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Kartellierung, die Steigerung des Gewinnes,
erreicht wird, hängt natürlich hauptsächlich von
der Preisgestaltung ab, welche von allen Kartellen
direkt oder indirekt beeinflußt wird. Hier halten
nun zwar manche retardierenden Momente von
einer „Überspannung des Bogens"“ zurück, doch
kann über den durchweg preissteigernden Einfluß
der Kartelle kein Zweifel bestehen. Jedenfalls lassen
die immer lebhafter gewordenen Klagen z. B. über
die bedrängte Lage anderer Industriezweige in-
folge Verteuerung kartellierter Rohstoffe und Halb-
fabrikate, die Entstehung erfolgreicher Konkurrenz=
unternehmungen usw. darauf schließen. Und wenn
sich auch zuverlässige Berechnungen über die Preis-
gestaltung unter dem Einfluß der Kartelle nicht
aufstellen lassen, da man nicht beurteilen kann,
wie die Preisbildung ohne Kartell verlaufen sein
würde, so kann doch als feststehend gelten, daß
die Kartelle günstige Konjunkturen ausnutzen, so
sehr es irgend möglich ist und sich mit ihren
eigenen Interessen verträgt, während sie in schlechten
Zeiten den durch die Marktlage bedingten Preis-
fall wenigstens teilweise aufhalten. Mag auch
zeitweilig der Preisstand einzelner kartellierter
Artikel vielleicht niedriger sein, als er bei freier
Konkurrenz sein würde, ein Umstand, der von aus-
gesprochenen Kartellfreunden als ein besonderes
Verdienst bezeichnet zu werden pflegt, so schlägt
auch das gewiß nicht zum Schaden der kartellierten
Unternehmungen aus und dürfte nichts an der
Tatsache ändern, daß der Unternehmer-
gewinn unter dem Einfluß der Kartelle im
allgemeinen erheblich steigt, das Haupteziel
der Kartellierung also erreicht wird.
Die volkswirtschaftliche Bedeutung dieser Tat-
sache liegt darin, daß sie die Einkommensverteilung
ungünstig beeinflußt, nämlich zugunsten des sog.
Besitzeinkommens, die in der Volkswirtschaft vor-
waltende Tendenz einer Steigerung des Arbeits-
einkommens hemmt. Auch an ethischer Rechtferti-
gung fehlt es dieser künstlichen Steigerung des
Unternehmergewinnes. „Bei den Kartellen wird
ein sehr erheblicher Teil der eigentlichen Unter-
nehmertätigkeit nicht von den Unternehmern selbst,
sondern von Personen, welche besoldete Beauf-
tragte derselben sind, ausgeführt; für Funktionen,
die man gar nicht selbst wahrnimmt, kann man
aber nicht gut auch noch eine besondere Vergütung
beanspruchen. Weiter schrumpft bei den Kartellen,
insbesondere bei denen höherer Ordnung, das
Risiko, welches in der gegenwärtigen Wirtschafts-
verfassung der Einzelunternehmer mit der Grün-
dung seines Geschäftes auf sich nimmt, und das
von der Theorie ebenfalls als Grund der Recht-
fertigung eines besondern Unternehmergewinnes
angeführt wird, auf ein Minimum zusammen.
Wird sich aber der Widerspruch: vermindertes
Kapitalrisiko — erhöhter Unternehmergewinn,
dauernd aufrecht erhalten lassen? Ist nicht viel-
mehr zu erwarten, daß an diesem Punkte eine
sehr berechtigte Kritik einsetzen wird, die noch gar
Kartelle.
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nicht einmal von dem sozialistischen Dogma aus-
zugehen braucht, daß das Kapital für die Dienste,
die es der Produktion leistet, keine besondere Ver-
gütung beanspruchen könne?"“ (Pohle a. a. O.
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Es fragt sich sodann, ob anderseits auch die
wirtschaftliche Lage der Arbeiter durch die
Kartellierung einer Industrie verbessert wird, wig
man vielfach annimmt. Teilweise mag das richtis
sein, wenigstens insofern, als die Erhöhung der
Unternehmergewinnes auch eine Aufbesserung de-
Löhne und sonstigen Arbeitsbedingungen ermög-
licht oder erleichtert. Anderseits spricht die all-
gemeine Erfahrung jedenfalls dafür, daß die kar-
tellierten Unternehmer nicht freiwillig, sondern nur
auf fortgesetztes Drängen der organisierten Arbeiter
von ihrem höheren Gewinne zur Erhöhung der
Arbeitslöhne abgeben. Die Chancen der Arbeiter-
organisationen werden aber gerade dadurch, daß
sie es mit einem geschlossenen Kartell, nicht mit
konkurrierenden Unternehmern zu tun haben, offen-
bar nicht verbessert. Das Rheinisch-Westfälische
Kohlensyndikat hat in seinen Lieferungsverträgen
eine Streikklausel, in der es heißt: „Arbeiteraus-
stände, gleichviel ob solche durch Vertragsbruch
oder vorausgegangene Kündigung eintreten, ent-
binden für die Dauer und den Umfang der da-
durch notwendig werdenden Einschränkung von
der Lieferung und Abnahme im Verhältnis der
Verringerung der Herstellung in einzelnen Sor-
ten.“ Daß hierdurch die Stellung der Syndikats-
leiter gegenüber den Arbeiterorganisationen sehr
gestärkt und die Hervorkehrung des Herrenstand-
punktes erleichtert wird, liegt auf der Dand. Dazu
kommt, daß auch die kartellierte Industrie ihren
Arbeitern keineswegs eine gesicherte Beschäftigung
gewährleistet; gehören doch Betriebseinschrän-
kungen und damit verbundene Arbeiterentlassungen
auch bei kartellierten Unternehmungen nicht zu den
Seltenheiten. Was das Verhältnis des Unter-
nehmergewinnes zum Arbeitslohn betrifft, so
haben die Forschungen z. B. über das Kohlen-
syndikat ergeben, daß zwar die Syndizierung im
allgemeinen eine Lohnerhöhung zur Folge hatte,
daß diese aber nicht im Verhältmis zu der erhöhten
Rentabilität der Gruben stand. Die ungünstigen
Geschäftsjahre trafen die Arbeiter stärker als die
Arbeitgeber. Das Syndikat erwarb sich nicht nur
keine Verdienste um das Beständigwerden der
Löhne, sondern setzte im Gegenteil die Höhe der-
selben größeren Schwankungen aus. Bei Ver-
ringerung des Gewinnes wurde der Rückgang
zuerst durch Ersparnisse an den Löhnen wettzu-
machen versucht (vgl. Baumgarten und Meszleny,
Kartelle und Trusts 203 ff).
Für die Abnehmer eines Kartells, insbeson-
dere die auf kartellierte Rohstoffe oder Halbfabrikate
angewiesenen Industriezweige, wird es als Haupt-
vorteil bezeichnet, daß die Preise durch das Kartell
vor allzuhäufigen Schwankungen bewahrt würden.
Soweit das zutrifft — und es ist durchaus nicht