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lag es zunächst ob, jene, die sich der Häresie
schuldig fühlten, aufzufordern, sich freiwillig zu
stellen. War die dafür anberaumte Zeit (tempus
gratiae) — in der Regel nicht über einen Monat
— berstrichen, dann wurden die Denunziationen,
bald auch die von Häretikern selbst, entgegenge-
nommen; zwei Ankläger, deren Namen verschwie-
gen wurden, genügten, um den Angeklagten als
schuldig zu befinden. Gab er seine Schuld zu, so
wurden ihm Bußwerke auferlegt: Gebete, Geiße-
lungen, Fasten, Almosen, Wallfahrten, in schwere-
ren Fällen Kennzeichnung durch gelbe Kreuze, die
auf die Gewänder aufgenäht wurden, oder Gefäng-
nis (murus). Blieb er hartnäckig, so wurde er dem
weltlichen Arm ausgeliefert, der an ihm die Feuer-
strafe vollzog. Für die Urteilsfällung wurden die
Inquisitoren später ermächtigt, boni viri oder
periti als Gutachter beizuziehen; sie setzten sich
in der Regel auch mit dem Bischof ins Einver-
nehmen. Furchtbar verschlimmert wurde das schon
durch die Entgegennahme von Denunziationen,
die Verschweigung der Zeugen und die Abweisung
eines Advokaten schwerer Kritik offene Verfahren,
als aus dem römischen Recht auch die Tortur wie-
der hervorgeholt wurde, obwohl Papst Nikolaus I.
einst deren Anwendung ausdrücklich als Verstoß
gegen menschliches und göttliches Recht erklärt
hatte, „da das Geständnis nicht erzwungen, son-
dern freiwillig sein solle“ (Responsa ad consulta
Bulgarorum c. 86). Innozenz IV. ermächtigte
durch die Konstitution Ad extirpanda vom
15. Mai 1252 ausdrücklich die Inquisitoren, durch
die weltlichen Machthaber die Folter anwenden
zu lassen. Die gewöhnlichen Foltermittel waren
durus carcer et arcta vita, die Folterbank, der
Wippgalgen, die brennenden Kohlen. Bekehrte sich
ein Häretiker erst unter der Folter, so wurde er le-
benslänglich eingekerkert. Die Rückfälligen wurden
später wie die Unbeugsamen immer zum Feuertod
verurteilt. Doch ist die Zahl der Verbrannten er-
heblich geringer als die Zahl der zu Gefängnis
Verurteilten. Die feierliche Verurteilung fand bei
einem sermo generalis statt, der in Spanien
Auto da Feé hieß. Neben dem lebenslänglichen
Kerker und dem Feuertod ging die Güterkonfis-
kation her, die auch nach dem Tode gegen die-
jenigen angewandt wurde, die der Inquisition
entgangen waren und deren Leichen dann aus-
gegraben und verbrannt wurden. — Die Tätigkeit
der Inquisitoren erstreckte sich auf die Länder des
Kaisers, auf Frankreich und Aragonien. In Eng-
land traten sie nur beim Templerprozeß in Tätig-
keit (dafür wurden dort aber die Ketzer auf Grund
von königlichen Verordnungen verfolgt), in Ka-
stilien und Portugal erst am Ausgange des Mittel-
alters. Fast ganz verschont waren die skandi-
navischen Länder. Eine Vermehrung ihrer Ge-
schäfte erhielt die Inquisition besonders in Deutsch-
land durch den Hexenwahn.
Die tiefsten Wurzeln schlug die Inquisition in
Spanien. Hier, wo abendländisches Wesen
Inquisition.
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jahrhundertelang um seine Existenz kämpfte, Is-
lam und Christentum zähe miteinander rangen,
wurden die Gegensätze der Bekenntnisse zu Gegen-
sätzen der Rassen. Schon die westgotischen Könige
zwangen die zahlreichen Juden zur Taufe und er-
ließen gegen die dann wieder zu ihrem alten Kulte
zurückkehrenden die härtesten Strafen bis zur
Steinigung und Verbrennung. Zu diesen Juden-
christen (Marranos) kamen am Ende des Mittel-
alters die vielen unterworfenen Mauren im Süden
(Moriskos), deren meist erzwungene Bekehrung
Anlaß zu ähnlichem Vorgehen gab. Nachdem
durch die Heirat Isabellas von Kastilien mit Fer-
dinand von Aragonien Spanien geeint war, schuf
das hier am schärfsten einsetzende Streben nach
nationaler Konzentration und Ausbildung abso-
luter Staatsgewalt eine eigenartige straffe Organi-
sation der Inquisition in den Jahren 1478/84.
An der Spitze der spanischen Inquisition stand ein
vom Könige ernannter, vom Papst bestätigter und
bevollmächtigter Großinquisitor, zuerst seit 1483
der Dominikaner Thomas Torquemada; die Kö-
nige hatten somit einen großen Einfluß auf die
Inquisition, die sie auch zum Dienst ihrer poli-
tischen Interessen benutzten. Aber seine Juris-
diktion empfing der Großinquisitor doch vom
Papste, der auch Berufungen annahm, obschon er
im allgemeinen den Erzbischof von Sepvilla als
Appellationsinstanz bevollmächtigt hatte. Dem
Großinquisitor unterstand zunächst ein Generalrat,
bestehend aus fünf „apostolischen Inquisitoren“,
zwei Sekretären, zwei Relatores, einem Fiskal-
advokat und mehreren Konsultoren und Quali-
fikatoren. Unter diesem Generalrat, dem auch die
finanzielle Oberleitung des ganzen Instituts oblag,
bildete sich eine ganze Reihe von Provinzialtribu-
nalen. Die Inquisitoren, von denen in der Regel
drei ein Provinzialtribunal bildeten, ernannte der
Großinquisitor, ebenso die Konsultoren und andern
Beamten. Alle Beamten der Inquisition mußten
vor ihrer Ernennung nachweisen, daß sie weder
von Juden noch Mohammedanern stammten. Das
Verfahren der spanischen Inquisition entsprach
im übrigen dem bisher üblichen, doch ist zu be-
merken, daß die Untersuchungsgefängnisse in
Spanien am besten eingerichtet und die Straf-
gefängnisse (carcel perpetun) keineswegs qual-
voll waren. Im 16. Jahrh. ging die spanische
Inquisition auch gegen die Protestanten vor. Die
Zahl der protestantischen Opfer ist aber früher
übertrieben worden. Nach Schäfer sind von den
rund 2100 Personen, denen der Prozeß wegen
Protestantismus gemacht wurde, nur ca 220 in
Person und ca 120 in eftgie verbrannt worden,
und von den 220 ist kaum ein Dutzend lebendig
verbrannt worden. Die Exekution der zu ver-
brennenden Ketzer fand nicht während der Feier
des Auto da Fé und auf dem Platze statt, wo
dieses abgehalten wurde, sondern erst nach vollen-
detem Auto auf einem bestimmten Platze vor den
Toren. Das letzte Todesurteil ist 1781 in Sevilla