1535 Kabinett usw. 1536
Bundesstaate „auf gesetzlichen Wegen ausreichende sein mildernder Umstände mit Gefängnis von
Hilfe nicht erlangt werden kann“. Hiernach muß 1 Monat bis 5 Jahren) bestraft wird, wenn er
jedenfalls der landesherrliche Instanzenzug bei den in der Absicht, jemand der gesetzlichen Strafe
dem schuldigen Gericht vorgesetzten Aufsichtsbehör= rechtswidrig zu entziehen, die Verfolgung einer
den vorher erschöpft sein. Wenn der Landtag be= strafbaren Handlung unterläßt. Ist durch die
rufen ist, Beschwerden gegen den Bescheid der Justizverweigerung ein Schaden entstanden, so ist
obersten Justizaufsichtsbehörde anzunehmen, so der Beamte nach Maßgabe des § 839 des B.G.B.
wird auch der Landtag um Hilfe anzugehen sein, dem Beschädigten zum Ersatz des Schadens ver-
ehe ein Anrufen des Reichs zulässig ist; dagegen pflichtet, es wäre denn, daß auf Grund des Art.
wird man die bloße Zulassung eines Bittgesuches 77 des Einf. Ges. zum B.G. B. die Haftung des
an den Landtag oder Landesherrn als „gesetzlichen Staates für diesen Schaden landesgesetzlich vor-
Weg“ im Sinne jener Bestimmung nicht betrachten geschrieben würde; letzteres ist z. B. in Bayern,
dürfen. — 2) Zur Entscheidung über die erhobene Württemberg, Baden geschehen.
Beschwerde berufen ist der Bundesrat. Eine Mit= II. Landesrechtlich geregelt ist außer der
wirkung des Reichstags ist nicht vorgesehen. — 1 eben erwähnten Haftfrage die Zuständigkeit und
3) Die Aufgabe des Bundesrates ist eine zwei= das Verfahren der Justizverwaltungsbehörden für
fache: a) Er hat „nach der Verfassung und den Beschwerden wegen Justizverweigerung. Meistens
bestehenden Gesetzen des betreffenden Bundes= kommen lediglich die allgemeinen Vorschriften über
staates“, zu welch letzteren auch die in dem Bundes= Ausübung der Dienstaufsicht und Verhängung von
staate geltenden reichsrechtlichen Bestimmungen ge-Disziplinarstrafen zur Anwendung. Besondere
hören, also lediglich nach Rechtsgrundsätzen darüber Bestimmungen enthält z. B. das bayrische Ausf.=
zu entscheiden, ob die Beschwerde tatsächlich und Ges. zum R.G.V.G. vom 23. Febr. 1879,
rechtlich begründet ist. b) Findet der Bundesrat Art. 73. 74; danach kann der wegen Verzögerung
die Beschwerde für begründet, so hat er bei der der Rechtspflege angerufene Gerichtsvorstand oder
betreffenden Bundesregierung „die gerichtliche Hilfe die vorgesetzte Justizverwaltungsbehörde Zwangs-
zu bewirken“; er hat also nicht in der Rechtssache strafen bis zu 100 M verhängen, wenn der Auf-
selbst zu erkennen, sondern die Entscheidung des forderung zur Hebung der Beschwerde nicht Folge
zuständigen Landesgerichts herbeizuführen oder geleistet wird.
üir den Vollzug di schei kr
für den Bollzug dieser Entscheidung zu orgen. Literatur. Rechtsgeschichte: Cohn J. im
Der Bundesrat ist nicht auf eine bloße „Verwen-
dung“ bei der betreffenden Regierung (Kompetenz-
bestimmung der Bundesversammlung vom 12. Juni
1817) angewiesen; seine Entscheidung, daß die
Versagung der Rechtspflege gesetzwidrig sei, ist
für das in Betracht kommende Landesgericht bin-
dend, und letzteres muß, sofern äußere Hindernisse
seiner Tätigkeit entgegengestellt werden, im Wege
der Reichsexekution (Reichsverf. Art. 19) in seiner
Wirksamkeit geschützt werden. Eine allgemeine
kriminelle Strafbestimmung gegen Justizverwei-
gerung besteht nicht; nur bei Strafsachen kann
eine Justizverweigerung unter Umständen den
Tatbestand eines Amtsverbrechens im Sinne des
#§ 346 des R. Str. G. B. erfüllen, wonach ein Be-
amter, welcher vermöge seines Amtes bei Aus-
übung der Strafgewalt mitzuwirken hat, mit
Zuchthaus von 1 bis 5 Jahren (beim Vorhanden-
altdeutschen Recht (1876); J. J. Moser, Teutsche
Justizverfassung 1 (1774) 912 ff; Klüber, OÖffent-
liches Recht des Teutschen Bundes (I(1840) § 169;
Zöpfl, Grundsätze des gemeinen deutschen Staats-
rechts (6(1863) 8§ 156 a; Zachariä, Deutsches Staats-
u. Bundesrecht (31867) § 281. Erkenntnis des
ceramtsgerichts Lübeck vom 19. April 1845
(Seufferts Archiv V. Nr 85).
Geltendes Recht: Hänel, Deutsches Staats-
recht (1892) § 126; v. Seydel, Kommentar zur
Verfassungsurkunde für das Deutsche Reich (21897)
410; Laband, Staatsrecht des Deutschen Reichs
1 1901) § 25, S. 245; Arndt, Staatsrecht des
Deutschen Reichs (1901) § 18, S. 14; Georg
Meyer, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, 6. Aufl.
von Anschütz (1905) § 212, S. 786. Urteil der
vereinigten Zivilsenate des Reichsgerichts vom
vom 8. Juli 1889 (Entscheidung in Zivilsachen
24, S. 408). Gröber.]
K.
Kabinett, Kabinettsorder, Kabi-
nettsjustiz. Kabinett in staatsrechtlichem Sinne
ist diejenige Behörde, welche die von dem Staats-
oberhaupte persönlich zu erledigenden Angelegen-
heiten (Kabinettsbefehle) zu bearbeiten und gegen-
zuzeichnen hat. Die Bezeichnung ist von dem
Arbeitsraume auf die in demselben tätige Behörde
übertragen. Der Ausdruck ist aus Frankreich über-
nommen, unter dessen Königen das cabinet du roi
als besondere Behörde für deren Privatangelegen-
heiten von dem conseil du cabinet für die Staats-
angelegenheiten geschieden war. In England ist
das cabinet council keine selbständige Behörde,
sondern ein engerer Ausschuß des Ministeriums
und des geheimen Rates, welcher für jede Sitzung
besonders berufen wird. In Deutschland wurden