ziemlich allgemein anerkannt, zu welchen Wand-
lungen der Interventionstheorie Monroe den An-
stoß gegeben hat. Monroe war für das Recht der
Vereinigten Staaten, zugunsten des organisierten
Volkes, als des Trägers der Staatsgewalt und
damit einer werdenden völkerrechtlichen Persönlich-
keit, in den spanischen Kolonien zu intervenieren.
Dem Nichtinterventionsprinzip gegenüber hat
das Interventionsrecht fortdauernd Verteidiger
gefunden. Eine interessante parlamentarische De-
batte über die Zulässigkeit der Intervention hat
am 30. März 1871 im deutschen Reichstage statt-
gefunden. Die Abgeordneten v. Bennigsen und
Genossen hatten eine Adresse an den Kaiser bean-
tragt, welche in Anlehnung an die Stelle der
Thronrede, daß die Politik des Reiches von vorn-
herein auf Eingriffe in das Leben und die Ge-
staltung fremder Völker verzichte, einen Passus
enthielt, dessen Schluß lautete: „Die Tage der
Einmischung in das innere Leben anderer Völker
werden, so hoffen wir, unter keinem Vorwande
und in keiner Form wiederkehren.“ Dem entgegen
beantragten die Abgeordneten P. Reichensperger
und Genossen eine Adresse, für welche unter an-
dern auch Windthorst und Bischof v. Ketteler ein-
traten, deren Inhalt sich von der andern besonders
dadurch unterschied, daß der Theorie des Nicht-
interventionssystems nicht zugestimmt wurde, weil
es stets als eine Christenpflicht gegolten habe,
„löschen zu helfen, wenn das Haus des Nachbars
brenne“. Zweifellos ist das Nichtinterventions-
prinzip kein absolutes; ein Interventionsrecht ist
von den zivilisierten Staaten bis in die jüngste
Zeit anerkannt worden, es hat sich als Stütze der
internationalen Rechtsordnung bewährt.
Die völkerrechtliche Intervention erfordert nach
Liszt das unter Androhung oder Anwendung von
Waffengewalt an den oder die andern Staaten ge-
richtete Verlangen zu einem bestimmten Tun oder
Unterlassen. Von dieser sog. autoritativen Inter-
vention ist zu scheiden die friedliche Beilegung von
Streitigkeiten unter verschiedenen Staaten durch die
freundlichen Bemühungen dritter Staaten (inter-
vention amicale). Bei dieser pflegt man zwischen
dem Angebote der guten Dienste (bons oftices)
und der eigentlichen Vermittlung (médiation)
zu unterscheiden. Die freundlichen Bemühungen
können vor Ausbruch eines Krieges oder während
desselben stattfinden, sie können von dem dritten
Staate angeboten oder von beiden streitenden
Teilen oder von einem angerufen sein. In Einzel-
verträgen haben die Vertragsmächte sich ver-
pflichtet, einander gegenseitig ihre guten Dienste
zur Beilegung von Streitigkeiten mit dritten
Staaten zu leihen, z. B. im deutschen Handels-
vertrage mit Korea vom 26. Febr. 1883. Und
im Pariser Vertrage von 1856 hatten sich im
Art. 8 die Signatarmächte verpflichtet, bei Strei-
tigkeiten mit der Türkei die Vermittlung (action
médiatrice) der übrigen am Streite unbeteilig-
ten Unterzeichner des Vertrags anzunehmen. In
Intervention.
1436
der Kongoakte vom 26. Febr. 1885 findet sich die
Verpflichtung, bei Streitigkeiten vor dem Waffen-
gange die guten Dienste oder die Vermittlung
befreundeter Staaten in Anspruch zu nehmen.
Diese Verpflichtung ist in dem Haager Abkommen
von 1907 nach dem Vorgange der Haager Kon-
ferenz von 1899 von allen Signatarmächten für
die Fälle ernster Meinungsverschiedenheiten oder
eines Streites vor dem Waffengange übernommen
worden (Art. 2/8). Dabei ist in Art. 8 für die Ver-
mittlung folgende Form empfohlen: Bei ernsten,
den Frieden gefährdenden Streitfragen wählt jeder
der im Streite befindlichen Staaten eine Macht,
die er mit der Aufgabe betraut, in unmittelbare
Verbindung mit der von der andern Seite ge-
wählten Macht zu treten, um den Bruch der fried-
lichen Beziehungen zu verhüten. Während der
Dauer dieses Auftrags, die unbeschadet ander-
weitiger Abrede eine Frist von dreißig Tagen nicht
überschreiten darf, stellen die streitenden Staaten
jedes unmittelbare Benehmen über den Streit
ein, der als ausschließlich den vermittelnden
Mächten übertragen gilt. Diese sollen alle Be-
mühungen aufwenden, um die Streitfrage zu
erledigen. Kommt es zum wirklichen Bruche der
friedlichen Beziehungen, so bleiben diese Mächte
mit der gemeinsamen Aufgabe betraut, jede Ge-
legenheit zu benutzen, um den Frieden wieder-
herzustellen. In dem Karolinenstreite zwischen
dem Deutschen Reiche und Spanien 1885 war
Papst Leo XIII. Vermittler in diesem Sinne.
Die freundschaftliche Intervention hat, mag sie
auf Anrufen der streitenden Teile oder aus dem
freien Antriebe der am Streite nicht beteiligten
Mächte hervorgegangen sein, ausschließlich die
Bedeutung eines Rats und niemals verbindliche
Kraft; die streitenden Teile behalten die Entschei-
dung in der eigenen Hand. Sie darf nicht als
unfreundliche Handlung gegen diese angesehen
werden. Die Vermittlung kann zum bewaffneten
Einschreiten führen, wenn der Staat, in dessen
Angelegenheit interveniert wird, sich widersetzt.
Das Recht zur autoritativen Intervention folgt
aus der internationalen Rechtsgenossenschaft der
zivilisierten Staaten. Als Einmischung in fremde
Angelegenheiten ist sie regelmäßig nicht auf eine
Leistung an den intervenierenden Staat oder auf
Duldung einer Handlung desselben, sondern auf
ein bestimmtes Verhalten zweier anderer Staaten
zueinander oder auf ein bestimmtes Verhalten des
andern Staates in seine inneren Angelegenheiten
gerichtet. Im Frieden von Schimonoseki 1895
haben die Intervenienten Japan verboten, die Halb-
insel Liautung in Besitz zu nehmen.
Den Inhalt der Interventionslehre bilden die
Fälle, bei denen die Einmischung eines Staates in
die Angelegenheiten eines oder mehrerer andern
erlaubt ist. Von ihr sind herauszuheben die Inter-
ventionen auf Grund eines Vertrages sowie auf
Grund einer Aufforderung oder mit Zustimmung
eines andern Staates, wie die Rußlands in Oster-