Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

1491 
sachen) bestehen Untersuchungskommissionen, Terri- 
torialmilitärgerichte und der höchste Krieg= und 
Marinegerichtshof in Rom. 
Orden. Der höchste Orden ist der des Hals- 
bandes der Annunziata für hervorragende Ver- 
dienste in hohen militärischen und bürgerlichen 
Stellungen. Die Zahl seiner Mitglieder ist auf 
20 beschränkt. Ferner bestehen die Orden vom 
hl. Mauritius und Lazarus zur Belohnung bürger- 
licher und militärischer Dienstleistungen, wissen- 
schaftlicher, literarischer und künstlerischer Ver- 
dienste (verschiedene Klassen von Dekorationen), 
der Militärorden von Savoyen (fünf Klassen von 
Dekorationen), der Zivilorden von Savoyen (1831 
gegründet), der Orden der Krone Italiens. Da- 
neben bestehen Medaillen für Zivil- und Militär- 
verdienste. 
Das Wappen Jtaliens besteht aus einem 
breiten silbernen Kreuz in rotem Felde, von der 
Kette des Annunziatenordens mit daran hängendem 
Ordenszeichen und von einem goldenen Eichen- 
und einem Lorbeerzweig umgeben. Die Flagge 
besteht aus drei vertikalen Streifen (Rot, Silber, 
Grüz; im mittleren ein roter Schild mit silbernem 
reuz. 
IV. Religion und Anterrichk. Der Reli- 
gion nach sind die Staatsangehörigen fast durch- 
weg Katholiken (nach der Zählung von 1901: 
31 539 863 = 97,12 %). Die Zahl der Pro- 
testanten betrug im gleichen Jahre 65 595 (zwei 
Fünftel in Piemont, ferner in Ligurien, Tos- 
kana, Rom, Kampanien, Sizilien, Venezien), die 
der Griechisch-Orthodoxen 2472 (Sizilien, Rom, 
Venedig, Genua), die der Israeliten 35 617 (ein 
Fünftel in Rom, ein Sechstel in Toskana, ferner 
in Turin, Mailand, Florenz, Livorno, Mantua 
usw.); der Rest (2,56 %) gehört keiner Konfession 
an oder hat die Angabe verweigert. Für die katho- 
lische Kirche bestehen 51 Erzbistümer, 225 Bis- 
tümer und, von Monte Oliveto abgesehen, 11 Ab- 
teien mit bischöflicher Jurisdiktion, im ganzen 
286 Sprengel, von denen 11 einem benachbarten 
Bischof zu immerwährender Verwaltung übertra- 
gen sind. In neuerer Zeit gingen Hand in Hand 
mit den Einigungsbestrebungen antikirchliche Ten- 
denzen, die seit der Einigung auch in der Gesetz- 
gebung Ausdruck fanden, so daß die schon durch 
die Einnahme Roms geschaffene feindliche Stel- 
lung des Staates zur Kirche noch verschärft wurde 
(s. d. Art. Papsttum). Cavours Lieblingsidee war 
die völlige Trennung der Kirche vom Staate; 
diese wurde aber nicht durchgeführt, und der Staat 
hat sich zu wiederholten Malen Übergriffe in 
wichtige Rechte der Kirche erlaubt. Im Jahre 
1860 wurden die bestehenden Konkordate auf- 
gehoben; es wurde die kirchliche Gerichtsbarkeit 
beseitigt, den Geistlichen die Befreiung vom 
Militärdienst entzogen, die obligatorische Zivil- 
ehe und die konfessionslose Schule eingeführt 
(1860/63). An den Universitäten wurden 1873 
die theologischen Fakultäten aufgehoben. Der 
Italien. 
  
1492 
Staat nimmt die Einnahmen und die Verwal- 
tung vakanter Benefizien in Anspruch; nur in 
Rom und den suburbikarischen Sitzen ist dies 
noch nicht geschehen. Die bischöflichen Seminare 
hingegen sind von der Einmischung der Regie- 
rung nahezu frei; von jeder Staatsaufsicht be- 
freit sind die kirchlichen Erziehungs= und Bil- 
dungsanstalten in Rom und den suburbikarischen 
Sitzen. Die Pfarrer leisten nach der Wahl 
dem Könige den Eid; die Bischöfe aber sind zu 
demselben nicht verpflichtet. Durch die Gesetze 
vom 7. Juli 1866, vom 15. Aug. 1867 und (für 
Rom) vom 19. Juni 1873 wurden die regulären 
und säkularen Orden, die religiösen Korporationen 
und Kongregationen, mit Ausnahme einiger 
wenigen für Krankenpflege und Unterricht und 
einzelner Orden Roms, aufgehoben und ihre 
Güter konfisziert. Das Kirchenvermögen wurde 
1870 mit Ausnahme der liegenden Güter der 
Pfarreien in 5 %/%ige Staatsrente konvertiert 
und einer „Steuer der toten Hand“ (als Er- 
satz für die Erbsteuer) von 4 % der Einnahmen 
unterworfen. Außerdem zahlt das Kirchenver- 
mögen mit Ausnahme desjenigen der Pfarreien 
eine außerordentliche jährliche Abgabe von 30 % 
der Einnahmen (Gesetz von 1867). Die Bischöfe 
und Pfarrer können die geistliche Gewalt auch 
ohne königliches Exequatur ausüben, bedürfen 
aber desselben zur Besitzergreifungdes Benefiziums. 
Seit dem 7. Juli 1866 trat an die Stelle der 
aufgehobenen Kirchenkassen der Kultusfonds, dem 
das Vermögen der aufgehobenen Klöster zufloß; 
derselbe ist vom Staatsvermögen getrennt, steht 
unter autonomer Verwaltung und soll zu Kultus-, 
Wohltätigkeits= und Unterrichtszwecken verwendet 
werden. 
Die weitaus größere und reichere Zahl der 
Wohltätigkeitsanstalten sind fromme 
Stiftungen kirchlichen Charakters und standen bis 
1890 unter der Leitung der Kirche. Durch Gesetz 
vom 17. Juli 1890 wurde die Verwaltung der 
frommen Stiftungen (opere pie) der Kirche ent- 
zogen, den Gemeinden übergeben und unter staat- 
liche Aufsicht gestellt. Den Geistlichen wurde nicht 
einmal das Recht zugestanden, in die Verwal- 
tungsausschüsse für die Wohltätigkeitsanstalten 
gewählt zu werden. Dabei mußten mehrere Arten 
dieser Stiftungen, z. B. solche für Verherrlichung des 
Kultus, ihrVermögen zuandern Zwecken estimmen. 
Das Schulwesen wurde im wesentlichen durch 
das sog. Casatigesetz vom 13. Nov. 1859, das in 
den wesentlichen Bestimmungen auch in den später 
hinzugetretenen Landesteilen eingeführt wurde, ge- 
regelt. Die Zentralbehörden für den Unterricht 
sind: 1) das Ministerium des öffentlichen Unter- 
richts, 2) der Oberunterrichtsrat, dessen Mit- 
glieder zur Hälfte gewählt, zur Hälfte vom Könige 
ernannt werden, 3) der obere Rat für den indu- 
striellen und professionellen Unterricht, 4) das 
Zentralprovisoriat mit der Zentralinspektion für 
den Sekundär= und Primärunterricht, für Normal-
	        
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