Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

Zweites Kapitel 
Die Unterwerfung unter die 14 Punkte; die Rede 
vom s. Oktober. Das Reichskabinett 
Als ich am Morgen des 4. erwachte, war mir zumute wie einem Men- 
schen, der zum Tode verurteilt ist und es im Schlaf vergessen hatte. 
Es lag in unserer Note eine doppelte Schmach: einmal die Bitte um 
Wasffenstillstand — daran war nichts mehr zu ändern —; sodann die un- 
eingeschränkte Annahme des Wilsonschen Programms.! Nur eine besiegte, 
am Boden liegende Nation ist gezwungen, das ganze Kriegsziel des 
Feindes anzunehmen mit einem Ja ohne Vorbehalt und Kommentar. 
Da schien sich mir ein letzter Ausweg zu eröffnen. Mir kam der Ge- 
danke, morgen eine Rede zu halten, darin ich Wilsons Bedingungen inter- 
pretieren würde: ihren Sinn wollte ich nicht biegen, aber in jedem ein- 
zelnen Dunkt zähe unser Recht verteidigen, das ja Wilson zu achten 
versprach. 
1 Die Oberste Heeresleitung hatte wohl ursprünglich keine klare Vorstellung, welche 
schicksalsschweren Bindungen die 14 Punkte in jedem Fall Deutschland auferlegten. 
Sie sah wohl in Wilsons Programm nur eine Sammlung allgemeiner Redensarten, 
denen eine geschickte Diplomatie am Verhandlungstisch eine Deutschland günstige 
Deutung zu geben hätte. Ich hatte daher die Frage gestellt, ob sich die Oberste Heeres- 
leitung bewußt wäre, daß die Einleitung der Aktion zum Verlust deutscher Kolonien 
und deutschen Gebiets — namentlich Elsaß-Lothringens und rein polnischer Kreise 
der östlichen Drovinzen — führen könne, und darauf die ausweichende Antwort er- 
halten: „Die Oberste Heeresleitung zieht, falls es nicht anders geht, die Aufgabe 
geringer, französisch sprechender Teile Elsaß-Lothringens in Betracht. Abtretung 
deutschen Gebiets im Osten kommt für sie nicht in Frage“ (Amtliche Urkunden S. 72, 
Anm.). Noch im letzten Augenblick suchte die Oberste Heeresleitung ihrer reservatio 
mentalis dadurch Rechnung zu tragen, daß sie für unsere Note die Fassung vorschlug: 
Die deutsche Regierung ist damit einverstanden, daß die 14 Dunkte Wilsons „als 
Grundlage für die Friedensbesprechungen dienen“ sollten (Amtliche Urkunden Nr. 29). 
Aber die Staatssekretäre waren — von ihrem Standpunkt aus mit Recht — darauf 
bedacht, keine Wendung zu gebrauchen, die Wilson stutzig machen und zu unbequemen 
Rückfragen herausfordern würde. Sie glaubten schließlich in der endgültigen Fassung 
unserer Note das vermieden zu haben; — wie sich bald zeigte, hatten sie die Wach- 
samkeit unseres Gegners unterschätzt. 
Brinz Max von Baden 23 353
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.