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glaubte solchem Ziele sicher entgegensehen zu dürfen, denn
bis zum Mittag gelang es der rechten Gruͤppe der dritten
Armee, den Feind vor ihrer Front und bei Mailly zu
werfen, während die linke Gruppe dem überlegenen Geg-
ner erfolgreich standhielt.
Da traf, nachdem 7,3 Uhr früh beim Oberkommando
der dritten Armee ein mitgehörter Funkspruch vom Ober-
kommando der zweiten Armee an das der ersten Armee
— ab 1,18 Uhr früh —, lautend: „Rechter Flügel zweiter
Armee 9. September nach Margny zurückgenommen. Garde-
Kavalleriedivision hielt bis 8. September abends noch die
Dollan“ — bekannt geworden war, unerwartet 1,20 Uhr
nachmittags die Mitteilung der zweiten Armee in Chälons
ein, als Funkspruch 11 Uhr vormittags an Oberkommando
der dritten Armee aufgegeben:
„Zweite Armee einleitet Rückmarsch, rechter Flügel
Damery.“
Das Oberkommando der dritten Armee antwortete 2 Uhr
nachmittags an das Oberkommando der zweiten Armee:
„Kampf steht vor der Front dritter Armee. Wie Eure
Absicht? Euvy von uns genommen.“
Da der Abzug der zweiten Armee nicht ohne Rück-
wirkung auf die dritte Armee bleiben konnte, erließ das
Oberkommando der dritten Armee 2,15 Uhr nachmittags
einen die rückwärtigen Verbindungen betreffenden Armee-
befehl, wonach das Abschieben der Bagagen und nicht für
das Gefecht nötigen Kolonnen und Trains sofort nach
Eingang des Befehls zu beginnen habe.
Gleichzeitig wurde Befehl gegeben, daß eine Kompagnie
des Pionierregiments 23 mit dem Korpsbrückentrain des
XIX. Armeekorps eine Kolonnenbrücke über die Marne
zwischen Chälons und Matougues schlagen sollte. Als ge-
eignete Stelle hierfür war durch den General der Pioniere
beim Oberkommando der dritten Armee die Gegend zwi-
schen St.-Gibrien—Recy erkundet worden. Infolge um-
sichtiger Anordnungen, z. B. Abladen des Korpoöbrücken-
traino durch das Begleitkommando an der Brückenstelle,
Entgegensenden der leeren Fahrzeuge zur Pionierkompagnie,
um die Mannschaften schneller an die Brückenstelle zu
bringen, gelang es bis 9 Uhr abends, die Brücke fertig-
zustellen.
5,30 Uhr nachmittags traf vom Oberkommando der
zweiten Armee der 2,45 Uhr nachmittags ausgefertigte
Funkspruch ein: „Erste Armee geht zurück. Zweite Armee
einleitet Rückmarsch Dormans—Tours. Rückzugsbefehl an
Kirchbach ergangen.“ Hiervon war das Oberkommando der
dritten Armee schon 3 Uhr nachmittags vom Xll. Reserve-
korpo unterrichtet worden, mit dem Hinzufügen, daß nach
diesem Rückzugsbefehl der zweiten Armee das XII. Reserve-
korpo den Abmarsch 1 Uhr nachmittags anfangend mit
dem linken Flügel antreten sollte. Da dieser Zeitpunkt
aber weit überholt sei, werde der linke Flügel des XII. Re-
servekorps mit dem Abmarsch 4,30 Uhr nachmittags be-
ginnen.
Danach steht fest, daß der Entschluß der
zweiten Armee, der für die ganze deutsche Hee-
resfront von weittragendem Einfluß war, und
der für die halbe dritte Armee bereits für
1 Uhr nachmittags Anordnungen traf, die emp-
findlich in die Rechte des Oberbefehlshabers
der dritten Armee eingriffen, erst 2,45 Uhr
nachmittags dem Oberkommando der dritten
Armee, und zwar nicht auf zuverlässigstem
Wege, sondern bloß durch zeitraubende Fun-
kervermittlung bekanntgegeben worden ist.
