Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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Tempo unter Berücksichtigung der geschichtlichen 
Entwicklung der industriellen Arbeiterverhältnisse 
und deren gesetzliche Reglung, diese zu fördern. 
Auf ersterem Wege ging zuerst, einer Anregung 
der schweizerischen Regierung folgend, 1890 das 
Deutsche Reich vor durch Einberufung der in den 
Februar-Erlassen angekündigten Internationa- 
len Arbeiterschutzkonferenz in Berlin 
vom 15.—28. März 1890. Dreizehn europälsche 
Staaten nahmen teil. Man kam nicht hinaus über 
die Formulierung einer Reihe von „Wünschen“ 
betreffend Arbeiten in Bergwerken, Sonntags- 
arbeit, Kinderarbeit, Arbeit junger Leute, Frauen- 
arbeit, Ausführung und Überwachung der Vor- 
schriften. Gleichwohl wirkte diese Konferenz 
fruchtbringend. Als die Erneuerung solcher staat- 
licher Konferenzen auf sich warten ließ, berief ein 
aus Mitgliedern schweizerischer Arbeitervereine 
bestehendes Komitee einen privaten Interna- 
tionalen Arbeiterschutzkongreß in Zü- 
rich vom 23.—28. Aug. 1897 ein. Auf dem- 
selben erschienen nur Vertreter von Arbeitervereinen 
und politischen Verbänden aus einer großen Reihe 
fast ausschließlich europäischer Staaten. Die Zu- 
rückhaltung der Regierungen, dazu das Überwiegen 
sozialistischer Tendenzen regten bürgerliche Sozial- 
politiker aus Deutschland, Belgien, Frankreich, 
Schweiz, Osterreich usw. an, im Okt. 1897 auf 
einer Konferenz zu Brüssel die Gründung einer 
Internationalen Vereinigung für ge- 
setzlichen Arbeiterschutz in Aussicht zu 
nehmen, an der sich auch die Regierungen beteiligen 
Internationale Konferenzen — Internationales Privatrecht. 
1400 
wäre zur Beschlußfassung auf einer weiteren staat- 
lichen internationalen Arbeiterschutzkonferenz. 
Literatur. (Vgl. Bd l, Sp. 316.) Dochow, 
Vereinheitlichung des Arbeiterschutzes durch Staats- 
verträge (1907); Schriften der Internationalen 
Vereinigung f. gesetzl. Arbeiterschutz (Jena 1901ff). 
[Aug. Pieper.) 
Internationale Konferenzen und 
Kongresse s. Kongresse, Konferenzen. 
Internationales Privatrecht. Inter- 
nationales Privatrecht ist der Inbegriff der Rechts- 
regeln, nach denen dasjenige territoriale Recht zu 
bestimmen ist, welches für die Beurteilung eines 
Rechtsverhältnisses im Falle des Zusammentreffens 
mehrerer inhaltlich nicht übereinstimmender Rechte 
maßgebend sein soll, unabhängig von dem örtlichen 
Rechte des zufällig urteilenden Gerichtes. Man 
spricht auch von der räumlichen oder örtlichen 
Herrschaft der Rechtsnormen, von dem örtlichen 
Verhältnisse der Rechtsquellen, von dem Konflikte 
der Gesetze, von der Statutenkollision oder der 
extraterritorialen Anerkennung der Rechte. — Die 
Frage der Kompetenz der privatrechtlichen Normen 
der einzelnen Staaten ist namentlich dann zu be- 
antworten, wenn Angehörige verschiedener Staaten 
oder Rechtsgemeinschaften zueinander in Rechts- 
beziehung treten, wenn die vertragsgegenständige 
Sache in einem Rechtsgebiete gelegen ist, welchem 
die Parteien oder eine derselben nicht angehören, 
oder wenn die Folgen eines Rechtsgeschäftes in 
einem andern Rechtsgebiete als dem des Vertrags- 
schlusses geltend gemacht werden. Auch innerhalb 
  
sollten. Dieselbe wurde im Juli 1900 zu Paris 
gegründet; sie tagte 1901, 1902 und später alle 
zwei Jahre, meist in der Schweiz, wo auch in 
Basel das Internationale Arbeitsamt 
(mit der Aufgabe, die Arbeiterschutzgesetze zu 
sammeln, zu veröffentlichen, Auskünfte zu er- 
teilen usw.) seinen Sitz nahm. Die Internationale 
Vereinigung setzt sich aus nationalen Sektionen 
zusammen (als deutsche Sektion fungiert die Ge- 
sellschaft für soziale Reform, Vorsitzender Frhr 
v. Berlepsch). Alle europäischen Industriestaaten 
weisen solche Sektionen auf. Als ersten Erfolg 
erzielte die Internationale Vereinigung die Ein- 
berufung einer internationalen staatlichen Ar- 
beiterschutzkonferenz zu Bern 1905, die 
zu dem internationalen Abkommen zu Bern vom 
26. Sept. 1906 führte über das Verbot der weib- 
lichen Nachtarbeit in der Industrie und das Verbot 
der Verwendung von weißem Phosphor bei der 
Herstellung von Zündhölzern. Durch Veröffent- 
lichung von Untersuchungen in den einzelnen Län- 
dern wie durch Erörterung dieser Fragen auf den 
internationalen Delegiertentagen hofft die Inter- 
nationale Vereinigung das Verbot der Nacht- 
arbeit der Jugendlichen unter 18 Jahren, die 
Reglung der Arbeit der Kinder und Jugendlichen, 
eines und desselben Staates kann beim Vorhan- 
densein mehrerer Rechtsgebiete von einem inter- 
provinziellen oder intermunizipalen Rechte oder 
von einer Statutenkollision die Rede sein. Aus 
# der Unabhängigkeit der souveränen Staaten würde 
an sich das Recht derselben folgen, vor ihren Ge- 
richten nur die Anwendung des einheimischen 
Rechts zu gestatten und die Berücksichtigung aus- 
ländischer Rechte schlechtweg auszuschließen. Allein 
das Recht auf gegenseitigen Verkehr und gegen- 
seitige Achtung, welches aus der Staatengemein- 
schaft für deren einzelne Glieder sich ergibt, er- 
zwingt die Anwendung ausländischer Rechts- 
normen, ohne daß man hierfür auf eine dem 
fremden Staate schuldige Freundlichkeit oder Höf- 
lichkeit (comitas gentium, courtoisie) sich be- 
rufen müßte. Rücksichtslose Anwendung des eigenen 
Rechts auf Rechtsverhältnisse, welche mit dem 
Auslande in Beziehung stehen, würde zu einer un- 
erträglichen Rechtsunsicherheit auch für die eigenen 
Staatsangehörigen und zur internationalen Re- 
torsion, zum Abbruche allen internationalen Ver- 
kehrs führen. Hinzu kommt, daß der Prozeß nicht 
neue Rechte schaffen oder Rechte verändern, son- 
dern bestehende Rechte feststellen soll; sohin wider- 
spricht es seinem Wesen, daß das objektiv fest- 
  
der Heimarbeit, die Zurückdrängung gewerblicher 
Gifte usw. zu fördern. Zurzeit ist jedoch noch 
keine dieser Fragen soweit geklärt, daß sie reif 
stehende Rechtsverhältnis von dem örtlichen Rechte 
der jeweiligen Prozeßführung beeinflußt werden 
sollte. Wie könnte man, um nur eines anzuführen,
	        
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