsorgane, kon-
trolliert die Zünfte bei ihren Morgensprachen,
behält sich öfters das Recht vor, Freimeister
namentlich im Nahrungsmittelgewerbe zu bestel-
len, wo er überhaupt der Autonomie der Hand-
werker nur geringen Spielraum läßt; er übt fer-
ner Kontrolle über die Qualität und den Preis
der Waren zum Schutze der Konsumenten (durch
Stempelung und Siegelung derselben und Taxen)
und sucht zu verhindern, daß die Zunft dazu miß-
braucht wird, die wirtschaftliche Selbständigkeit
des einzelnen Genossen zu vernichten oder den
Markt auszubeuten. Deshalb erfolgten oftmals
Verbote der „Einung“, d. h. solcher Vereinba-
rungen unter den Zunftmeistern, durch welche
Produktion und Absatz über die statutarischen
Zwecke hinaus im Interesse einzelner weniger
geregelt werden sollten. Auch will der Stadtrat
nicht die Autonomie der Stadt durch die Zunft-
autonomie überwuchern lassen; die Stadtgewalt
soll nicht durch die Zunftgewalt beseitigt oder
geschwächt werden, mit einem Worte, er steckte —
wenn auch oft in seinem eigenen (Patrizier=
Interesse — den Zünften gewisse Grenzen, welche
nach der einen Seite die Produktion und die
Existenz der Produzenten, auf der andern Seite
die Sicherheit der Konsumenten gegen Übervor-
teilung usw. gewährleisten, gleichzeitig ihm selbst
aber alle Machtvollkommenheit sichern sollten.
Ganz anders gestaltete sich dagegen die Entwick-
lung der Zünfte und ihre Politik in denjenigen
Städten, in denen das Stadtregiment bei den
Handwerkern selbst lag. Hier treiben die Zünfte
von vornherein Politik und sind in erster Linie
politische Korporationen. Das ganze öffentliche
Leben der Stadt wird dort der Zunst angegliedert,
die nicht gewerbetreibende Bevölkerung sogar in
Verbänden mit zunftartigem Charakter zusammen-
geschlossen und alles den Zunftinteressen unter-
geordnet. Hier wird auch zusehends die Selbstän-
digkeit der Zünfte größer: sie bestimmen selbständig
über die gesamten Verhältnisse sowohl innerhalb
als außerhalb der Zunft, über Eintrittsgelder,
44 *