1543
princeps, über Krieg und Frieden zu entscheiden,
Bündnisverträge abzuschließen, überhaupt die
völkerrechtlichen Beziehungen zu unterhalten. —
2) Der Kaiser wurde durch Wahl Mitglied sämt-
licher hohen Priesterkollegien in Rom und Vor-
stand des höchsten und einflußreichsten Priester-
follegiums, der pontifices: pontifex maximus.
Als oberster Priester hatte der Kaiser die Aufsicht
über das gesamte Religionswesen und das Recht
der Priesterernennung; er war Herr der Welt
und zugleich Herr aller im Reiche aufgenommenen
Religionen. Die hohe Bedeutung dieser Stellung
und der aus ihr für das Kaisertum sich ergeben-
den religiösen Weihe spricht sich darin aus, daß
der Titel pontifex maximus stets den ersten
Platz in der kaiserlichen Titulatur einnimmt.
Diese Vereinigung der höchsten weltlichen und
geistlichen Gewalt änderte sich prinzipiell auch
nicht unter Konstantin d. Gr., da derselbe Titel
und Amt eines pontifer maximus beibehielt,
auf diese Würde nur bezüglich der Christen ver-
zichtete und sich als Bischof der Heiden bezeich-
nete. — 3) Die höchste und freieste Magistratur,
welche mit dem Prinzipat verknüpft war, ist die
tribunicia potestas, welche, anknüpfend an das
Amt der Volkstribunen mit ihrem fast schranken-
losen Verbietungsrecht gegenüber der gesamten
Magistratur und ihrer schrankenlosen Schutzge-
walt zugunsten aller Bedrückten, noch über diese
Gewalt insofern hinausging, als sie zeitlich und
räumlich unbeschränkt und von der Interzessions-
befugnis anderer Volkstribunen befreit war. Er-
teilt wurde sie durch ein besonderes Gesetz, welches
an einigen Stellen als lex regia bezeichnet wird.
— 4) Von den andern republikanischen Amtern,
welche die Kaiser außerdem vielfach übernahmen,
sind in der kaiserlichen Titulatur nur das Kon-
sulat und die Zensur zum Ausdrucke gekommen.
Nach dem Aufhören der Zensur ist das Recht,
Patrizier und Senatoren zu ernennen, dem
Prinzipat verblieben.
C. Das römische Kaisertum deutscher Na-
tion (962/1806). I. Die Erneuerung des römi-
schen Kaisertums im Mittelalter ist ein Werk der
Päpste, welche in dem Besitze Roms eines Schutzes
bedurften, den ihnen das in Italien machtlos
gewordene und religiöser Spaltung zuneigende
byzantinische Kaisertum nicht mehr gewähren
konnte. Das neue Kaisertum wird verliehen vom
Papste durch Salbung und Krönung; es ist nichts
anderes als ein kirchliches Amt: Pflicht und Recht
der Schirmvogtei über die katholische Kirche (ad-
vocatia ecclesiae). Den Beschützer der Kirche
zu wählen, konnte nur dem Papste als dem Haupte
der Kirche und damit der ganzen christlichen
Völkerfamilie zustehen, und in dieser Wahl war
der Papst frei, mochte auch die Aufgabe des
Kaisers nur einen durch persönliche Tüchtigkeit
und durch Machtbesitz hervorragenden katholischen
Fürsten als zur Erwählung geeignet erscheinen
lassen. Im ersten Jahrhundert der neugeschaffenen
Kaiser.
1544
Kaiserwürde wechselte denn auch die Kaiserwahl
zwischen Fürsten von Frankreich, Deutschland
und Italien (ugl. A); erst seit Otto d. Gr. bil-
dete sich ein Gewohnheitsrecht, wonach die deut-
schen Könige die allein berechtigten Bewerber um
die römische Kaiserkrone waren, und bis zum
Erlöschen des römischen Kaisertums ist alsdann
die Kaiserkrone bei den deutschen Königen ge-
blieben. Diese Neuschöpfung hieß das „Heilige
römische Reich deutscher Nation“ (Sacrum Im-
perium Romanorum JNationis Germaniae).
Wenn der Erkorene der deutschen Fürsten in
Aachen zum deutschen Könige und in Pavia,
Monza oder Mailand mit der eisernen Krone
zum Könige der Lombardei gekrönt war, zog er zu
den Gräbern der Apostelfürsten, um die dritte
und vornehmste Krone, die kaiserliche, zu emp-
fangen. Wenige Notfälle abgerechnet, fand die
Kaiserkrönung immer in Rom und durch den
Papst in Person statt; während der päpstliche
Stuhl sich in Avignon befand, wurden die deut-
schen Könige in Rom durch einen vom Paypste be-
sonders bevollmächtigten Kardinal gekrönt. Doch
war die Verbindung des römischen Kaisertums
mit dem deutschen Königtume keine rechtlich not-
wendige: das Reich konnte seinen König haben,
hatte aber darum doch noch nicht einen Kaiser;
den zum Kaisertume berechtigten König erhielt es
durch die Wahl, den Kaiser selbst durch die
Krönung seitens des Papstes. Otto III. war 13,
Heineich II. 12, Heinrich III. 7 Jahre lang
önig und nicht Kaiser; manche deutsche Könige
sind gar nicht zur Kaiserwürde gelangt, z. B.
Rudolf von Habsburg. Der letzte in Rom ge-
krönte Kaiser war Friedrich III.; sein Sohn
Maximilian I. konnte es zu keinem Römerzuge
durch das feindliche Italien bringen und nahm
deshalb mit Billigung des Papstes Julius II.
(1508) den Titel an: „erwählter römischer Kaiser“
(electus Romanorum Imperator). Karl V. be-
hielt, obwohl er als der letzte König vom Papste
(1530 in Bologna) die Krone empfing, den Titel
eines „erwählten Kaisers“ bei, und so alle seine
Nachfolger. Gleichzeitig mit der Anderung des
Titels trat in der Auffassung der Deutschen immer
mehr eine Verschmelzung des Kaisertums mit dem
deutschen Königtume ein: in dem deutschen Könige
wurde zu Frankfurt nicht mehr der zur Kaiser-
würde Berechtigte, sondern der Kaiser selbst ge-
wählt, und die seit Ferdinand I. ebenfalls zu
Frankfurt stattfindende Krönung war Krönung
zum Könige und zugleich Krönung zum Kaiser.
Prinzipiell blieben die Rechte des Papstes auch
jetzt unberührt, da der Gewählte seine Wahl mit
der Bitte um Konfirmation als Kaiser dem päpst-
lichen Stuhle anzeigte; die Anerkennung blieb
aber nie aus, und der Papst selbst titulierte den
Gewählten in sicherer Erwartung jener Bitte
sofort als „gewählter römischer Kaiser“. — Dem
römischen Kaisertume hat das deutsche Volk es zu
danken, daß es im Mittelalter an der Spitze aller