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23. Infanteriedivision
Die 23. Infanteriedivision erreichte mit der Vorhut
(Generalmajor Lucius, Grenadierregiment 101, Teile
Husarenregiments 20, I. Abteilung Feldartillerieregi-
ments 48) 7,50 Uhr vormittags Sompuis. Beim Her-
austreten in Richtung Humbauville erhielt sie aus dem
Waldsiücke südlich Sompuis lebhaftes Infanterie= und
Artilleriefeuer. Die Vorhut entwickelte sich beiderseito des
Puitsbaches. Das Gros bog zu rechts umfassendem An-
griff auv. Neuer Feind, von Südwesten her eingreifend,
zwang bald zur Entwicklung weiterer Kräfte (Infan-
terieregiment 182) in dieser Richtung. Das Infanterie=
regiment 182 litt dabei stark unter feindlichem Artillerie=
feuer. In dem schnell sich entwickelnden Begegnungsgefecht
setzte der Feind immer stärbere Kräfte ein. Hinter der
23. Infanteriedivision wurde die bisherige rechte Seiten-
deckung Soudé (Leib-Grenadierregiment loo und II. Ab-
teilung Feldartillerieregiments 48), welche lo Uhr vor-
mittags vom Oberkommando dem Generalkommando
XII. Armeekorps „für Auonutzung des taktischen Erfolgs“
zur Verfügung gestellt worden war, zunächst als Korps-
reserve bereitgestellt, die verfügbare schwere Artillerie,
I. Bataillon Fußartillerieregiments 19, wurde nordwest-
lich der Station Sompuis eingesetzt.
Die 23. Infanteriedivision kam nur langsam vorwärts.
Das feindliche, stündlich anwachsende Artilleriefeuer lag
schwer auf dem Talkessel von Sompuis, die Hitze war
erstickend.
Der kommandierende General des XII. Armeekorps,
General der Infanterie d'Elsa, wurde, als er sich persön-
lich vom Stande des schweren Kampfes überzeugte, ver-
wundet, behielt aber die Gefechtsleitung ohne jede Unter-
brechung in der Hand.
XIX. Armcekorps
Abnlich ernst wie bei Sompuis stand es beim XIX. Armee-
korps, dessen rechter Flügel etwa 4 Kilometer ösilich Som-
puis schwer kämpfte.
Das XIX. Armeekorps war mit Tagesanbruch gleichzeitig
auf der ganzen Front in den Angriffskampf eingetreten.
Alobald siellte sich aber heraus, daß die ursprüngliche
Absicht, die feindliche Flanke umfassend anzugreifen, nicht
zu verwirklichen war. Bereits 8,30 Uhr vormittags mußte
das Generalkommando bei La Perthe-Ferme den ab-
ändernden Befehl geben:
„1. Der Feind scheint sich in westlicher Richtung ver-
schoben zu haben.
2. Dem Angriffe des XIX. Armeekorpo wird die Richtung
nach Süden gegeben. — Die 23. Infanteriedivision geht
über Humbauville—dLe Meir-Tiercelin mit den Haupt-
kräften rechts des Puitsbaches vor.
3. Die verstärkte 38. Infanteriebrigade geht im An-
schlusse an die 23. Infanteriedivision östlich des Puits-
abschnittes in südlicher Richtung vor.
4. Die 24. Infanteriedivision geht zwischen La Certine=
Ferme und Les Petites-Perthes-Fermes zum Angriff vor.
5. Die 40. Infanteriedivision (ohne 88. Infanteriebrigade)
schließt sich dem Angriff, über die Linie Les Petites-Perthes-
Fermes—Les Rivières vorgehend, an.
6. Das Generalkommando bleibt zunächst bei &180,
1 Kilometer westlich La Perthe-Ferme.
4*;“5 gez. von Laffert.“
Die Lücke rechts zur 23. Infanteriedivision sollte beim
weiteren Vorgehen allmählich geschlossen werden, die
40. Infanteriedirision mit ihrer linken Hälfte das Zu-
sammemotrken mit dem VIII. Armeekorps, das die Höhen
von Huiron angriff, dauernd im Auge behalten. Das
Infanterieregiment lo6 behielt sich das Generalkommando
zunächst als Reserve zurück.
