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Grundlage der Beratungen im Komitee B der
ersten Kommission bildete. Uber die Kompetenz
und das Verfahren dieses wirklich ständigen
Schiedsgerichtshofes kam auch eine Einigung in der
Konferenz zustande. Zu den größten Schwierig-
keiten führte jedoch die Frage der Auswahl der
Richter. Es war offenbar, daß nicht jeder der 44
auf der Konferenz vertretenen Staaten einen
Richter in diesem Gerichtshofe haben könne, weil
ein Kollegium von 44 Richtern ein ganz ungeeig-
netes Organ der Rechtsprechung wäre. Es wurden
die mannigfachsten, scharfsinnig ausgedachten Vor-
schläge für eine entsprechende Vertretung aller
Konferenzstaaten in diesem Gerichtshofe vorgelegt;
doch keiner derselben fand allgemeine Zustimmung,
insbesondere zeigte sich der Brasilianer Barbosa
als prinzipieller Gegner aller Vermittlungsanträge.
Zuletzt wurde auch in dieser Frage, wie in jener
des obligatorischen Schiedsgerichtes, nur ein prin-
zipieller Beschluß gefaßt oder eigentlich nur ein
Wunsch ausgesprochen. Die Konferenz begnügte
sich damit, den Mächten „die Annahme des bei-
geschlossenen Entwurfes eines Vertrages betreffend
die Errichtung eines Schiedsgerichtshofes (Cour
de justice arbitrale) und dessen Inkraftsetzung
zu empfehlen, sobald eine Einigung über die Wahl
der Richter und die Zusammensetzung des Ge-
richtshofes erfolgt sein wird“. Durch einen in
Washington am 20. Dez. 1907 abgeschlossenen
Vertrag haben Costarica, Guatemala, Honduras,
Nicaragua und Salvador eine Cour de justice
für Zentralamerika mit dem Sitze in Cartago
(Costarica) eingesetzt. Dieser aus fünf ständig be-
stellten Richtern bestehende und nach dem Muster
des im Haag beschlossenen Statutes organisierte
Gerichtshof hat bereits über einen von Salvador
aus in das Gebiet von Honduras verübten Ein-
fall zu Recht erkannt (Revue générale de droit
internat. public. XVI 99 ffv.
VIII. Reform des schiedsgerichtlichen Per-
fahrens. Nach den Erfahrungen, die man bei den
vier Schiedsgerichtsfällen gemacht hatte, die bis
1907 im Haag verhandelt worden waren, wurden
auch die Normen über das schiedsrichterliche Verfah-
ren ergänzt und umgearbeitet. Insbesondere wurde,
außer sehr vielen Anderungen in den Details der
Prozedur, auf Grund der Anträge der Norweger
Hagerup und Lange jene Lücke, die die Konvention
von 1899 hinsichtlich der Bestellung des Obmannes
des Schiedsgerichtes offen gelassen hatte, ausgefüllt.
Für den Fall, daß die zwei nach Art. 24 der Kon-
vention von 1899 (jetzt Art. 45 der Konvention
von 1907) berufenen Mächte sich in zwei Monaten
nicht über die Wahl des Obmannes einigen sollten,
präsentiert jede dieser Mächte zwei Kandidaten
aus der Liste der zur schiedsrichterlichen Funktion
qualifizierten Persönlichkeiten mit Ausschluß jener,
die den Streitteilen angehören oder von ihnen auf
die Liste gestellt sind. Das Los entscheidet, welcher
der vier in dieser Weise bezeichneten Kandidaten
als Obmann berufen ist. Von Wichtigkeit ist ferner
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit.
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die Norm des Art. 82, nach welchem alle Streitig-
keiten in betreff der Interpretation und Aus-
führung des von einem Schiedsgerichte gefällten
Spruches von eben demselben Tribunal, das den
Spruch gefällt hat, zu entscheiden sind, sofern das
Kompromiß dies nicht etwa ausschließt. Eine sehr
bedeutungsvolle Ergänzung erfuhren die Normen
über das Kompromiß auf Antrag der deutschen
Delegation. Die Konventionen von 1899 Art.
31 und 1907 Art. 52 erfordern, da sie eine
Pflicht zur Unterwerfung unter ein Schiedsgericht
nicht aufstellen, sondern diese Art der Austragung
völkerrechtlicher Differenzen nur empfehlen, für
jeden Fall, in welchem eine bestimmte Streitfrage
durch Schiedsgericht erledigt werden soll, ein Kom-
promiß. Durch dieses erst übernehmen die Streit-
teile die Pflicht, die betreffende Sache durch
Schiedsspruch zu bereinigen. Bis zum Abschlusse
des Kompromisses besteht für sie eine solche Pflicht
aber nicht. Eine ganz andere, wesentlich verringerte
Bedeutung kommt aber offenbar dem Kompromiß
dann zu, wenn zwischen den Streitteilen schon
ohnedies ein Schiedsgerichtsvertrag zu Recht be-
steht, durch den sie sich verpflichtet haben, Streit-
fälle bestimmter Kategorien durch Schiedsspruch
auszutragen. Dann dient das Kompromiß nicht
mehr der Begründung dieser ohnedies schon be-
stehenden Pflicht, sondern nur ihrer Erfüllung und
Ausführung. Nur dann, wenn die Pflicht zur
Unterwerfung unter das Schiedsgericht eine po-
testativ bedingte ist, wie wenn es jedem der Streit-
teile freisteht, die Einwendung der nationalen
Ehre oder der vitalen Interessen zu erheben, wird
erst durch den Abschluß des Kompromisses fest-
gestellt, daß keine der beiden Parteien diese Einrede
geltend macht, daß also die bisher nur bedingte
Pflicht zur schiedsgerichtlichen Austragung nun-
mehr unbedingt wirksam wird. Sofern aber den
durch den Schiedsgerichtsvertrag verpflichteten
Parteien eine solche Einrede nicht zusteht, sofern
also der Schiedsgerichtsvertrag bestimmte Kate-
gorien von Differenzen ausnahmslos und be-
dingungslos umfaßt, muß es ein Mittel geben,
um auch gegenüber dem widerstrebenden Willen
einer Partei die Voraussetzungen herzustellen, die
zur Aktivierung des Schiedsgerichtes notwendig
sind, also die Streitfrage genau zu umschreiben,
die Kompetenz der Schiedsrichter, die Zeit ihres
Zusammentrittes und sonstige Modalitäten zu be-
stimmen. Die Vereinbarung der Parteien über
diese Punkte nennt man nun, was zu manchen
Mißverständnissen geführt hat, ebenfalls Kom-
promiß, in der amtlichen deutschen Übersetzung
„Schiedsvertrag“ im Gegensatz zu „Schiedsab-
kommen“" (Art. 39). Um ein solches Kompromiß
eventuell auch gegen den Willen des andern Streit-
teiles erzwingen zu können, wurde in Art. 53,
Abs. 2 auf Antrag der deutschen Delegation be-
stimmt, daß eine Kommission von fünf Mitgliedern
des Haager Schiedsgerichtshofes berechtigt sei,
einen solchen Schiedsvertrag auch nur auf Antrag