Full text: Der Geschäftsgang im Bundesrat.

einerseits wahrer Staat, anderseits besteht er aber aus Einzel— 
staaten. Dies zeitigt ein unitarisches und ein förderatives 
Element in jedem Bundesstaate. Der Bundesstaat ist dem- 
nach einerseits das oberste Organ des Reiches, dann verkörpert 
er aber auch das die Organisation des Reiches beherrschende 
förderalistische Prinzip. 
1. Erstens also ist der Bundesrat ein verfassungsmäßiges 
Organ der Reichsgewalt2) entsprechend dem staatlichen Cha- 
rakter des deutschen Reiches. Diese höchste, souveräne Gewalt 
ruht bei der Gesamtheit der Einzelstaaten, repräsentiert durch 
die Einheit der verbündeten Regierungen. Diese Träger der 
Reichsgewalt lassen sich jedoch in ihrer Ausübung vertreten; 
der Kongreß von diesen Vertretern der Regierungen, welche 
wiederum ihrerseits die im Deutschen Reiche vereinigten Glied- 
staaten vertreten, ist der Bundesrat.“) 
Bei diesem Reichs= und obersten Regierungsorgan ruht 
grundsätzlich die gesamte Reichsgewalt, sodaß im Zweifel die 
  
Seydel, Komm., S. 132; Kliemke, S. 26; Geffken, S. 49f.; Herwegen, 
S. 39 f.; Arndt, Komm., S. 97f.; Dambitsch, S. 197; Arndt, Staatsr., 
S. 114. Diese schon im Bundesrat allein ein Reichsorgan. Wenn auch 
nicht geleugnet werden soll, daß der Bundesrat als Ganzes ein Organ des 
Reiches ist, so ist doch nicht zu bestreiten, daß durch die Ernennung der 
Bundesratsbevollmächtigten und ihre Instruierung seitens der Einzelstaaten 
nicht allein die einzelnen Bundesratsmitglieder, sondern auch demgemäß 
ihre Zusammenfassung ein divergentes Gepräge zeigen. Der fertige Bundes- 
ratsbeschluß ist ebenfalls nur Ausdruck des Willens eines Reichsorgaus, 
aber bis dahin, vor der Stimmabgabe, zeigt sich die einzelstaatsrechtliche 
Grundlage mit voller Klarheit. Es ist deshalb nicht verfehlt, wenn man 
mit Laband auf die Doppelgestaltung des Bundesrates hinweist. 
27) Diese Organstellung kommt dagegen seinem Auftraggeber, der Ge- 
samtheit der verbündeten Regierungen, nicht zu. 
28) v. Seydel, Jahrb. III, S. 275, Komm. S. 131 f. unterscheidet 
zwei Vertretungsarten. Er führt aus: „Eine Vertretung kann in doppelter 
Weise stattfinden: entweder so, daß der Vertretende seinen Willen anstatt 
des Willens des Vertretenen mit Wirksamkeit für den letzteren erklärt, oder 
so, daß der Vertreteude den Willen des Vertretenen erklärt. In einem 
Falle ist der Vertreter Erzeuger eines eigenen Willensaktes, im andern 
Verkünder eines fremden Willensaktes.“ Diese Vertretungsarten sind beide 
im Bundesrate vereinigt, wie aus obiger Darstellung hervorgeht. — Vgl. 
hierzu Hänel in Hirths Annalen 1877, S. 87 f.; A. A. Vogels, S. 7 f.; 
M. Müller, S. 10 f.
	        
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