Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

daß die bewaffneten Streitkräfte im Falle eines Bürger— 
kriegs nicht hinter dem Kaiser stehen würden und daß die 
Armee aus Ernährungsschwierigkeiten nicht imstande sein 
würde, einen Bürgerkrieg zu führen. 
Die Bemerkung Wahnschaffes: Unter diesen Umständen bliebe doch 
nichts übrig als die Abdankung, fand keinen Widerspruch. 
Wahnschaffe rief sofort Ebert an und forderte ihn auf, jetzt noch in die 
Demonstrationsbewegung einzugreifen. Er deutete ihm an, daß mit der 
Thronentsagung zu rechnen sei. 
Ebert antwortete: „Zu spät! Die Kugel ist im Nollen. Eine Fabrik 
(Schwarzkopff) ist schon auf die Straße gegangen.“ 
Wahnschaffe erwiderte: „Die Leute können ja auch wieder zur Ver- 
nunft gebracht werden.“ 
Ebert sagte: „Wir wollen sehen, was sich machen läßt.“ 
Ich werde die Qual dieses sinnlosen, unerklärlichen Wartens nie ver- 
gessen, das nun folgte. Waren die Massen einmal in Bewegung, so mußte 
die Richtung siegen, die den Umsturz wollte. Mit jeder Minute schwand 
die Möglichkeit, eine Gegenwirkung der besonnenen Elemente herbei- 
zuführen. 
Gegen 10 Uhr kam die Meldung, daß ein Zug von vielen Tausenden 
unbewaffneter Arbeiter sich nach dem Zentrum bewegte. Die Leute trugen 
Plakate mit der Aufschrift: Brüder, nicht schießen! Frauen und Kinder 
gingen dem Zuge voran. 
Aus dem Ministerium des Innern brachte Geheimrat v. Schlieben die 
gleiche Nachricht: 
„Große Arbeitermassen befänden sich bereits auf dem Wege von 
Norden her nach dem Innern der Stadt zu, und es würde alles darauf 
ankommen, ob es den Polizeimannschaften zusammen mit den in Berlin 
zur Verfügung gebliebenen Truppen gelingen würde, dem Ansturm 
standzuhalten.“ 
Das angerufene Polizeipräsidium bestätigte den außerordentlichen Ernst 
der Lage und ergänzte die Berichte dahin, daß die Aufständischen die 
Maikäferkaserne angegriffen hätten und bereits Blut geflossen wäre. 
1 Diese Meldungen wurden mit den anderen nach Spa weitergegeben. Daraus 
mag sich der Irrtum im Großen Hauptgquartier erklären, es sei dort von der Reichs- 
kanzlei berichtet worden, Berlin fließt in Blut. Exzellenz Wahnschaffe, der zu dieser 
Zeit den telephonischen Berkehr mit dem Hauptgquartier unterhielt, hat bestimmt 
erklärt, daß er diesen Ausdruck nicht gebraucht hat. Geheimrat v. Schlieben be- 
stätigt als Ohrenzeuge, daß lediglich die Mitteilung des Polizeipräsidenten ohne 
jede Aufbauschung übermittelt wurde. 
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