1389
die Vorbereitungen für eine wirksame Bekämpfung
des Duells unausgesetzt gefördert worden. „Es
darf erwartet werden“, bemerkte unter anderem
der Reichskanzler, „daß die beabsichtigte Anderung
auf dem Gebiet des ehrengerichtlichen Verfahrens
eine heilsame Rückwirkung auch auf diejenigen
Kreise ausüben wird, welche den militärischen
Ehrengerichten nicht unterstellt sind. Für den
möglichen Fall jedoch, daß diese Erwartung nicht
in Erfüllung gehen sollte, ist die Reichsregierung
der Frage näher getreten, ob es geboten erscheint,
eine Verschärfung der bestehenden Gesetze über
Bestrafung des Zweikampfs und in Verbindung
damit auch der von fast allen Parteien als mangel-
haft bezeichneten Bestimmungen über die straf-
rechtliche Sühne von Beleidigungen herbeizu-
führen.“
Die vom Reichskonzler in seiner vorerwähnten
Außerung in Aussicht gestellte Reglung der
Duellfrage in der Armee erfolgte unter
dem 1. Jan. 1897, indem einheitliche Bestim-
mungen für die Offiziere des gesamten deutschen
Heers erlassen wurden. Leider sehen dieselben von
einem grundsätzlichen Verbot des Zweikampfs ab
und beschränken sich auf vorbeugende Maßnahmen
gegen Duelle, namentlich bei Anlässen geringfügiger
Natur. „Der Offizier muß es“, so heißt es in der
kaiserlichen Kabinettsorder, „als Unrecht erkennen,
die Ehre eines andern anzutasten. Hat er hier-
gegen in UÜbereilung oder Erregung gefehlt, so
handelt er ritterlich, wenn er an seinem Unrecht
nicht festhält, sondern zu gütlichem Ausgleich die
Hand bietet. Nicht minder muß derjenige, dem
eine Kränkung oder Beleidigung widerfahren ist,
die zur Versöhnung gebotene Hand annehmen,
soweit Standesehre und gute Sitten es zulassen.
Es ist deshalb mein Wille, daß der Ehrenrat hin-
fort grundsätzlich bei dem Austrag von Ehren-
händeln mitwirken soll. Er hat sich dieser Pflicht
mit dem gewissenhaften Bestreben zu unterziehen,
einen gütlichen Ausgleich herbeizuführen.“ Bei
Streitigkeiten oder Beleidigungen zwischen Offi-
zieren haben diese, unter Unterlassung aller wei-
teren Schritte, sofort dem Ehrenrat Anzeige zu
machen. Dieser hat entweder 1) einen Ausgleichs-
vorschlag aufzustellen oder 2) zu erklären, daß er
dazu nicht imstande sei, vielmehr ein ehrengericht-
liches Verfahren für notwendig halte, oder 3) fest-
zustellen, daß die Ehre der Beteiligten überhaupt
nicht berührt sei. Im ersten und dritten Fall steht
den Beteiligten Berufung beim Kommandeur zu,
worauf die Entscheidung des Kaisers einzuholen
ist. Uber einen Offizier, der unter Umgehung des
Ehrenrats oder vor endgültiger Entscheidung über
den Beschluß des Ehrenrats oder unter Nicht-
achtung des endgültig festgestellten Ausgleichsvor-
schlags oder oben erwähnter Feststellung oder vor
der kaiserlichen Entscheidung auf den ehrengericht-
lichen Spruch einen andern Osffizier zum Zwei-
kampf herausfordert, ist dem Kaiser sofort zu
berichten. Wie ersichtlich, erübrigt außer den oben
Zweikampf.
1390
erwähnten noch der vierte Fall, daß der Ehrenrat
bzw. der Kommandeur keine der drei vorgezeich-
neten Möglichkeiten als ausreichende standesgemäße
Austragung ansieht, und dann ergeht an den Of-
sizier die Aufforderung, die Angelegenheit auf eine
solche Weise, d. h. durch ein Duell zu erledigen.
Es ist darum erklärlich, daß diese Anordnungen
zu einer Beseitigung oder wesentlichen Einschrän-
kung des Duellunwesens im Heer und mittelbar
im bürgerlichen Leben nicht geführt haben. Der
nicht mißzuverstehende zweite Teil des Satzes der
Kabinettsorder vom 2. Mai 1874: „Einen Of-
fizier, welcher imstande ist, die Ehre eines Kame-
raden in frevelhafter Weise zu verletzen, werde ich
ebensowenig in meinem Heer dulden wie einen
Offizier, welcher seine Ehre nicht zu wahren weiß“,
bleibt auch im Neuabdruck 1910 der Verord-
nungen über Ehrengerichte aufrecht.
In Bayern wurde im Sommer 1904 ein Er-
laß des Kriegsministers v. Asch bekannt, welcher
in einem besondern Fall sogar die Mißbilligung
des Ministers über die ehrengerichtliche Verhinde-
rung eines Offizierduells aussprach. Unter an-
derem wurde (1905) der Rechtsanwalt Dr Feldhaus
vom Ehrengericht aus seiner Stellung als Leutnant
der Landwehr verabschiedet, weil er es vorgezogen
hatte, einen mutwilligen Beleidiger vor dem ordent-
lichen Gericht zu belangen, das ihn zur höchsten
gesetzlichen Strafe verurteilte. Deutlich war wieder-
um die Antwort, welche der Kriegsminister v. Ei-
nem im Auftrag des Reichskanzlers Fürsten
v. Bülow auf eine diesbezügliche Anfrage in der
Reichstagssitzung vom 15. Jan. 1906 gab. Er
erklärte: „Solange der Zweikampf in weiten
Kreisen noch als ein Mittel zur Herstellung der
verletzten Ehre gilt, kann das Offizierkorps in
seinen Reihen kein Mitglied dulden, das nicht be-
reit ist, mit der Waffe in der Hand seine Ehre
wiederherzustellen.“ In derselben Erklärung wurde
außer den Vorkehrungen der Kriegsverwaltung
als „weitere Abhilfe“ „eine gleichzeitige Anderung
der gesetzlichen Bestimmungen über die strafrecht-
liche Verfolgung der Beleidigung und des Zwei-
kampfs“ bei der damals in Vorbereitung befind-
lichen Revision des Strafgesetzbuchs in Aussicht
gestellt. Leider haben, was die Bestrafung des
Zweikampfs angeht, die nun vorliegenden Ent-
würfe nach unsern obenstehenden Bemerkungen
diese Erwartung nicht erfüllt. Im Jahr 1910
wurde Notar Dammann, der den beleidigenden
Brief eines nachgewiesenen Betrügers nicht mit
einer Herausforderung beantwortete, vom Be-
treten des gerichtlichen Weges abgehalten und als
Landwehroberleutnant mit schlichtem Abschied ent-
lassen; die im Reichstag darüber abgegebenen Er-
klärungen vermochten das verletzte Rechtsbewußt-
sein in keiner Weise zu befriedigen. Es ist eine Ver-
kennung und Verkehrung der Sachlage, wenn von
militärischer Seite immer wieder die Beseitigung
des Duells aus der Zivilgesellschaft als Vorbe-
dingung für ernste Maßnahmen gegen das Duell