Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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die Vorbereitungen für eine wirksame Bekämpfung 
des Duells unausgesetzt gefördert worden. „Es 
darf erwartet werden“, bemerkte unter anderem 
der Reichskanzler, „daß die beabsichtigte Anderung 
auf dem Gebiet des ehrengerichtlichen Verfahrens 
eine heilsame Rückwirkung auch auf diejenigen 
Kreise ausüben wird, welche den militärischen 
Ehrengerichten nicht unterstellt sind. Für den 
möglichen Fall jedoch, daß diese Erwartung nicht 
in Erfüllung gehen sollte, ist die Reichsregierung 
der Frage näher getreten, ob es geboten erscheint, 
eine Verschärfung der bestehenden Gesetze über 
Bestrafung des Zweikampfs und in Verbindung 
damit auch der von fast allen Parteien als mangel- 
haft bezeichneten Bestimmungen über die straf- 
rechtliche Sühne von Beleidigungen herbeizu- 
führen.“ 
Die vom Reichskonzler in seiner vorerwähnten 
Außerung in Aussicht gestellte Reglung der 
Duellfrage in der Armee erfolgte unter 
dem 1. Jan. 1897, indem einheitliche Bestim- 
mungen für die Offiziere des gesamten deutschen 
Heers erlassen wurden. Leider sehen dieselben von 
einem grundsätzlichen Verbot des Zweikampfs ab 
und beschränken sich auf vorbeugende Maßnahmen 
gegen Duelle, namentlich bei Anlässen geringfügiger 
Natur. „Der Offizier muß es“, so heißt es in der 
kaiserlichen Kabinettsorder, „als Unrecht erkennen, 
die Ehre eines andern anzutasten. Hat er hier- 
gegen in UÜbereilung oder Erregung gefehlt, so 
handelt er ritterlich, wenn er an seinem Unrecht 
nicht festhält, sondern zu gütlichem Ausgleich die 
Hand bietet. Nicht minder muß derjenige, dem 
eine Kränkung oder Beleidigung widerfahren ist, 
die zur Versöhnung gebotene Hand annehmen, 
soweit Standesehre und gute Sitten es zulassen. 
Es ist deshalb mein Wille, daß der Ehrenrat hin- 
fort grundsätzlich bei dem Austrag von Ehren- 
händeln mitwirken soll. Er hat sich dieser Pflicht 
mit dem gewissenhaften Bestreben zu unterziehen, 
einen gütlichen Ausgleich herbeizuführen.“ Bei 
Streitigkeiten oder Beleidigungen zwischen Offi- 
zieren haben diese, unter Unterlassung aller wei- 
teren Schritte, sofort dem Ehrenrat Anzeige zu 
machen. Dieser hat entweder 1) einen Ausgleichs- 
vorschlag aufzustellen oder 2) zu erklären, daß er 
dazu nicht imstande sei, vielmehr ein ehrengericht- 
liches Verfahren für notwendig halte, oder 3) fest- 
zustellen, daß die Ehre der Beteiligten überhaupt 
nicht berührt sei. Im ersten und dritten Fall steht 
den Beteiligten Berufung beim Kommandeur zu, 
worauf die Entscheidung des Kaisers einzuholen 
ist. Uber einen Offizier, der unter Umgehung des 
Ehrenrats oder vor endgültiger Entscheidung über 
den Beschluß des Ehrenrats oder unter Nicht- 
achtung des endgültig festgestellten Ausgleichsvor- 
schlags oder oben erwähnter Feststellung oder vor 
der kaiserlichen Entscheidung auf den ehrengericht- 
lichen Spruch einen andern Osffizier zum Zwei- 
kampf herausfordert, ist dem Kaiser sofort zu 
berichten. Wie ersichtlich, erübrigt außer den oben 
Zweikampf. 
  
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erwähnten noch der vierte Fall, daß der Ehrenrat 
bzw. der Kommandeur keine der drei vorgezeich- 
neten Möglichkeiten als ausreichende standesgemäße 
Austragung ansieht, und dann ergeht an den Of- 
sizier die Aufforderung, die Angelegenheit auf eine 
solche Weise, d. h. durch ein Duell zu erledigen. 
Es ist darum erklärlich, daß diese Anordnungen 
zu einer Beseitigung oder wesentlichen Einschrän- 
kung des Duellunwesens im Heer und mittelbar 
im bürgerlichen Leben nicht geführt haben. Der 
nicht mißzuverstehende zweite Teil des Satzes der 
Kabinettsorder vom 2. Mai 1874: „Einen Of- 
fizier, welcher imstande ist, die Ehre eines Kame- 
raden in frevelhafter Weise zu verletzen, werde ich 
ebensowenig in meinem Heer dulden wie einen 
Offizier, welcher seine Ehre nicht zu wahren weiß“, 
bleibt auch im Neuabdruck 1910 der Verord- 
nungen über Ehrengerichte aufrecht. 
In Bayern wurde im Sommer 1904 ein Er- 
laß des Kriegsministers v. Asch bekannt, welcher 
in einem besondern Fall sogar die Mißbilligung 
des Ministers über die ehrengerichtliche Verhinde- 
rung eines Offizierduells aussprach. Unter an- 
derem wurde (1905) der Rechtsanwalt Dr Feldhaus 
vom Ehrengericht aus seiner Stellung als Leutnant 
der Landwehr verabschiedet, weil er es vorgezogen 
hatte, einen mutwilligen Beleidiger vor dem ordent- 
lichen Gericht zu belangen, das ihn zur höchsten 
gesetzlichen Strafe verurteilte. Deutlich war wieder- 
um die Antwort, welche der Kriegsminister v. Ei- 
nem im Auftrag des Reichskanzlers Fürsten 
v. Bülow auf eine diesbezügliche Anfrage in der 
Reichstagssitzung vom 15. Jan. 1906 gab. Er 
erklärte: „Solange der Zweikampf in weiten 
Kreisen noch als ein Mittel zur Herstellung der 
verletzten Ehre gilt, kann das Offizierkorps in 
seinen Reihen kein Mitglied dulden, das nicht be- 
reit ist, mit der Waffe in der Hand seine Ehre 
wiederherzustellen.“ In derselben Erklärung wurde 
außer den Vorkehrungen der Kriegsverwaltung 
als „weitere Abhilfe“ „eine gleichzeitige Anderung 
der gesetzlichen Bestimmungen über die strafrecht- 
liche Verfolgung der Beleidigung und des Zwei- 
kampfs“ bei der damals in Vorbereitung befind- 
lichen Revision des Strafgesetzbuchs in Aussicht 
gestellt. Leider haben, was die Bestrafung des 
Zweikampfs angeht, die nun vorliegenden Ent- 
würfe nach unsern obenstehenden Bemerkungen 
diese Erwartung nicht erfüllt. Im Jahr 1910 
wurde Notar Dammann, der den beleidigenden 
Brief eines nachgewiesenen Betrügers nicht mit 
einer Herausforderung beantwortete, vom Be- 
treten des gerichtlichen Weges abgehalten und als 
Landwehroberleutnant mit schlichtem Abschied ent- 
lassen; die im Reichstag darüber abgegebenen Er- 
klärungen vermochten das verletzte Rechtsbewußt- 
sein in keiner Weise zu befriedigen. Es ist eine Ver- 
kennung und Verkehrung der Sachlage, wenn von 
militärischer Seite immer wieder die Beseitigung 
des Duells aus der Zivilgesellschaft als Vorbe- 
dingung für ernste Maßnahmen gegen das Duell
	        
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