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Sachmiete im engeren Sinne, und mit Gebrauch,
Pacht. So nennt das österreichische Allg. Bürgerl.
Gesetzbuch (§ 1090) den Vertrag, wodurch jemand
den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf
eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten
Preis erhält, „Bestandvertrag"; der Bestand-
vertrag heiß aber (§ 1091) Mietvertrag, wenn
sich die in Bestand gegebene Sache ohne weitere
Bearbeitung gebrauchen läßt, und Pachtvertrag,
wenn sie nur durch Fleiß und Mühe benutzt
werden kann. Auch das Badische Landrecht (Art.
1078 ff) kennt Bestandvertrag, Miete und Pacht.
Das preußische Allgemeine Landrecht (I. Teil,
21. Titel, 8§ 258 ff) unterscheidet zwischen Miete
und Pacht, ohne aber einen gemeinsamen Namen
für beide Verträge zu haben. Ebenso das Bürger-
liche Gesetzbuch für das Deutsche Reich (B.G.B.).
Nach dem B. G. B. (8§ 535, 581) ist der Miet-
vertrag auf Überlassung des bloßen „Gebrauchs“
der vermieteten „Sache“, die Pacht dagegen
auf Uberlassung des „Gebrauchs“ des ver-
pachteten „Gegenstands“ und des „Genusses
der Früchte“ desselben gerichtet. Der zweifache
Unterschied von Miete und Pacht geht also dahin,
daß die Miete nur eine Sache, d. h. also im
Sinne des B.G.B. (8§90) nur einen körperlichen
Gegenstand, die Pacht dagegen auch andere Gegen-
stände, z. B. Rechte, betreffen kann und daß die
Miete nur den Gebrauch, die Pacht dagegen auch
den Genuß der Früchte des Gegenstands gewährt.
Wird z. B. ein Grundstück bloß als Lagerplatz
gegen Entgelt überlassen, so ist das Rechtsver-
hältnis demnach Miete; wird es dagegen zur
landwirtschaftlichen Bebauung und Benutzung
überlassen, so liegt Pacht vor. Außer einzelnen
Grundstücken und ganzen Landgütern kann daher
3. B. der Betrieb eines Gewerberechts, eines Berg-
werkseigentums, einer Fabrik, eines Erwerbs-
geschäfts (vgl. dazu § 22 des Handelsgesetzbuchs),
einer Restauration, einer Eisenbahn, eines Fischerei-
oder Jagdrechts, oder das Recht auf Erhebung
der Staatsabgaben Gegenstand einer Pacht sein.
Das B. G. B. behandelt die Pacht gewissermaßen
als Unterart der Miete, diese also als den all-
gemeineren Begriff, indem es zunächst Vorschriften
über die Miete gibt und dann diese Vorschriften
auf die Pacht entsprechende Anwendung finden
läßt, soweit es nicht ausdrücklich ein anderes vor-
sieht (8§ 535/597).
2. In betreff der geschichtlichen Entwicklung
der Pacht ist, soweit es sich um Landpacht handelt,
im allgemeinen auf die Artikel „Agrargesetzgebung“
und „Bauernstand“ zu verweisen. Hier mag nur
folgendes erwähnt sein. Im Altertum und nament-
lich im römischen Reich hat sich wegen der Hinder-
nisse, welche die bekannten wirtschaftlichen und
sozialen Verhältnisse, vor allem die Sklaverei,
bereiteten, ein eigner freier Pächterstand nie recht
bilden können. Auch während des Mittelalters
hat er nicht aufzukommen vermocht; zuerst, und
zwar gegen das Ende des Mittelalters, bildete sich
Pacht.
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ein solcher in England. Bei den meisten roma-
nischen Völkern hat das Pächterwesen erst viel später
sich entwickelt, dazu auch in bedeutend geringerem
Maß. In Deutschland gewinnt die Pacht, zum
Unterschied von den übrigen bis dahin haupt-
sächlich gebräuchlichen Formen der Überlassung
von Land gegen eine Abgabe, erst sehr spät, seit
dem Ende des 17. Jahrh., größere Bedeutung.
Um diese Zeit begann man auch in Norddeutsch-
land mit der Verpachtung der landesherrlichen
Domänen.
Als erwähnenswerte Formen der Pacht kommen
in Betracht einmal Erbpacht und Zeitpacht, so-
dann Teilpacht und Geldpacht. Die Verpachtung
größerer Landgüter auf Zeit gegen eine feste, zumal
Geldrente, sagt Roscher, pflegt eine bedeutende
Rolle nur in höher kultivierten Volkswirtschaften
zu spielen; nur in solchen ist die Grundrente be-
deutend, welche doch regelmäßig den Kern des
Pachtschillings bildet; nur hier ist der Unter-
nehmerlohn recht ausgebildet, also das wirtschaft-
liche Hauptziel des Pächters. Zurzeit ist die Zeit-
pacht und Geldpacht die weitaus vorherrschende
Form (ovgl. unter V, 2).
Die Mitte zwischen vollem Eigentum und Zeit-
pacht hält die unter den mannigfachsten Namen
vorkommende Erbpacht. Den unter diesem
Namen zusammengefaßten, unter sich vielfach von-
einander abweichenden Formen der Verleihung
von Land ist der Grundzug gemeinsam, daß dem
Verleiher nur das nackte Eigentum zusteht, dem
Leiher dagegen das vererbliche und veräußerliche
Nutzungsrecht. In Ansehung der Eingehung
dieses Verhältnisses gilt nichts Besonderes. Für
die Erlangung des Rechts hatte der Erbpächter
ein für allemal das Erbbestandsgeld, auch im
Fall eingetretenen Erbgangs als Anerkennung
des grundherrlichen Rechts eine mit verschiedenen
Namen belegte Abgabe zu zahlen; während der
Dauer des Verhältnisses hatte er periodisch einen
Kanon zu entrichten. Durchgängig ist dem Erb-
pächter verboten, das Gut ohne Genehmigung des
Grundherrn zu teilen oder zu verpfänden. Dem
letzteren steht meistens ein Vorkaufsrecht zu. Beim
Aussterben der Erbpächterfamilie fällt das Gut
an den Grundherrn zurück, der auch sonst für ge-
wisse Fälle, z. B. bei fortgesetzter schlechter Wirt-
schaft, das Recht hat, den Erbpächter zu entsetzen.
— Von manchen wird das Verhältnis als eine
Fortbildung der römisch-rechtlichen Emphyteuse
angesehen, von andern als deutsch-rechtlichen Ur-
sprungs, wenngleich dem römischen Institut durch-
aus verwandt, bezeichnet. Im Mittelalter, nament-
lich seit dem 13. Jahrh., sehr verbreitet, hat es
eine Reihe von Entwicklungsstufen durchgemacht.
In neuerer Zeit hat es eine mehrfach wechselnde
Gunst der Gesetzgebung erfahren, so besonders in
Preußen. Gewisse sowohl mit dem Wesen des
Instituts zusammenhängende als auch davon un-
abhängige Übelstände, wie die Beschränkung in
Ansehung der Teilung, Belastung, Veräußerung,