1549
Bischofe gesalbt und gekrönt, und aus dieser kirch-
lichen Weihe entnahm er den Titel „König von
Gottes Gnaden“ (rex Dei gratia). Wie der
König bei der Krönung seine Pflichterfüllung zu
beschwören hatte, so verpflichtete sich auch ihm das
ganze Volk durch Eidschwur zur Treue. Verfehlte
sich der König gegen seine Regentenpflicht, so konnte
über ihn der Pfalzgraf vom Rhein mit den Fürsten
urteilen, und wegen schwerer Verfehlungen konnte
der König abgesetzt werden; daß der König durch
den kirchlichen Bann mit dem Ausschluß aus der
Kirche alle Rechte, auch seine Krone, verlor, war
lediglich die Folge eines allgemeinen Rechtsgrund-
satzes. Die Ehrenrechte des Königs bestanden in
seinem Titel, seinem Reichshofstaate und dem
Reichswappen, dem zweiköpfigen schwarzen Adler
im goldenen Felde mit dem Hauswappen des
Königs auf der Brust. Auch die Königin hatte
einen entsprechenden Titel und Hofstaat. Da-
gegen besaßen die Kinder des Königs keine Aus-
zeichnung, weil das Reich ein Wahlreich war.
Die Reichsfarben waren Gold und Schwarz. —
2) Das Reich bildete sich schon früh als Wahl-
reich aus, wenn man auch bei der Wahl nicht
leicht vom Königshause abging. Vom Tode des
Königs bis zur Wahl eines neuen Königs trat
daher ein Zwischenreich (interregnum) ein, wäh-
rend welcher Zeit ein Reichsvikariat die Regierung
zu führen hatte. Ein verhängnisvoller Fehler
dieser Wahlmonarchie war, daß die zur Wahl
berechtigten Kurfürsten, welche oft mehr auf den
eigenen Nutzen als auf des Reichs und der Kirche
Wohl sahen, sich ihre Stimmen abkaufen ließen
und seit der Wahl Karls V. (1519) dem Kaiser
als Bedingungen der Wahl eine bei jeder Wahl
erneute Wahlkapitulation vorschrieben, welche die
Rechte des Kaisers immer mehr einschränkte. Um
den Mangel der Erblichkeit zu beseitigen, griff
man öfters zu dem Mittel, schon bei Lebzeiten des
Königs einer seiner Söhne oder Angehörigen zum
Nachfolger zu wählen. Der Gewählte hatte die
Kapitulation zu beschwören und wurde sofort ge-
krönt; er führte den Titel „Majestät“, die Be-
zeichnung „römischer König“ (rex Romanorum)
und als Wappen den einköpfigen Adler; er hatte
den Vorrang vor den Reichsständen und war bei
Verhinderung des Königs Reichsverweser. —
3) Die Regierungsrechte des Königs waren in
dem von Anfang an wenig zentralisierten Reiche
nach dem Grundsatze der monarchischen Machtvoll-
kommenheit (plenitudo potestatis) geregelt: alle
in der Staatsgewalt inbegriffenen Rechte hatte der
König, soweit nicht ausdrückliche Beschränkungen
reichsgesetzlich feststanden, auszuüben; gerade in
den letzten Jahrhunderten des Reichs waren aber
vielfache und wesentliche Beschränkungen einge-
treten und der Kaiser in allen wichtigeren Reichs-
angelegenheiten an die Zustimmung der Reichs-
stände gebunden. Doch galt auch in dieser letzten
Zeit noch folgendes: a) Der Kaiser hatte das aus-
schließliche Recht, die Reichsstände zum Reichstage
Kaiser.
1550
einzuberufen; erst durch die Wahlkapitulation
wurde er verpflichtet, den Reichstag wenigstens
alle zehn Jahre zu versammeln; seit 1663 war
aber der Reichstag zu Regensburg permanent ge-
worden. Reichsgesetze konnten nur mit Zustim-
mung des Reichstages erlassen werden. Dem Kaiser
stand das Recht des Vorschlages, der Genehmigung
und Veröffentlichung der Reichsgesetze sowie über-
haupt das Ratifikationsrecht bezüglich aller Reichs-
geschäfte, somit ein unbeschränktes Veto zu. Hier-
bei sollte er sich des Beirates des Reichsvizekanzlers
bedienen, den nicht der Kaiser, sondern der Reichs-
erzkanzler (Kurfürst von Mainz) ernannte; an das
Gutachten des Reichsvizekanzlers war er nicht ge-
bunden. Aufgabe des Kaisers war es sodann, für
die Vollziehung der Reichsschlüsse und der reichs-
gerichtlichen Urteile sowie für die Erhaltung des
Landfriedens zu sorgen und die Oberaufsicht über
die Territorialregierungen zu führen. — b) Dem
Kaiser allein stand die Vertretung des Reichs
gegenüber dem Auslande zu, ohne Zustimmung
des Reichstages konnte er aber weder einen Reichs-
krieg erklären noch Frieden schließen noch Bünd-
nisse eingehen. Auch ein Exekutionskrieg gegen
einen Reichsstand konnte vom Kaiser nur mit
Zustimmung der Reichsstände erklärt werden. In
Friedenszeiten gab es keine Reichsarmee, sie wurde
erst im Falle eines Reichskrieges aus den Kontin-
genten der einzelnen Reichsstände zusammengesetzt;
den Höchstkommandierenden ernannte nicht der
Kaiser, er wurde vielmehr durch Kaiser und Reich
auf dem Reichstage erwählt. Die Stärke der
Reichsarmee betrug nach einem Reichsschluß von
1681 in simplo 12000 Mann zu Pferd und
28000 Mann zu Fuß; bei jedem Reichskriege
wurde alsdann bestimmt, ob das Duplum, Tri-
plum usw der 40 000 Mann gestellt werden sollte.
Die Repartition dieser Kriegsstärke erfolgte nach
den zehn Reichskreisen, und jeder Kreisstand hatte
sein Kontingent selbst auszuheben, auszurüsten,
zu verpflegen und zu besolden. Wenn so einer-
seits der Mißbrauch der militärischen Kräfte der
Nation zu Zwecken der Herrschsucht ausgeschlossen
war, so bildeten anderseits die Zusammensetzung
der Reichsarmee aus meist lächerlich kleinen und
zudem ganz verschiedenartig ausgerüsteten und
ausgebildeten Kontingenten und die wachsenden
Eifersüchteleien der Kontingentsherren die mili-
tärische Schwäche des Kaisertums, das wesentlich
auf seine Hausmacht sich angewiesen sah. —
P) Steuern konnte der Kaiser nur mit Bewilligung
des Reichstages auferlegen. Das Finanzwesen des
Reichs war wenig entwickelt und die Einnahmen
des Kaisers gering, zuletzt etwa 13 000 Gulden,
so daß der Kaiser alle Regierungs= und Repräsen-
tationskosten, einschließlich der Kosten des Reichs-
hofrats, aus eigenen Mitteln zu bestreiten hatte. —
d4) Von den nicht zahlreichen Reichsbeamten hatte
der Kaiser nur einen Teil zu ernennen; so besetzte
er die Stellen des Reichshofrates und die wichtig-
sten Stellen im Reichskammergericht. Der Kaiser