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La Voivre heran und griff im Rahmen des verstärkten
XIV. Reservekorps am 30. August die starke französische
Meurthe-Stellung im Abschnitt St. Michel— Herbaville er-
folgreich an. Die Sachsen durchschritten in flottem An-
griff den Wiesengrund der Meurthe, dann diese selbst, zum
Teil bis zum Halse im Wasser. 2 Uhr nachmittags waren
die Höhen nördlich von St. Michel, der Ort se. bst und Her-
baville genommen. Ein feindlicher Gegenstoß 4 Uhr nach-
mittags wurde abgewiesen, 300 bis 400 unverwundete Ge-
fangene wurden eingebracht. Die Division biwakierte auf
den eroberten Höhen. Auch die Nebendivisionen waren sieg-
reich vorgedrungen, aber noch weiter südlich hatte der Feind
rechtzeitig große Verstärkungen herangeführt und war zu
starken Gegenangriffen übergegangen. Ecs ist das die geit,
wo der Feind seine letzten Reserven von der italienischen
Grenze weggezogen hatte, um sie an seiner Nordostgrenze
einzusetzen. So wurde auch hier wie in der Marneschlacht
der Verrat Italiens direkt auf dem Gefechtsfelde fühlbar.
Für die nächsten Tage kam es nun zu hartnäckigen Kämpfen
an der Meurthe, wobel die Division den ihr anvertrauten
Abschnitt bei St. Michel zähe festhielt, trotz des empfindlich
wirksamen feindlichen Artilleriefeuers, das ihr aus unauf-
findbaren Stellungen in dem unübersichtlichen Waldgebirge
entgegenschlug.
Am 3. September schritt das XIV. Reservekorps erneut
zum Angriff auf der ganzen Front von Etival—St. Dié—
Laveline. Die Division löste dabei restlos ihre Tagesauf-
gabe, allerdings brachte der Frontalkampf gegen die starken,
trefflich von der Artillerie flankierten Waldstellungen der
Franzosen starke Verluste, insbesondere bei der 47. Ersatz-
brigade. Am 4. September führte der fortgesetzte Angriff
zunächst zur Einnahme von Les Feignes, dann gegen Abend
im Verein mit der 28. Reservedivision zur Erstürmung des
Waldrandes zwischen den beiden Les Jumeaux (Zwillinge)
genannten Bergen. Auch Sauceray wurde noch in der näch-
sten Nacht von der Brigade des Generals v. Schönberg er-
stürmt und ein feindlicher Gegenangriff abgewiesen.
Stolz auf ihren Sieg, richtete sich die Division tags dar-
auf in der gewonnenen Stellung ein. Der lose Verband der
für sofortige Feldverwendung zunächst nicht bestimmten Di-
vision hatte sich im feindlichen Feuer gestrafft. Wohl fehlte
es noch an so manchem, vom aktiven Unterführer und Sani-
tätspersonal bis zum Fernsprechzeug und zu den Feld-
küchen. Aber der kriegerische Erfolg hatte Führer und Truppe
zusammengeschweißt. Die Truppe war fest in der Hand
ihres Führers und der Rest hielt durch, nachdem die ersten
18 Tage die Frontstärken wie folgt verringert hatten:
Ersatz-Bat. 45 hatte noch 15 Offiziere 445 Mann
45 14 718
63 13 505
64 14 546
47 7 622
48 19 687
88 14 638
89 19 909
Die gänzlich veränderte Kriegslage am Ende der ersten
Septemberwoche ist bereits beim Ruͤckblick auf die Marne-
schlacht ausführlich dargestellt worden (Seite 119 und fol-
gende). Die damit zusammenhängende Neugruppierung der
Streitkräfte an der deutschen Westfront begann im Raume
der deutschen siebenten Armee bereits am 6. September,
also schon bei Beginn der Marneschlacht. Ein neuer Be-
weis, daß nicht der Ausfall der Marneschlacht, sondern
eben die gänzlich veränderte Gesamtkriegslage die Neu-
gruppierung des deutschen Feldheeres und den Ubergang
vom Angriff zur Abwehr im Westen herbeigeführt hat.
Am 6. September erfolgte zunächst eine Umgruppierung
der an der Meurthe kämpfenden deutschen Truppen. Das
XIV. Reservekorps, zu dem die 19. Ersatzdivision gehörte,
trat für die nächsten zwölf Tage zur sechsten Armee über.