Die feindliche stark überlegene Artillerie brachte das
Vorgehen des XIX. Armeekorps in dem welligen, mit
größeren und kleinen Waldsiücken bedeckten Gelände bis
8 Uhr vormittags zum Stehen. Besonders litt die 88. Infan-
teriebrigade und die 6. Batterie Feldartillerieregiments 68,
die ungeachtet des schwersten feindlichen Artilleriefeuers
der bedrängten Infanterie Entlastung brachte. Zwischen
der 38. Infanteriebrigade und der 23. Infanteriedioision,
die aus Sompuis vorrückte, klaffte eine Lücke von zunächst
etwa 4,5 Kilometer. Auch in der Mitte der Gefechtsfront
litt die eigene Feldartillerie stark unter dem Feuer der
an gahl, Kaliber und Schußweite stark überlegenen feind-
lichen Artillerie.
Weiter links griff die 40. Infanteriedivision mit wir-
kungsvollem Artilleriefeuer gegen einen starken feindlichen
Infanterieangriff ein, der sich von Süden her entlang
der Kunststraße gegen Huiron, den rechten Flügel des
VIII. Armeekorps, vorwärtsschob.
Das XIX. Armeekorps führte den Vormittag über den
Kampf im allgemeinen abwehrend auf der Front und
verstärkte seinen rechten Flügel rechtzeitig, bereits 10 Uhr
vormittags, durch seine Reserve, das Infanterieregiment 106,
sowie durch die I. Abteilung Feldartillerieregiments 32,
welche von der 40. Infanteriedivision bisher zurückgehalten
worden war. Der Eindruck vom Stande der Schlacht
war trotz der Schwere des Kampfes ein durchaus zuver-
sichtlicher.
Die Beurteilung der Lage durch das Ober-
kommando gegen Mittag
Damit stimmte auch das Urteil des Oberkommandos
überein, das sich auf die Meldungen von der Kampffront
und auf die Fliegerfeststellungen, welche zwischen 9 und
11 Uhr vormittags eingingen, gründete.
Die dem Oberkommando direkt unterstellte Fliegerabtei-
lung 22 hatte mit 3 Flugzeugen den ganzen Raum zwischen
den Linien Fere-Champenoise—Plancy—Môry im Westen
und Vitry-le-Francçois—Brienne-le-Chäteau im Osten
auf eine Tiefe bis 200 und 250 Kilometer ausgiebig
erkundet und bis zum Vormittag des 7. September fest-
gestellt:
1. Hinter der feindlichen Angriffsgruppe im Raume
von Fere-Champenoise, die in der Allgemeinrichtung auf
Lenharrée vorrückt, sind nur Wagenparko bei Euoy und
südlich erkennbar. Sonst Gelände beiderseits der Seine
von Nomilly bies Troyes vom Feinde frei. Keine Eisen-
bahnverstärkungen wahrnehmbar, Bahnhöfe aber voll rol-
lenden Materials.
2. Vor der Mitte der dritten Armee im Naume von
Mailly eine Kavalleriedivision mit starker Artillerie und
etwas Infanterie. Dahinter nichts. Wege über Arcis süd-
wärts vom Feinde frei.
3. Hinter Feindgruppe bei Vitry-le-Frangoi# starke
Truppenmassen, teils ruhend, teils im Anmarsch über
Brienne, bei Rosnay in Divisionsstärke. Reger Bahn-
verkehr über Vendeuvres und Troyes auf Brienne. Züge
dicht hintereinander. Bahnhöfe mit rollendem Material
überfüllt. Leerzüge westwärts.
Nach alledem glaubte das Oberkommando, daß
die im Anschluß an die 2. Gardeinfanteriedivision fech-
tende 32. Infanteriedioision, unterstützt durch Teilkräfte
der 23. Reservedivision, in der Lage sein würde, dem er-
neuten Vordringen des Feindes Halt zu gebieten,
ein gegen die Mitte der dritten Armee gerichteter Durch-
bruchsversuch zunächsi nicht zu befürchten stand, und
das im Verein mit der 23. Infanteriedivision fechtende
XIX. Armeekorps, im Zusammenwirken mit dem VIII. Armee-
korps, sich genötigt sehen könnte, nicht angriffoweise auf-
zutreten, sondern zuvörderst nur abwehrend.