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den Jsraeliten, was diese selbst nicht anfertigten;
dieses Ubergewicht der Ureinwohner begann erst
zu schwinden, als die Israeliten mehr und mehr
den Handel selbständig in die Hand nahmen und
die Kanaaniter davon zurückdrängten.
Eine neue Zeit brach für Israel mit der Ein-
führung des Königtums an. Mit ihm war eine
starke Zentralgewalt gegeben, der es gelang, die
lose verbundenen Stämme fester zusammenzu-
schließen, das Land zu einer bedeutenden politischen
Machtstellung emporzuheben und zugleich Israel
in den damaligen Weltverkehr hineinzuziehen. Der
Gang der Geschichte bestätigte es, daß damit ein
gründlicher Umschwung im ganzen israelitischen
Volksleben nach der wirtschaftlichen, sozialen und
ethischen Seite angebahnt wurde. Schon infolge
der glücklichen Kriege des Königs Saul gegen die
Philister kam eine reiche Kriegsbeute ins Land.
Neben der alten Einfachheit väterlicher Sitten
entfaltet sich eine gewisse Prachtliebe, welche der
jetzt emportauchende Kriegsadel zur Schau trägt.
Das Land hat jetzt die Last eines stehenden Heeres,
d. h. einer zahlreichen königlichen Leibwache zu
tragen. Saul war ausschließlich Krieger. Für
den Handel und die wirtschaftlichen Interessen hatte
er kein Auge, und bei den unruhigen Zeitläufen
fehlte ihm auch die Gelegenheit zu irgend welcher
handelspolitischen Tätigkeit. Aber mit der Er-
höhung der politischen Machtstellung, zu welcher
die Israeliten unter dem Zepter Davids gelang-
ten, erfolgte auch der Ubergang zu andern sozialen
und ökonomischen Zuständen. Die Volkswirtschaft
war ehedem von dem Prinzip der Autarkie
beherrscht, und das Volk hatte sich wohl dabei be-
funden. Die Erzeugnisse des eigenen Landes
dienten in erster Linie den Bedürfnissen des eigenen
Volkes. Export und Import waren von ganz
nebensächlicher Bedeutung. Nunmehr vollzog sich
der Übergang aus dem reinen Agrikulturstaate
mit seiner Naturalwirtschaft in den Handelsstaat
ziemlich rasch, vielleicht nur zu rasch und un-
vermittelt.
Durch David bekam der Handel einen kräftigen
Impuls durch Eroberung wichtiger Handelsplätze
am Roten Meere und der wichtigen Stadt Da-
maskus. Schon die größere Ordnung und Sicher-
heit, die unter seinem kraftvollen Zepter einkehrte,
mußte die Entwicklung des Handels vorteilhaft
beeinflussen. Die lange Friedenszeit, die nach
Davids glücklichen Kriegen während seiner und
seines Sohnes Regierung eintrat, war einer solchen
Entwicklung günstig. Die zur Residenz erkorene
Stadt Jerusalem wurde als Sitz eines glänzenden
Hoflagers und als Zentrum des religiösen Kultes
auch der Mittelpunkt eines regen Binnenhandels.
Wessen die aufstrebende Hauptstadt zur Verschöne-
rung an Baumaterial, Bauleuten und Architekten
bedurfte, das lieferte das Handelsvolk der Phö-
nizier und erhielt dafür als Entgelt die köstlichen
Landesprodukte des Israeliten. So waren leben-
dige Handelsbeziehungen mit den ersten
Israeliten.
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Kaufleuten damaliger Zeit eingeleitet. Unge-
heure Mengen an Getreide und andern Naturalien
wurden als Zahlungsmittel an die Phönizier ge-
liefert, der Sinn des israelitischen Volkes für den.
Handel erwachte, und der Getreidehandel nahm
immer größere Dimensionen an.
Was David begonnen, wurde durch Salomos
Handelspolitik zum Abschluß gebracht: Israel er-
öffnete sich dem geistigen und kommerziellen Welt-
verkehr. Da der Friede während der langen Re-
gierung dieses Königs keine ernstliche Störung
erfuhr, konnte der Handel in ruhiger Entwicklung
erstarken. Das Land erfreute sich großen Wohl-
standes, der sich in einer reichlichen Lebenshaltung
äußerte: „Von Dan bis Beerscheba saß jeder
unter seinem Weinstocke und unter seinem Feigen-
baume; man aß und trank und war fröhlich“"
(3 Kön. 4, 20).
Der König, der für Ordnung des Münzwesens
und Verbesserung der Handelsstraßen Sorge trug,
hielt es nicht unter seiner Würde, selbst aktiv am
Handel teilzunehmen und besonders einträgliche
Geschäftszweige der Krone vorzubehalten. Der
Zwischenhandel mitägyptischen Rossen und Pracht-
wagen nach den Euphratländern wurde königliches
Monopol, zu dessen Sicherung ein regelrechter
Handelsvertrag mit Agypten abgeschlossen wurde.
Salomo wurde auch der Begründer der is-
raelitischen Schiffahrt, die freilich nicht
lange lebenskräftig blieb, aber ein deutlicher Beweis
für die erwachte Unternehmungslust der Israeliten
ist. Salomo rüstete in Verbindung mit seinem
Handelsfreunde, dem Könige Hieram von Tyrus,
eine Flotte aus, die von dem am Roten Meere
gelegenen Hafen Ezjongeber aus die berühmten
Ofirfahrten unternahm.
Das hauptsächlichste Handelsobjekt, welches die
Jeraeliten zumeist durch Vermittlung phönizischer
Kaufleute ausführten, war das Getreide, insbe-
sondere Weizen, an dem der palästinensische Boden
so ergiebig war. Der Getreidehandel war, wenn-
gleich von größter Bedeutung, dennoch nicht der
einzige Weg, auf welchem Geld ins Land floß.
Palästina lieferte auch ein ganz vorzügliches Ol,
einen Wein von ausgezeichneter Qualität und den
hochberühmten Balsam, Erzeugnisse, deren Export
wieder meist phönizische Schiffe besorgten. Der
Prophet Ezechiel apostrophiert die meerbeherr-
schende Handelskönigin Tyrus in seiner plastischen
Schilderung des palästinensisch-phönizischen Han-
dels also: „Juda und das Land Israel waren
deine Händler; Minnithweizen (nach einer Stadt
im Lande der Ammaniter genannt) und Panaph
(Datteln), Honig und Ol und Balsam geben sie
dir zum Tausch“ (Ez. 27, 17).
Die Heilige Schrift (3 Kön. 5, 11; 2 Par.
2, 10) hat uns Zahlen aufbewahrt, die uns einen
Begriff geben, von den gewaltigen Getreidemengen,
die besonders während des Tempelbaues an König
Hiram an Zahlungs Statt für Materialien und
Bauleute abgeliefert wurden. Der Getreidebau