Es blieb dem Oberkommando der dritten Armee nun
nichts weiter übrig, als — wenn auch mit äußerstem
Widerstreben — nunmehr die für das Ausweichen der
dritten Armee hinter die Marne erforderlichen Anordnungen
zu treffen und auch der linken Gruppe den Befehl zum
Abmarsch in nördlicher Richtung zu geben. Nach diesem
5,30 Uhr nachmittags ausgegebenen Befehl sollten starke
Nachhuten den Sommeabschnitt und die Linie Soudé—
Coole—Maisons-en-Champagne halten, während die Gros
in der Nacht die Linie Trécon—Vatry—Cheppes erreichen
sollten. Von diesem Entschluß wurde 6,30 Uhr nachmittags
die Oberste Heeresleitung durch Funkspruch verständigt.
Beim Rückmarsch traten die 32. Infanteriedivision und
die 23. Reservedivision wieder in den Verband ihrer Armee-
korps zurück. Das bedingte für beide Divisionen Kreuz-
märsche bei Dunkelheit in Reichweite des Feindes. Daß
das Oberkommando wagen konnte, sie anzuordnen, und
daß die Generalkommandos und die Divisionen sie reibungs-
los und ohne jede Störung durch den Feind ausführten,
ist der beste Beweis, daß die Sachsenarmee die Lage
vollständig beherrschte.
Im einzelnen vollzog sich der Abmarsch vom Schlacht-
felde wie folgt.
Der Rückmarsch
Das XII. Reservekorps sollte seine Divisionen als rechter
Armeeflügel an der Straße Normée —Cheniers, die 23.
nördlich der 24. Reservedivision, versammeln. Letztere hatte
eine Nachhut nördlich der Somme im Raume von Cla-
manges zu belassen und den Schutz der durch den bereits
erfolgten Abmarsch der Garde entblößten Armeeflanke zu
übernehmen.
Das XII. Armeekorps sollte sich als Armeemitte am
Soudélauf um Vatry und nördlich davon vereinigen.
Das XIX. Armeekorps hatte zunächst noch in seinen
bisherigen Stellungen zu verbleiben. Der Befehl zum
Abmarsch über Maisons-en-Champagne wurde entsprechend
geändert.
Die Durchführung des Gefechtsabbruchs geschah, da
der Feind vor dem rechten Flügel und vor der Mitte
der Armee entschieden geschlagen war, ohne Schwierig-
keiten.
Die 24. Reservedivision ging etwa von 4,30 Uhr nach-
mittags ab zurück, belegte mit ihrem Gros den Naum
von Trécon und beließ eine starke Nachhut an der Somme.
Die 32. Infanteriedivision machte mit dem Gros bei
Villeseneux—Soudron, mit der Nachhut auf den Höhen
nördlich von Lenharrée und Haussimont Halt.
Die 23. Reservedivision ging bei Einbruch der Dunkel-
heit über Vatry auf Cheniers und Thibie zurück und
ruhte dort etwa von 2 Uhr nachts ab. Ihre Nachhut
beließ das Reservejägerbataillon 12 nördlich von Somme-
sous. Es sicherte dort in der Lücke zwischen den beiden
Divisionen des XII. Armeekorps.
Die 23. Infanteriedivision ging auf Befehl ihres Ge-
neralkommandos auch erst nach Einbruch der Dunkelheit
zurück, nächtigte mit dem Gros im Raume von Bussy-
Lettrée und hielt mit ihrer Nachhut — Jägerbataillon 11
mit einer Batterie — die Linie Sommesous—Soudé.
Am nächsten Morgen schob sich die 23. Reservedivision
von Cheniers—Thibie auf Befehl des Oberkommandos mehr
nach Westen in den Naum von Trscon—Chaintrir—
Thibie—Pocancy—Champigneul und bildete hier eine Auf-
nahmestaffel für die 24. Neservedivision. Sie vertiefte
so den Schutz der bedrohten rechten Armeeflanke.
Sie ließ vor dem Abmarsch von Cheniers die 32. In-
fanteriedivision durchziehen. So geschah die Wiederher-
stellung der ursprünglichen Verteilung der drei Korps,
rechts das Reservekorps und in der Mitte das XII. Armee-
korpo, ohne jede Reibung.
Der Feind störte den Abmarsch nicht. Die Meldungen
während der Nacht besagten, daß auch der Feind an
mehreren Stellen der Front ein Stück zurückgegangen