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werden. So wurde z. B. 1859 im Kriege Oster-
reichs gegen Frankreich und Italien der teils von
Osterreich teils von Frankreich besetzte Kirchenstaat
für die Dauer des Krieges neutralisiert. Im
deutsch-französischen Kriege nahm der Waffenstill-
stand vom 28. Jan. 1871 den südöstlichen Kriegs-
schauplatz von der Waffenruhe aus, so daß das
Kriegsfeld für die Dauer desselben auf dieses Ge-
biet beschränkt wurde. In demselben Kriege schlu-
gen die Kommandanten des deutschen Kriegsschiffes
„Hertha“ und des französischen „Dupleix“ eine
Neutralisierung der japanischen und chinesischen
Gewässer für die Dauer des Krieges vor, was
aber die französische Regierung ablehnte.
VII. Der perfönliche Kriegsstand. 1. Der
aktive und passive Kriegsstand. Der
Krieg ist heutzutage der Kampf der Staaten mit
ihren militärischen Streitkräften, nicht aber ein
Kampf der Bürger der feindlichen Staaten. Jene
sind es daher, für welche in erster Linie die durch
den Kriegsausbruch und den Eintritt des Kriegs-
rechts herbeigeführten besondern Rechtsverhältnisse
wirksam werden. Indessen machen sich die Wir-
kungen des Krieges in nicht geringem Maße auch
in den Verhältnissen der am Kampfe nicht un-
mittelbar beteiligten Individuen geltend, da der
Kriegszustand alle Interessen des staatlichen Ge-
meinlebens wie des einzelnen in mehr oder minder
hohem Maße mit Opfern und Beschränkungen in
Anspruch nimmt. Infolgedessen unterscheidet das
heutige Kriegsrecht zwischen dem sog. aktiven
und passiven Kriegsstand. Den aktiven
Kriegsstand mit den damit verknüpften Rechten
und Pflichten hat allein die Kriegsmacht, die be-
waffneten Streitkräfte (forces militaires) der
Kriegführenden. Sie allein sind Feinde im aktiven
Sinne und als solche zur Anwendung von Gewalt,
insbesondere von Waffengewalt, und zwar auch
nur wieder der Kriegsmacht des Gegners gegen-
über, berechtigt. Die übrige Bevölkerung hat
den passiven Kriegsstand, ist Feind im passiven
Sinne. Ihr gegenüber ist die Waffengewalt aus-
geschlossen, umgekehrt darf auch sie sich nicht aktiv
an Feindseligkeiten beteiligen; etwaige derartige
Handlungen werden nicht nach Kriegsrecht, son-
dern nach dem maßgebenden Straf= bzw. Stand-
recht beurteilt.
2. Subjekt des aktiven Kriegsstandes
ist, wie gesagt, die Kriegsmacht, d. h. die gesamte
organisierte Wehrkraft des Staates, die unter
staatlicher Leitung steht und durch äußere Ab-
zeichen kenntlich gemacht ist. Des näheren gehören
zur Kriegsmacht:
a) Die Kombattanten, d. h. diejenigen
Personen, welche das reguläre Heer oder die re-
guläre Land= und Seemacht eines Staates nach
den landesrechtlichen Vorschriften über das Wehr-
system bilden, somit auch die Milizen, die Land-
wehr und der Landsturm, sofern sie militärisch
organisiert und nach dem Landesrecht unter das
Heer zu zählen sind. Als Kombattanten gelten
Krieg ufw.
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ferner die zur Leistung von Kriegsdiensten heran-
gezogenen Streitkräfte, die an sich nicht zum Heere
gehören, wie die Freischaren oder Freikorps, Na-
tionalgarden und in einzelnen Ländern die Mi-
lizen. Sollen sie indessen als Kombattanten an-
gesehen werden, so ist nach Art. 1 des Haager
Kriegsreglements erforderlich: a) daß sie unter
der Leitung eines verantwortlichen Führers stehen;
60 daß sie bestimmte, aus der Ferne erkennbare
Abzeichen tragen; 1) daß sie die Waffen offen
tragen, und 5) daß sie die Gesetze und Gebräuche
des Krieges beobachten. Freischaren wie einzelne
Freischützen (franctireurs) und Freibeuter auf
Schiffen unterstehen dagegen nicht den Regeln des
Kriegsrechts, sondern sind nach Standrecht zu be-
strafen. Nach Art. 2 des Reglements sollen zu den
Kombattanten auch die Bewohner eines noch nicht
besetzten Gebietes gerechnet werden, welche beim
Herannahen des Feindes aus eignem Antriebe
zu den Waffen greifen, um die eindringenden
Feinde zu bekämpfen, ohne Zeit gehabt zu haben,
sich nach Art. 1 zu organisieren levee en masse).
Voraussetzung ist allerdings auch hier, daß sie die
Waffen offen führen und das Kriegsrecht beobachten.
Über die Massenerhebung gegenüber dem das Land
bereits besetzt haltenden Feind sagt das Abkom-
men dagegen nichts. Infolgedessen wird in diesem
Falle die zu den Waffen greifende Bevölkerung,
sofern sie sich nicht gemäß Art. 1 organisiert, wie
chon früher, auch weiterhin nicht als Teil der
Kriegsmacht angesehen werden können.
b) Die sog. Nichtkombattanten, d. h.
Militärbeamte, Feldgeistliche, Arzte, Vertreter
fremder Mächte, die beim Heere dienstlich weilen-
den nichtmilitärischen Beamten, wie insbesondere
die Minister, ferner auch die Lieferanten, die
Marketender und die mit Genehmigung der Kriegs-
leitung dem Heere folgenden Zeitungsberichterstat-
ter. Wenn sie auch zur Kriegsmacht zählen, so ist
doch ihre Stellung eine besonders geschützte. Sie
dürfen absichtlich weder getötet noch verwundet
werden, umgekehrt ist aber auch ihnen der Waffen-
gebrauch untersagt. Werden sie gefangen genom-
men, so haben sie, wie die Kombattanten, Anspruch,
als Kriegsgefangene behandelt zu werden (Art. 3
und 13).
c) Parlamentäre, d. h. Abgesandte des
einen Kriegführenden an den andern zum Zweck
der Unterhandlung, gehören zur Kriegsmacht. Sie
sind aber mit ihrer Begleitung (Trompeter, Hornist
oder Trommler sowie Fahnenträger und Dol-
metscher), wenn sie sich mit der weißen Fahne
zeigen, unverletzlich, solange nicht der bestimmte,
unwiderlegbare Beweis vorliegt, daß sie ihre be-
vorrechtigte Stellung dazu benutzt haben, um Ver-
rat zu üben oder anzustiften. Der gegnerische Be-
fehlshaber ist nicht verpflichtet, den Parlamentär
unter allen Umständen zu empfangen, auch kann
er alle Maßregeln treffen, um ihn zu verhindern,
seine Sendung zur Einziehung von Nachrichten
zu benutzen (z. B. Verbinden der Augen); bei Miß-