Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

Angesichts dessen schien es einerseits nach wie vor rat- 
sam, die Hauptkräfte der 23. Reservedivision an die Straße 
Vatry—Sommesous heranzuziehen, wie dies schon an 
diesem Morgen 7,35 Uhr angeordnet worden war, andrer- 
seits wurde der gegen Mittag eingehenden Meldung des 
XII. Armeekorps über die ernste Lage der 23. Infanterie= 
division bei Sompuis keine übertriebene Bedeutung zu- 
erkannt. 
Nichtodestoweniger zeigt der Kampfverlauf bis zum 
Mittag des 7. September, wie verwickelt die Gefechts- 
führung im großen an diesem Tage war. Sie wurde 
durch das Hilfebedürfnis der Nachbarn und den Tätig- 
keitodrang der höheren sächsischen Führer zu gleichen 
Teilen bestimmt. Erschwerend traten hinzu die große 
Frontentwicklung der dritten Armee (50 Kilometer), die 
durch das XII. Armeekorps herbeigeführte Gruppierung, 
mit der die Kampfleitung zu rechnen gezwungen war, die 
wechselnde Beurteilung der Lage durch die Kampftruppen 
und unzählige Einzelheiten, deren Erwähnung den Rahmen 
der Darstellung überschreitet, und deren Summe erst den 
inneren Zusammenhang in der Kampfführung plastisch 
darstellen würde. 
Endverlauf des Kampfes am 7. September 
Der weitere Verlauf der Schlacht am 7. September 
entwickelte sich wie folgt: 
Auf dem rechten Flügel der dritten Armee kam der 
Angriff der 32. Infanteriedivision bei Normée—TLenharrée 
gegen überlegene Feindeskräfte zunächst noch nicht vor- 
wärts. Sämtliche Reserven mußten eingesetzt werden. 
Links davon erreichte die 23. Reservedioision den An- 
schluß an die 32. Infanteriedivision und wies, in den 
Kampf eintretend, den Angriff starker feindlicher Kräfte 
westlich von Sommesous ab. 
Anschließend traf am Nachmittag das II. Bataillon 
Infanterieregiments 134 bei Soudé ein und trat unter 
den Befehl des XII. Armeekorps. 
Weiter östlich wurde die 23. Infanteriedivision haupt- 
sächlich durch das Feuer der vorzüglich aufgestellten feind- 
lichen Artillerie gezwungen, sich mit der erkämpften Linie 
auf Bogen südlich von Sompuis zu begnügen. Feind- 
liche Gegenangriffe wurden jedoch allenthalben von der 
sächsischen Infanterie blutig abgewiesen. 
Ganz ähnlich war die Gefechtslage am Nachmittag auf 
der gesamten Front des XIX. Armeekorps. Dessen Kom- 
mandierender General, der General d. K. von Laffert, 
erstattete darüber persönlich dem General d. J. d'Elsa 
Bericht, dem vom Oberkommando der dritten Armee die 
einheitliche Leitung der linken Gruppe der Armee für 
den weiteren Kampf übertragen worden war. 
So standen am Nachmittag des 7. September alle 
verfügbaren Teile der dritten Armee in heftigem Kampfe, 
ohne daß infolge des starken feindlichen Artilleriefeuers 
entscheidend großer Raum nach vorwärts gewonnen werden 
konnte, während in der Mitte der Armee etwa von Somme- 
sous bio Sompui eine große, nicht geschlossene Lücke klaffte. 
Die einzige, noch in der Hand des Oberbefehlohabers befind- 
liche Reserve, die 24. Reservedivision, war noch nördlich der 
Marne im Anmarsch und konnte erst am Spätabend mit 
den Anfängen Avenay an der Marne, mehr als 30 Kilo- 
meter von der Schlachtfront entfernt, erreichen. 
