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andern, in betreff welcher die schiedsgerichtliche
Entscheidung obligatorisch sein sollte, wenn beide
Parteien über das Prinzip des Schadensersatz-
anspruches selbst einig sind und es sich also nur
noch um dessen Größe und die Modalitäten seiner
Erfüllung handelt. Unter dieser Voraussetzung
könnte die Unterwerfung unter das Schiedsgericht
eine Beeinträchtigung der staatlichen Souveränität
gewiß nicht bewirken, während sie allerdings ge-
eignet wäre, eine gerechte Lösung der Streitfrage
herbeizuführen. Die andern Punkte der Liste
waren freilich von so geringer Importanz, daß
die sie bejahenden Voten hauptsächlich deshalb ab-
gegeben wurden, um das Prinzip obligatorischer
Schiedssprechung festzulegen. Aber auch gegen
diese sowie gegen alle überhaupt möglicherweise in
Frage kommenden Gegenstände, hinsichtlich deren
die obligatorische Unterwerfung unter die Schieds-
sprechung kraft eines allgemeinen Vertrages an-
geregt werden könnte, wurde von deutscher Seite
eine Reihe grundsätzlicher Bedenken erhoben. Diese
mit dem größten Scharfsinn aufgestellten und ver-
tretenen Einwendungen hatten jedenfalls das Ver-
dienst, die Verteidiger der obligatorischen Schieds-
sprechung zu einer viel tieferen Erfassung des
Problems zu nötigen. Ob sie zu den Schlüssen
berechtigen, die man aus ihnen ableiten wollte, ist
allerdings eine andere Frage.
Zunächst wurde darauf hingewiesen, daß nach
den portugiesisch-englischen Anträgen auch solche
Streitfragen dem Schiedsgerichte unterstellt werden
müßten, in denen die Gerichte des einen der beiden
Vertragsstaaten bereits entschieden haben, und daß
dadurch Konflikte zwischen der nationalen und
dieser Art internationaler Rechtssprechung entstehen
könnten. Es wurde eingewendet, ein Urteil, das
von der obersten Gerichtsinstanz eines Landes ge-
fällt worden, könne durch einen Schiedsspruch
weder kassiert noch reformiert werden, weil sonst
durch den Schiedsspruch die Gerichtsbarkeit des
betreffenden Staates beeinträchtigt und auch der
Grundsatz verletzt würde, daß niemand seinem
ordentlichen Richter entzogen werden dürfe. Dieser
Einwand trifft vollkommen auf den Fall zu, daß
das internationale Schiedsgericht erst zu dem
Zwecke der Schlichtung des konkreten Falles ein-
gesetzt würde. Nehmen wir an, der Verleger A
habe ein Werk des ausländischen Autors B ent-
gegen der Bestimmung eines zwischen den beiden
in Betracht kommenden Staaten bestehenden Ur-
heberrechtsvertrages gedruckt. Gleichwohl sei -B
mit seiner Klage von den Gerichten des Staates,
dem A angehört, abgewiesen worden, weil diese
in mißverständlicher Interpretation des Staats-
vertrages keinen Eingriff in das Urheberrecht an-
nahmen. Auch diplomatische Vorstellungen des
Staates, dem der Autor angehört, verschaffen ihm
nicht sein Recht. Und nun veranlaßt dieser Staat
jene Macht, deren Untertan der Verleger ist, die
streitige Auslegung des Urheberrechtsvertrages und
die durch diese bedingte Entscheidung über das
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit.
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Schadensersatzbegehren einem Schiedsgerichte zu
übertragen. Der Verleger A wird in diesem Falle,
wenn das Schiedsgericht zu seinem Nachteil ent-
scheidet, allerdings um einen Vorteil gebracht, den
er in einem formell rechtmäßigen, wenn auch ma-
teriell nicht gerechten Verfahren bereits errungen
hatte. Er kann sich darüber beklagen, daß zu
seinem Nachteile ein sonst unanfechtbares Urteil
umgestoßen, daß er seinem ordentlichen Richter ent-
zogen worden sei, da die Justizorganisation seines
Landes internationale Gerichte über den nationalen
nicht kennt. Ebenso läßt es sich nicht leugnen, daß
formell durch einen solchen Rechtszug an ein inter-
nationales Tribunal die Autorität der territorialen
Gerichte erschüttert wird, mag auch materiell da-
durch die Gerechtigkeit verwirklicht worden sein.
Ganz anders aber stellt sich die Sache dar, wenn
die Entscheidung über die Frage, welche der beiden
einander entgegenstehenden Auslegungen des Ur-
heberrechtsvertrages die richtige sei, von vornherein
durch ein nicht bloß für den konkreten Fall ab-
geschlossenes Ubereinkommen, sondern durch einen
für alle Fälle dieser Art geltenden Staatsvertrag
einem Schiedsgerichte übertragen ist. Ein solcher
Vertrag erklärt dann ganz allgemein, daß im Falle
eines Dissenses der beiden Staaten über die Aus-
legung jener Vertragsbestimmung die Entscheidung
der Rechtsfrage, welcher Sinn jener Vertragsnorm
zukomme, in letzter Instanz nicht mehr dem obersten
Gerichtshofe des Staates des Beklagten, sondern
eben einem Schiedsgerichte zukomme. Durch einen
solchen Schiedsgerichtsvertrag oder durch eine solche
Schiedsgerichtsklausel wird daher hinsichtlich dieser
Entscheidung die Justizorganisation der Vertrags-
staaten durchbrochen bzw. ergänzt, indem über dem
höchsten nationalen Gerichtshofe zur Entscheidung
dieser Art von Fragen das internationale Schieds-
gericht berufen wird. Eben deshalb bedarf ein
Schiedsgerichtsvertrag oder eine Schiedsgerichts-
klausel dieser Art zu ihrer Wirksamkeit der Ge-
nehmigung der verfassungsmäßig zur Abänderung
der Gerichtsorganisation berufenen Faktoren, also
in den meisten Staaten der parlamentarischen Ge-
nehmigung. Ist diese erfolgt, so werden aber da-
durch die Normen über die Kompetenz der Landes-
gerichte in den Vertragsstaaten ergänzt. Der
oberste Gerichtshof im Staate des Beklagten kann
dann nicht darüber klagen, daß ihm willkürlich
eine andere Instanz übergeordnet worden; der
Beklagte selbst kann sich nicht darüber beschweren,
daß er willkürlich seinem ordentlichen Richter ent-
zogen worden sei. Denn beides ist kraft eines
ordnungsmäßig zustande gekommenen, die Gerichte
wie die Individuen verpflichtenden und beschrän-
kenden Rechtssatzes geschehen. Ganz ebenso aber
liegt die Sache in allen andern Fällen, in welchen
kraft eines abstrakten Schiedsgerichtsvertrages eine
bestimmte Kategorie von durch die Gerichte zu ent-
scheidenden Streitigkeiten ein für allemal einem
internationalen Schiedsgerichte unterstellt wird.
In all diesen Fällen ist ein Konflikt zwischen