1445
sandt werden. Keiner der aufgehobenen Feiertage
außer dem Landespatron darf gefeiert werden.
Ein pater domus soll sich nicht in die tempo-
ralia mischen. 1772: Die Christenlehre und
Vesper sollen nachmittags von 12—3 Uhr durch-
aus gehalten werden. Von der Bücherzensur
müssen alle theologischen Werke, Predigten, An-
dachtsbücher u. dgl. vor dem Drucke untersucht
werden. Die Ordenszensur und die censura
episcopi hört also auf. Ob und wie Stift-
und andere Messen, wenn solche wegen zu großer
Zahl nicht verrichtet werden können, andern
armen Klöstern oder Pfarreien zuzuteilen sind.
Die Geistlichkeit soll das Volk zur Heiligung der
Feiertage in Predigten und Christenlehren fleißig
ermahnen und ihm die Entheiligung durch Arbeiten
usw. begreiflich machen. Der saganische Kate-
chismus (verfaßt vom Propst von Sagan, Ignaz
Felbiger) soll in allen Schulen eingeführt werden.
1773: Wie der Umsturz der Frauenklöster zu
verhüten. 1775: Erlaubnis oder Pässe nach Rom
für Pilgrime sollen nicht erteilt werden. In den
sog. Regel- oder Dritten Orden soll niemand
mehr aufgenommen werden. Allen Geistlichen
wird scharf verboten, gegen landesfürstliche Ge-
setze in ecclesiasticis ungebührend zu reden.
1778: Das Verbot der Rekurse nach Rom in
Ehesachen wird auch auf die impedimenta oc-
culta erweitert. Jedes Kloster muß zwei Exem-
plare Rieggeri Luris canonici kaufen; wo Stu-
denten sind, so viele anschaffen, als sie Studierende
haben (Riegger stand auf dem Index von seiten
Roms verbotener Bücher). 1779: Allen Geist-
lichen werden die äußerlichen Kirchenstrafen ohne
Vorwissen und Konkurrenz der Landesstelle ver-
boten. Verbot, daß die Leute am Karsamstage
geweihtes Feuer nach Hause tragen. Die unnötigen
Vermächtnisse auf Lampen, Altäre, Messen usw.
sind abzustellen.
„Unter der Regierung des Kaisers Joseph II."
(1780 bis 20. Februar 1790), sagt der schon
zitierte Dr Beidtel, „wurden keine neuen Regie-
rungsgrundsätze angenommen, sondern nur jene,
welche unter Maria Theresia emporgekommen
waren, rasch und rücksichtslos entwickelt.. Joseph
war zugleich das Werkzeug und das Opfer der
Aufklärungspartei, deren Häupter, Sonnenfels,
Martini, Kresel, v. Swieten, Rautenstrauch,
Gebler, Born u. a., schon unter Maria Theresia
den Schauplatz ihrer Wirksamkeit in allen Be-
ziehungen kennen gelernt hatten.“ Welche An-
schauungen der Kaiser über seine unbeschränkte
Machtvollkommenheit der Kirche, den Untertanen
und deren ÜUberzeugungen gegenüber hatte, zu
ernieren, kann bei den sich überstürzenden Maß-
regeln und angeblichen Reformen nicht schwer sein.
Ich lasse es dahingestellt, ob er eine effektive
Scheidung oder Trennung (also ein Schisma)
Osterreichs von Rom wirklich geplant habe, wie
berichtet wird. Selbst wenn dies nicht der Fall
gewesen, ist doch die Tatsache schon unerhört,
Josephinismus.
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daß die Bischöfe nur mittels des Ministeriums
mit Rom zu verkehren angewiesen wurden. Leider
scheinen sich viele oder vielleicht die meisten ohne
weiteres gefügt zu haben. Als Migazzi in Wien
selbst in der Leitung des Seminars der Priester-
amtskandidaten rechtlos und einflußlos war, als
er nicht einmal zur Abstellung von moralischen
Mißbräuchen geneigtes Gehör fand, da fügte er
sich lange Zeit. Er brachte nur die demütigsten
Bitten der alleruntertänigsten Untertanen vor,
z. B. daß er Pontifikalvespern halten dürfe u. a.
Päpstliche Anordnungen hießen im Hofdekrete
vom 11. Sept. 1782 Mißbräuche. „Hierunter
sind vorzüglich die unter vielerlei Vorwänden
von einigen Päpsten erhaltenen exemptiones
sowohl für ganze Klöster, Gemeinden, Gottes-
häuser. Solchem nach haben wir aus eigener
Bewegung und Machtvollkommenheit hiermit zu
verordnen befunden, befehlen und verordnen, daß
kein Privilegium, keine Exemtionsurkunde, keine
Konzession, es mögen solche in forma bullae,
brevis oder was immer für Gestalt abgefaßt
sein, von nun an die mindeste Gültigkeit und
Wirkung ad effectum exemptionis haben.“
Daß die Orden, die nicht aufgehoben wurden,
einfach den Bischöfen unterstellt wurden, führte
zum Ruin derselben. Eingehend zeigt das eine
vom Abt Athanasius Bernhard v. Ossegg an
das Vatikanum gerichtete Denkschrift (s. Literatur).
Seine Anschauung hat der Kaiser ferner in
einem Hofdekrete vom 19. Dez. 1781 ohne Ver-
schleierung bekannt gemacht und uns so ein klas-
sisches Dokument darüber, was Josephinismus
sei, in die Hand gegeben. Als nämlich die kirch-
lichen „Reformen“ Josephs II. mit den Klöstern
aufräumten, die kirchliche Jurisdiktion unterban-
den, die österreichischen Katholiken immer mehr
von Rom loslösten, als die Bischöfe (einige
ungarische ausgenommen) entweder offenkundig
mitwirkten oder, wie Kardinal Migazzi in Wien,
höchstens Bitten, niemals Rechtsverwahrungen
und pflichtmäßigen Widerstand vorzubringen
wagten, griff Rom selbst ein. Der Nuntius
Garrampi überreichte am 12. Dez. 1781 eine
Note. Darauf erfloß eine sehr entschiedene, zum
Teil sarkastische, jedenfalls jede Einmischung des
legitimen Kirchenoberhauptes durchaus ablehnende
Antwort am 19. Dez. desselben Jahres. Der Kaiser
faßte die Beschwerden des Papstes in fünf Punkte
zusammen und gab darauf artikuliert Antwort.
Auf den Vorwurf, daß die Klosterreformen
(d. i. Aufhebung usw.) der Religion, der Kirche
und dem Seelenheile gefährlich seien, sagte er,
„daß die Abstellung solcher Mißbräuche, welche
weder Grundsätze des Glaubens, weder den Geist
und die Seele allein betreffen, von dem römischen
Stuhle nimmermehr abhängen kann, indem solcher,
diese zween Gegenstände ausgenommen, nicht die
mindeste Gewalt im Staate haben kann, daß diese
mithin allein und ausschließend dem Landesfürsten
zustehe, welcher allein im Staate das Recht zu be-
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