Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

1511 
Sachmiete im engeren Sinne, und mit Gebrauch, 
Pacht. So nennt das österreichische Allg. Bürgerl. 
Gesetzbuch (§ 1090) den Vertrag, wodurch jemand 
den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf 
eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten 
Preis erhält, „Bestandvertrag"; der Bestand- 
vertrag heiß aber (§ 1091) Mietvertrag, wenn 
sich die in Bestand gegebene Sache ohne weitere 
Bearbeitung gebrauchen läßt, und Pachtvertrag, 
wenn sie nur durch Fleiß und Mühe benutzt 
werden kann. Auch das Badische Landrecht (Art. 
1078 ff) kennt Bestandvertrag, Miete und Pacht. 
Das preußische Allgemeine Landrecht (I. Teil, 
21. Titel, 8§ 258 ff) unterscheidet zwischen Miete 
und Pacht, ohne aber einen gemeinsamen Namen 
für beide Verträge zu haben. Ebenso das Bürger- 
liche Gesetzbuch für das Deutsche Reich (B.G.B.). 
Nach dem B. G. B. (8§ 535, 581) ist der Miet- 
vertrag auf Überlassung des bloßen „Gebrauchs“ 
der vermieteten „Sache“, die Pacht dagegen 
auf Uberlassung des „Gebrauchs“ des ver- 
pachteten „Gegenstands“ und des „Genusses 
der Früchte“ desselben gerichtet. Der zweifache 
Unterschied von Miete und Pacht geht also dahin, 
daß die Miete nur eine Sache, d. h. also im 
Sinne des B.G.B. (8§90) nur einen körperlichen 
Gegenstand, die Pacht dagegen auch andere Gegen- 
stände, z. B. Rechte, betreffen kann und daß die 
Miete nur den Gebrauch, die Pacht dagegen auch 
den Genuß der Früchte des Gegenstands gewährt. 
Wird z. B. ein Grundstück bloß als Lagerplatz 
gegen Entgelt überlassen, so ist das Rechtsver- 
hältnis demnach Miete; wird es dagegen zur 
landwirtschaftlichen Bebauung und Benutzung 
überlassen, so liegt Pacht vor. Außer einzelnen 
Grundstücken und ganzen Landgütern kann daher 
3. B. der Betrieb eines Gewerberechts, eines Berg- 
werkseigentums, einer Fabrik, eines Erwerbs- 
geschäfts (vgl. dazu § 22 des Handelsgesetzbuchs), 
einer Restauration, einer Eisenbahn, eines Fischerei- 
oder Jagdrechts, oder das Recht auf Erhebung 
der Staatsabgaben Gegenstand einer Pacht sein. 
Das B. G. B. behandelt die Pacht gewissermaßen 
als Unterart der Miete, diese also als den all- 
gemeineren Begriff, indem es zunächst Vorschriften 
über die Miete gibt und dann diese Vorschriften 
auf die Pacht entsprechende Anwendung finden 
läßt, soweit es nicht ausdrücklich ein anderes vor- 
sieht (8§ 535/597). 
2. In betreff der geschichtlichen Entwicklung 
der Pacht ist, soweit es sich um Landpacht handelt, 
im allgemeinen auf die Artikel „Agrargesetzgebung“ 
und „Bauernstand“ zu verweisen. Hier mag nur 
folgendes erwähnt sein. Im Altertum und nament- 
lich im römischen Reich hat sich wegen der Hinder- 
nisse, welche die bekannten wirtschaftlichen und 
sozialen Verhältnisse, vor allem die Sklaverei, 
bereiteten, ein eigner freier Pächterstand nie recht 
bilden können. Auch während des Mittelalters 
hat er nicht aufzukommen vermocht; zuerst, und 
zwar gegen das Ende des Mittelalters, bildete sich 
Pacht. 
  
1512 
ein solcher in England. Bei den meisten roma- 
nischen Völkern hat das Pächterwesen erst viel später 
sich entwickelt, dazu auch in bedeutend geringerem 
Maß. In Deutschland gewinnt die Pacht, zum 
Unterschied von den übrigen bis dahin haupt- 
sächlich gebräuchlichen Formen der Überlassung 
von Land gegen eine Abgabe, erst sehr spät, seit 
dem Ende des 17. Jahrh., größere Bedeutung. 
Um diese Zeit begann man auch in Norddeutsch- 
land mit der Verpachtung der landesherrlichen 
Domänen. 
Als erwähnenswerte Formen der Pacht kommen 
in Betracht einmal Erbpacht und Zeitpacht, so- 
dann Teilpacht und Geldpacht. Die Verpachtung 
größerer Landgüter auf Zeit gegen eine feste, zumal 
Geldrente, sagt Roscher, pflegt eine bedeutende 
Rolle nur in höher kultivierten Volkswirtschaften 
zu spielen; nur in solchen ist die Grundrente be- 
deutend, welche doch regelmäßig den Kern des 
Pachtschillings bildet; nur hier ist der Unter- 
nehmerlohn recht ausgebildet, also das wirtschaft- 
liche Hauptziel des Pächters. Zurzeit ist die Zeit- 
pacht und Geldpacht die weitaus vorherrschende 
Form (ovgl. unter V, 2). 
Die Mitte zwischen vollem Eigentum und Zeit- 
pacht hält die unter den mannigfachsten Namen 
vorkommende Erbpacht. Den unter diesem 
Namen zusammengefaßten, unter sich vielfach von- 
einander abweichenden Formen der Verleihung 
von Land ist der Grundzug gemeinsam, daß dem 
Verleiher nur das nackte Eigentum zusteht, dem 
Leiher dagegen das vererbliche und veräußerliche 
Nutzungsrecht. In Ansehung der Eingehung 
dieses Verhältnisses gilt nichts Besonderes. Für 
die Erlangung des Rechts hatte der Erbpächter 
ein für allemal das Erbbestandsgeld, auch im 
Fall eingetretenen Erbgangs als Anerkennung 
des grundherrlichen Rechts eine mit verschiedenen 
Namen belegte Abgabe zu zahlen; während der 
Dauer des Verhältnisses hatte er periodisch einen 
Kanon zu entrichten. Durchgängig ist dem Erb- 
pächter verboten, das Gut ohne Genehmigung des 
Grundherrn zu teilen oder zu verpfänden. Dem 
letzteren steht meistens ein Vorkaufsrecht zu. Beim 
Aussterben der Erbpächterfamilie fällt das Gut 
an den Grundherrn zurück, der auch sonst für ge- 
wisse Fälle, z. B. bei fortgesetzter schlechter Wirt- 
schaft, das Recht hat, den Erbpächter zu entsetzen. 
— Von manchen wird das Verhältnis als eine 
Fortbildung der römisch-rechtlichen Emphyteuse 
angesehen, von andern als deutsch-rechtlichen Ur- 
sprungs, wenngleich dem römischen Institut durch- 
aus verwandt, bezeichnet. Im Mittelalter, nament- 
lich seit dem 13. Jahrh., sehr verbreitet, hat es 
eine Reihe von Entwicklungsstufen durchgemacht. 
In neuerer Zeit hat es eine mehrfach wechselnde 
Gunst der Gesetzgebung erfahren, so besonders in 
Preußen. Gewisse sowohl mit dem Wesen des 
Instituts zusammenhängende als auch davon un- 
abhängige Übelstände, wie die Beschränkung in 
Ansehung der Teilung, Belastung, Veräußerung,
	        
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