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Worten, derlei „Unionsvorschläge würden so
lange Träume bleiben, als er den kameralistisch-
religiösen protestantischen Fürsten nicht zeigen
könne, daß sie dabei gewännen; eine Lotterie von
einigen hundert reichen Abteien würde eher ihren
Beifall finden“. Lessing nennt das Werk ge-
radezu „eine unverschämte Schmeichelei gegen die
Fürsten"“. In dem Verbot des Buches durch
Maria Theresia (1780) heißt es: „Je we-
niger man aus dieser Sache machen wird, je eher
wird selbe von sich aufhören, indem in unsern
Zeiten nicht mehr zu fürchten ist, daß der römische
Stuhl den weltlichen Fürsten zu nahe trete, wohl
aber selbe zu viel in das geistliche Wesen und
Religionssätze und Verehrung des Hauptes der
Kirche sich einmischen, woraus die übelsten Folgen
entstehen werden“ (Klink, Gesch. der kirchlichen
Universität zu Wien 1 531).
Was den Inhalt des „Febronius“ angeht,
so charakterisiert sich das Werk als ein auf die
Untergrabung der päpstlichen Autorität, auf die
antikirchliche Uberspannung der Bischofsgewalt
und die Rechtfertigung des zeitgenössischen Staats-
kirchentums zielendes Pamphlet; es teilt die schis-
matische Grundtendenz des Gallikanismus und ist
in einzelnen Punkten noch über denselben hinaus-
gegangen. Nach dem 1. Kapitel soll Christus der
Herr die Fülle der kirchlichen Gewalt nicht dem
Petrus, sondern der Gesamtheit der Kirche über-
tragen haben; nur ihr, nicht dem Papst allein
soll die Unfehlbarkeit zustehen, Petrus dagegen
nur der primus inter pares apostolos gewesen
sein. So weit, bis zur Leugnung des ius divi-
num (S.672) des Primats der römischen Bischöfe,
waren weder Gerson noch Bossuet gegangen. Nach
Febronius hätte nicht Petrus die Gewalt von
Christo erhalten, seine Herde zu leiten, sondern
umgekehrt, die Herde hätte den Auftrag erhalten,
den Hirten zu weiden. Die Verfassung der Kirche
wäre keine monarchische, sondern eine republika-
nische, wie Febronius allerdings im Gegensatz zur
Lehre der Heiligen Schrift, der Tradition und
Kirche lehrte (ogl. Febron. abbrev.c. 1, 810). —
Im 2. Kapitel gibt Febronius die Rechte des Pri-
mats dahin an, daß der Papst, obwohl nur ex
iure ecclesiastico zum primus inter pares
episcopos bestellt, die Einheit der Kirche durch
Beaufsichtigung, durch Abordnung von Legaten
nach allen Teilen des Erdkreises, durch Einschär-
fung der bestehenden Kirchengesetze und Vorschlag
von neuem aufrecht zu erhalten habe. — Das
3. Kapitel führt aus, wie die Päpste diese Rechte
im Lauf der Zeiten, namentlich durch die pseudo-
isidorischen Dekretalen, immer weiter ausgedehnt
hätten, wobei Hontheim ganz unberücksichtigt läßt,
daß diese Sammlung nicht von Rom ausgegangen
ist noch auch das Kirchenrecht oder die Verfassung
der Kirche wesentlich umgestaltet hat. — Das
4. Kapitel versucht den Nachweis, daß in Glau-
benssachen auch die Provinzialkonzilien ein Urteil
zu geben und die vom Papst verworfenen Lehren
Febronianismus.
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nochmals zu prüfen berechtigt wären. — Das
5. Kapitel legt dar, daß der Papst allein für sich
weder in Glaubenssachen eine inappellable Ent-
scheidung geben noch auch in Sachen der Diszi-
plin verpflichtende Gesetze aufstellen könne; die
Gültigkeit der päpstlichen Dekrete soll abhängig
sein von der Annahme derselben durch die Gläu-
bigen — ein Grundsatz, der nicht einmal auf die
Zivilgesetze, noch viel weniger auf die Kirchen-
gesetze Anwendung finden kann. — Im 6. Kapitel
werden die Rechte der allgemeinen Konzilien nach
gallikanischen Grundsätzen übertrieben, indem ihre
Beschlüsse nicht der Approbation des Papstes
unterstehen sollen. Das Recht zur Berufung der-
selben und das des Vorsitzes auf denselben wird
nicht ausschließlich dem Papste zuerkannt; das
letztere nur insofern, als er auf denselben seine
Meinung auszusprechen berechtigt sein soll. —
Das 7. Kapitel enthält die irrigen Behauptungen
Hontheims über die bischöfliche Gewalt. Er meint
nicht nur (im Gegensatz zu dem, was er im
1. Kapitel über den Primat aufgestellt hat), daß
den Bischöfen die Jurisdiktionsgewalt ex jure
divino zustehe, sondern auch, daß alle Bischöfe,
mit Einschluß des römischen, eine ganz gleiche
Gewalt hätten, weil alle Nachfolger der gleich-
berechtigten Apostel und diesen ganz gleich seien.
Über den ersten Punkt wird allerdings gestritten,
ob den Bischöfen die Jurisdiktionsgewalt un-
mittelbar von Gott verliehen werde, d. i. ex jure
divino, oder mittelbar durch den Papst, d. i. ex
iure ecclesiastico. Aber die Apostel haben
sicher unmittelbar von Christo ihre Gewalt er-
halten, und zwar eine für die ganze Welt, im
Unterschied von ihren Nachfolgern, den Bischöfen,
die von den Aposteln nur für bestimmte und be-
schränkte Distrikte oder Diözesen angestellt wurden,
wie Titus für Kreta, Timotheus für Ephesus usw.
— Das 8. Kapitel hat die verschiedenen Freiheiten
der Kirchen zum Inhalt, zu welchen Hontheim
vornehmlich die Freiheit von dem Einfluß des
Papstes rechnet, nicht minder auch die appellatio
ab abusu und das placetum regium, welche er
im 9. Kapitel zu rechtfertigen sucht, aber weder
durch Zeugnisse aus der alten Zeit, auf welche
Febronius sonst immer zurückgreift, begründen
noch auch mit der von Christo angeordneten
Selbständigkeit der Kirche auf ihrem Gebiet in
Einklang bringen kann. Zum Schluß werden
verschiedene Mittel angegeben, um die Rechte des
Papstes wieder einzuschränken; namentlich sollen
die allgemeinen und Nationalsynoden dazu helfen;
ja selbst die weltlichen Fürsten werden aufgefor-
dert, hilfreiche Hand zu leisten.
In der Einschränkung der Primatialrechte des
Papstes ging also Febronius noch weiter als der
Gallikanismus, und in betreff der angeblichen
Macht des Staates über kirchliche Angelegenheiten
erneuerte er die Irrtümer desselben, welche auf
eine Staatsomnipotenz hinzielten und die Kirche
nur als eine der staatlichen Polizeigewalt unter-