Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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das dann noch vorhandene Vermögen unter die 
letzten Mitglieder verteilt. Im übrigen richten sich 
die Verhältnisse der Mitglieder untereinander zu- 
nächst nach dem Statut, und soweit dieses keine 
Bestimmungen enthält, nach den für Korpora- 
tionen (s. unten) geltenden Vorschriften. Nach außen 
hin haben die Gesellschaften gesetzlich der Regel 
nach — mit Ausnahme der reichsgesetzlichen ein- 
getragenen Genossenschaften (Gesetz vom 1. Mai 
1889), der Gesellschaften mit beschränkter Haftung 
(Gesetz vom 20. April 1892), der Versicherungs- 
vereine auf Gegenseitigkeit (Gesetz vom 12. Mai 
1901) und der preußisch-rechtlichen freien Wasser- 
genossenschaften (Gesetz vom 1. April 1870) — als 
solche gar keine Rechte. Sie erscheinen nicht als 
Einheiten; in allen Gesellschaftsangelegenheiten 
müssen die derzeitigen Mitglieder gemeinschaftlich 
handeln, unbeschadet jedoch ihres Rechts, durch 
Statut oder Beschluß Vertreter zu bestellen, welche 
dann nicht für die Gesellschaft als solche, son- 
dern immer nur für die derzeitigen einzelnen 
Mitglieder handeln. Den Gläubigern der Gesell- 
schaft haften, außer dem Gesellschaftsvermögen, 
die Handelnden einer für alle und alle für einen. 
Die nicht handelnden Mitglieder aber haften der 
Regel nach nur gemeinschaftlich, d. i. pro rataz aus- 
genommen sind die oben bezeichneten Gesellschaften 
insofern, als die Mitglieder den Gläubigern nicht 
unmittelbar, sondern nur der Gesellschaft, be- 
schränkt oder unbeschränkt mit ihrem Vermögen 
oweit haften, als zur Deckung der Gesellschafts- 
chulden erforderlich ist; nur bei den Genossen- 
chaften mit unbeschränkter oder mit beschränkter 
Hastung haften sie den Gesellschaftsgläubigern im 
Falle des Konkurses unmittelbar, und zwar einer 
für alle. Hierin liegt wieder ein Unterschied gegen- 
über den reinen Privatgesellschaften, während bei 
den Korporationen kein Mitglied mit seinem 
Privatvermögen unmittelbar für die Korpora- 
tionsschulden haftet. Zu bemerken ist übrigens, 
daß die neuere Praxis der Gerichte allmählich 
dahin neigte, wenigstens für die Prozeßführung 
die erlaubte Gesellschaft als Partei gelten zu 
lassen, so daß sie unter dem Namen der Ge- 
sellschaft klagen und verklagt werden könne; ja 
man ist gemeinrechtlich so weit gegangen, anzu- 
nehmen, daß die Gesellschaft als solche auch Rechte 
erwerben und Verpflichtungen eingehen könne 
(Zivilentscheidungen des Reichsgerichts IV 155, 
VIII 121). Für vereinzelte solcher Gesellschaften 
ist dieses in neuester Zeit sogar gesetzlich sanktio- 
niert. Dieser Auffassung gemäß ist der Unter- 
schied zwischen erlaubten Gesellschaften und Kor- 
porationen in wesentlichen Punkten vermischt. 
Eigentümlich bleibt den ersteren nur noch, daß 
die Gläubiger auch an das Privatvermögen der 
Gesellschafter sich halten können, und daß das 
bei der Auflösung der Gesellschaft vorhandene 
Vermögen unter die derzeitigen Gesellschafter 
verteilt wird. Da solche Verteilung aber auch bei 
Korporationen durch Statut oder Gesetz vorge- 
  
  
Juristische Personen. 
  
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sehen werden kann, so bleibt als wesentlicher 
Unterschied nur die persönliche Haftung der Mit- 
glieder der erlaubten Gesellschaften den Gesell- 
schaftsgläubigern gegenüber. 
Die Errichtung erlaubter Privatgesellschaften 
bedurfte keiner besondern Genehmigung des 
Staates, unterlag vielmehr lediglich dem Ge- 
setze. Die Bestimmungen über das Vereinswesen 
unterstehen der Gesetzgebung des Deutschen Reichs 
(Reichsverf. Art. 4, Nr 16) und sind nunmehr 
geregelt durch das Reichsvereinsgesetz vom 19. April 
1908. Schon vorher betroffen wurde von der 
Reichsgesetzgebung durch das Gesetz vom 4. Juli 
1872 der Orden der Gesellschaft Jesu, sowie 
durch das bis zum 30. Sept. 1890 in Kraft ge- 
wesene Gesetz vom 21. Okt. 1878 (Sozialisten- 
gesetz) die Vereinigungen der Sozialdemokratie. 
Außerdem hatte die Furcht vor der katholischen 
Kirche dazu geführt, die Orden und ordensähn- 
lichen Kongregationen vom Gebiete der meisten 
Bundesstaaten auszuschließen, bzw. soweit die- 
selben nur der Krankenpflege sich widmeten, unter 
die erschwerendste staatliche Aufsicht zu stellen. 
3. Die anerkannten Gesellschaften sind die 
Korporationen. Sie sind eine Art der 
juristischen Personen. Die Verleihung der Kor- 
porationsrechte setzt immer voraus, daß die Ver- 
einigung zu einem bestimmten fortdauernden ge- 
meinnützigen Zwecke erfolgt ist. Der Fortbestand 
der Korporation ist, wie bei der erlaubten Gesell- 
schaft, unabhängig von der Mitgliedschaft be- 
stimmter Personen. Sie besteht also des Wechsels 
der Mitglieder ungeachtet fort, solange nur noch 
wenigstens ein Mitglied derselben vorhanden ist. 
Die wesentlichste Bedeutung der Korporations-= 
rechte ist, daß der Personenverein nach außen als 
eine einheitliche Person angesehen wird, welche als 
solche Rechte erwerben und Verbindlichkeiten ein- 
gehen kann mit der Wirkung, daß die Mitglieder 
als solche keinen Teil an den Rechten erwerben 
und mit ihrem Privatvermögen dritten gegenüber 
niemals für die Verbindlichkeiten des Vereins auf- 
zukommen brauchen. Nach außen hin ist also die 
Person der Korporation vollständig getrennt ge- 
dacht von den Mitgliedern derselben. Auch nach 
innen ist diese Trennung insofern festgestellt, als 
die Mitglieder der Regel nach keinerlei Eigentums- 
recht und keine Art von Miteigentum an dem Ver- 
mögen der Korporation haben, ihnen vielmehr nur 
gewisse Nutzungsrechte oder Anteile an den Ein- 
künften zustehen können. Für den Fall der Auf- 
lösung der Korporation fällt das Korporations- 
vermögen als herrenloses Gut an den Staat, so- 
fern nicht Spezialgesetze ein anderes bestimmen, 
und unbeschadet der Rechte Dritter. 
Bei der Prozeßführung sind die Mitglieder 
völlig unbeteiligt; die Korporation wird durch 
ihre Organe, die Vorsteher, gesetzlich ver treten. 
Die Organe der Gesellschaft für die gesamte Ver- 
tretung derselben bei Rechtsgeschäften und in Pro- 
zessen sowie den Verwaltungsbehörden gegen-
	        
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