Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

1455 
den Jsraeliten, was diese selbst nicht anfertigten; 
dieses Ubergewicht der Ureinwohner begann erst 
zu schwinden, als die Israeliten mehr und mehr 
den Handel selbständig in die Hand nahmen und 
die Kanaaniter davon zurückdrängten. 
Eine neue Zeit brach für Israel mit der Ein- 
führung des Königtums an. Mit ihm war eine 
starke Zentralgewalt gegeben, der es gelang, die 
lose verbundenen Stämme fester zusammenzu- 
schließen, das Land zu einer bedeutenden politischen 
Machtstellung emporzuheben und zugleich Israel 
in den damaligen Weltverkehr hineinzuziehen. Der 
Gang der Geschichte bestätigte es, daß damit ein 
gründlicher Umschwung im ganzen israelitischen 
Volksleben nach der wirtschaftlichen, sozialen und 
ethischen Seite angebahnt wurde. Schon infolge 
der glücklichen Kriege des Königs Saul gegen die 
Philister kam eine reiche Kriegsbeute ins Land. 
Neben der alten Einfachheit väterlicher Sitten 
entfaltet sich eine gewisse Prachtliebe, welche der 
jetzt emportauchende Kriegsadel zur Schau trägt. 
Das Land hat jetzt die Last eines stehenden Heeres, 
d. h. einer zahlreichen königlichen Leibwache zu 
tragen. Saul war ausschließlich Krieger. Für 
den Handel und die wirtschaftlichen Interessen hatte 
er kein Auge, und bei den unruhigen Zeitläufen 
fehlte ihm auch die Gelegenheit zu irgend welcher 
handelspolitischen Tätigkeit. Aber mit der Er- 
höhung der politischen Machtstellung, zu welcher 
die Israeliten unter dem Zepter Davids gelang- 
ten, erfolgte auch der Ubergang zu andern sozialen 
und ökonomischen Zuständen. Die Volkswirtschaft 
war ehedem von dem Prinzip der Autarkie 
beherrscht, und das Volk hatte sich wohl dabei be- 
funden. Die Erzeugnisse des eigenen Landes 
dienten in erster Linie den Bedürfnissen des eigenen 
Volkes. Export und Import waren von ganz 
nebensächlicher Bedeutung. Nunmehr vollzog sich 
der Übergang aus dem reinen Agrikulturstaate 
mit seiner Naturalwirtschaft in den Handelsstaat 
ziemlich rasch, vielleicht nur zu rasch und un- 
vermittelt. 
Durch David bekam der Handel einen kräftigen 
Impuls durch Eroberung wichtiger Handelsplätze 
am Roten Meere und der wichtigen Stadt Da- 
maskus. Schon die größere Ordnung und Sicher- 
heit, die unter seinem kraftvollen Zepter einkehrte, 
mußte die Entwicklung des Handels vorteilhaft 
beeinflussen. Die lange Friedenszeit, die nach 
Davids glücklichen Kriegen während seiner und 
seines Sohnes Regierung eintrat, war einer solchen 
Entwicklung günstig. Die zur Residenz erkorene 
Stadt Jerusalem wurde als Sitz eines glänzenden 
Hoflagers und als Zentrum des religiösen Kultes 
auch der Mittelpunkt eines regen Binnenhandels. 
Wessen die aufstrebende Hauptstadt zur Verschöne- 
rung an Baumaterial, Bauleuten und Architekten 
bedurfte, das lieferte das Handelsvolk der Phö- 
nizier und erhielt dafür als Entgelt die köstlichen 
Landesprodukte des Israeliten. So waren leben- 
dige Handelsbeziehungen mit den ersten 
Israeliten. 
  
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Kaufleuten damaliger Zeit eingeleitet. Unge- 
heure Mengen an Getreide und andern Naturalien 
wurden als Zahlungsmittel an die Phönizier ge- 
liefert, der Sinn des israelitischen Volkes für den. 
Handel erwachte, und der Getreidehandel nahm 
immer größere Dimensionen an. 
Was David begonnen, wurde durch Salomos 
Handelspolitik zum Abschluß gebracht: Israel er- 
öffnete sich dem geistigen und kommerziellen Welt- 
verkehr. Da der Friede während der langen Re- 
gierung dieses Königs keine ernstliche Störung 
erfuhr, konnte der Handel in ruhiger Entwicklung 
erstarken. Das Land erfreute sich großen Wohl- 
standes, der sich in einer reichlichen Lebenshaltung 
äußerte: „Von Dan bis Beerscheba saß jeder 
unter seinem Weinstocke und unter seinem Feigen- 
baume; man aß und trank und war fröhlich“" 
(3 Kön. 4, 20). 
Der König, der für Ordnung des Münzwesens 
und Verbesserung der Handelsstraßen Sorge trug, 
hielt es nicht unter seiner Würde, selbst aktiv am 
Handel teilzunehmen und besonders einträgliche 
Geschäftszweige der Krone vorzubehalten. Der 
Zwischenhandel mitägyptischen Rossen und Pracht- 
wagen nach den Euphratländern wurde königliches 
Monopol, zu dessen Sicherung ein regelrechter 
Handelsvertrag mit Agypten abgeschlossen wurde. 
Salomo wurde auch der Begründer der is- 
raelitischen Schiffahrt, die freilich nicht 
lange lebenskräftig blieb, aber ein deutlicher Beweis 
für die erwachte Unternehmungslust der Israeliten 
ist. Salomo rüstete in Verbindung mit seinem 
Handelsfreunde, dem Könige Hieram von Tyrus, 
eine Flotte aus, die von dem am Roten Meere 
gelegenen Hafen Ezjongeber aus die berühmten 
Ofirfahrten unternahm. 
Das hauptsächlichste Handelsobjekt, welches die 
Jeraeliten zumeist durch Vermittlung phönizischer 
Kaufleute ausführten, war das Getreide, insbe- 
sondere Weizen, an dem der palästinensische Boden 
so ergiebig war. Der Getreidehandel war, wenn- 
gleich von größter Bedeutung, dennoch nicht der 
einzige Weg, auf welchem Geld ins Land floß. 
Palästina lieferte auch ein ganz vorzügliches Ol, 
einen Wein von ausgezeichneter Qualität und den 
hochberühmten Balsam, Erzeugnisse, deren Export 
wieder meist phönizische Schiffe besorgten. Der 
Prophet Ezechiel apostrophiert die meerbeherr- 
schende Handelskönigin Tyrus in seiner plastischen 
Schilderung des palästinensisch-phönizischen Han- 
dels also: „Juda und das Land Israel waren 
deine Händler; Minnithweizen (nach einer Stadt 
im Lande der Ammaniter genannt) und Panaph 
(Datteln), Honig und Ol und Balsam geben sie 
dir zum Tausch“ (Ez. 27, 17). 
Die Heilige Schrift (3 Kön. 5, 11; 2 Par. 
2, 10) hat uns Zahlen aufbewahrt, die uns einen 
Begriff geben, von den gewaltigen Getreidemengen, 
die besonders während des Tempelbaues an König 
Hiram an Zahlungs Statt für Materialien und 
Bauleute abgeliefert wurden. Der Getreidebau
	        
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