Beurteilung der Lage durch das Oberkommando 
am Abend des 7. September 
Der Oberbefehlshaber hatte im Verlauf deo 7. Sep- 
tember etwa die folgende Anschauung über die Kampflage 
gewonnen: 
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Die dritte Armee hatte am 7. September ihr erstrittenes 
Kampffeld auf der ganzen Front behauptet und französische 
Angriffe erfolgreich abgewehrt, während der rechte Flügel 
der zweiten Armee vor kräftigem Angriff aus Paris etwas 
zurückgenommen worden war. Auch die deutsche vierte 
Armee hatte, sich starken feindlichen Anstürmen ausgesetzt 
gesehen. Beides zusammen festigte die Annahme, daß die 
von Joffre gesuchte Entscheidungsschlacht am 7. Sep- 
tember Fortsetzung gefunden hatte, und ließ vermuten, 
daß es der französischen Heeresleitung gelungen war, zur 
Bedrohung der rechten deutschen Heereoflanke starke Kräfte 
in der Gegend von Paris zusammenzuziehen. War dies 
der Fall und dafür sprach der Umstand, daß schon am 
6. September Teile der ersten und zweiten Armee am 
Petit-Morin-Abschnitt in hartnäckigem Kampfe gestanden 
hatten, und daß der Hilferuf der zweiten Armee: „Bal- 
diges Eingreifen der dritten Armee westlich Fere-Champe= 
noise dringend erforderlich“ erbklang, so durfte das 
Oberkommando der dritten Armee sicher sein, daß der 
Gegner unmöglich auf seiner ganzen Front mit Uberlegen- 
heit auftreten konnte. Dem Oberkommando der dritten 
Armee schien sonach ein energischer Angriff aus der deut- 
schen Front heraus als das gebotene Mittel, die Absichten 
des Feindes zu blären, seine Stellung da, wo sie schwach 
sein sollte, zu durchbrechen und auf diese Weise den über- 
legenen Angriff der Franzosen gegen den rechten deutschen 
Heeresflügel zu parieren. Daß dies unverzüglich geschehen 
mußte, lag auf der Hand, und zwar nicht nur angesichts 
der bedrängten ersten und zweiten Armee, sondern auch 
in Rücksicht darauf, daß die dritte Armee in ihren Ge- 
fechtsstellungen dem Feinde in unmittelbarer Nähe gegen- 
überstand. So entschloß sich der Generaloberst Frhr. 
von Hausen, die Initiative zu ergreifen und, um auf 
Grund der Gefechtserfahrungen vom 6. und 7. Sep- 
tember die taktischen Verhältnisse möglichst günstig für 
unsere Waffen zu gestalten, den Infanterieangriff der Wir- 
kung der französischen Artillerie möglichst zu entziehen. 
Zu diesem Zwecke schien es geboten, den Sturm auf den 
nahen Feind im Morgengrauen anzutreten und mit dem 
Bajonett bis in die feindlichen Batterien hinein durchzu- 
führen. In diesem Sinne trat das Oberkommando an die 
Nachbararmeen heran, erbat sich vom Oberkommando der 
zweiten Armee die Mitwirkung der 2. Gardeinfanterie- 
division, sowie von der vierten Armee die des VIII. Korps 
und erließ auf Grund der getroffenen Vereinbarungen 
und der angedeuteten Erwägungen 6 Uhr abends den Armee- 
befehl für den 8. September. Dieser ordnete die Fort- 
setzung des Angriffs auf der ganzen Front der Armee 
an. Um die feindliche Artilleriewirkung möglichst auszu- 
schalten, sollte im Morgengrauen angegriffen und mit 
dem Bajonett bis in die feindliche Artillerie durchgestoßen 
werden. 
Die 2. Gardeinfanteriedivision der zweiten Armee und 
die 32. Infanteriedivision wurden dem General der Ar- 
tillerie von Kirchbach, dem kommandierenden General des 
XII. Reservekorps, unterstellt. 
Bei der rechten Gruppe sollte die Somme 4,30 Uhr 
vormittags, bei der linken Gruppe des Generals der In- 
fanterie d'Elsa die Bahnlinie zwischen Sompuis und Vitry- 
le-Frangois s Uhr vormittags überschritten werden. 
Der Kampfverlauf bei den übrigen Armecn 
am 7. September 
Die erste Armee 
Auf dem rechten deutschen Heeresflügel hatte die erste 
Armee die ihr durch den Gegner geschaffene ernste Lage am 
J. September bereits gemcistert. Der Kampf ihrer rechten 
Flügelkorps (II. Armeekorps und IV. Reservekorpe#) schritt
	        
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