Dao XV. Armeekorps, welches bisher rechts vom XIV. Re-
servekorps gekämpft hatte, wurde zu anderweitiger Ver-
wendung aus der Gefechtslinie herausgezogen. Wir haben
en bereits Seite 127 zur Rechten des XII. Armeekorps in der
Schlacht von Juvincourt wiedergefunden. s
Die 19. Ersatzdivision mußte die Frontabteilungen des
XV. Armeekorps im Raume von Etival und nordwestlich da-
von am 6. September frühzeitig ablösen, eine besonders
schwierige Aufgabe für den jungen Truppenverband, der auf
breiter Front in denkbar schwierigem Gelände einem täti-
gen, sich immer mehr verstärkenden Feinde auf Nahkampf-
entfernung gegenüberstand und dabei von einem vorzüglich
wirksamen Kundschafternetz umstrickt war, das den Geg-
ner über jede deutsche Maßnahme und Bewegung sofort
unterrichtete.
Die Aufgabe wurde aber vorzüglich gelöst, sogar die Ver-
pflegung der Truppen gelang trotz des Fehlens von Pro-
viant= und Fuhrparkkolonnen und trotz der Erschöpfung der
Menschen und Pferde bei den Lebensmittelwagen, denen
angesichts der weiten Entfernungen in dem schwierigen Ge-
birgsgelände unerhörte Anstrengungen zugemutet werden
mußten.
Am 8. September stand die Division bei Tagesanbruch
westlich von Etival in der bisherigen Stellung des XV. Ar-
meekorps. Der Feind wagte keinen ernstlichen Angriff,
ebensowenig hatte er den vorhergegangenen Rechtsabmarsch
zu stören gewagt. Auch der am 10. September fortgesetzte
Rechtsabmarsch des gesamten XIV. Reservekorps nach Nor-
den, hinter dem- XIV. Armeekorps weg, gelang vollständig.
Das XIV. Armeekorps blieb mit seinem linken Flügel zu-
nächst noch bei St.-Benoit stehen. Bei dieser Bewegung fiel
der 19. Ersatzd vision die Marschstraße Etival—Raon I'Etare
westlich der Meurthe—Bertrichamps —Vacqueville —Ancer=
ville— Blämont zu, zunächst also unmittelbar entlang an
der feindlichen Front. »
Die Fahrzeuge waren bereits in der Nacht zum 10. Sep-
tember abgeschoben worden. Um 10 Uhr abends trat das
Gros der Division von Etival aus den Abmarsch an. Die
Nachhut, gebildet durch die Bataillone 48 und 89 und
II. Bataillon Infanterieregiments 111 (Badener) sowie eine
Abteilung Feldartillerie unter dem Generalmajor v. Schön=
berg, folgte auf derselben Straße.
Der Feind versuchte den Abmarsch durch einen Vorstoß
gegen das Bataillon 46 aufzuhalten, das ihn erst siegreich
abschlug, ehe es seinen Abmarsch begann. Immerhin war
dadurch der für 8 Uhr abends geplante Abmarsch der Divi-
sion um zwei Stunden verzögert worden. Die Dunkelheit,
die Nähe des Feindes in der Flanke und die ganze Kriegs-
lage erregten die Phantasie auf das Außerste. Unvermeid-
liche Stockungen auf dem schmalen Marschweg, wie z. B.
ungestürzte Wagen, unterbrachen und verzögerten den
Nachtmarsch. 2 Uhr morgens erreichte die Division Claire=
rupt. Nach 1½stündigem Halt wurde der Marsch über
Bertrichamps—Veney fortgesetzt. Auf dem entsetzlich
schlechten Wege durch den Wald von Reclos, der durch um-
stürzende Wagen zeitweise ganz gesperrt wurde, schlug die
Marschspitze trotz vorheriger Erkundung und Festlegung des
Weges im Dunkel die falsche Nichtung, nämlich auf Bac-
carat ein. Ein Umdrehen auf dem schmalen Gebirgowege
war unmöglich. So wurde auf Baccarat weiter marschiert
und dessen Südende 7,30 Uhr vormittags erreicht, worauf
die Division stark ermüdet schließlich um St. Pöle Ortsbiwak
bezog. Die Nachhut hatte den richtigen Weg auf Neuf-
Maisons eingeschlagen und erreichte einige Stunden früher
ihre Quartiere. Der Feind war nicht gefolgt, gegen ihn
sicherte das an der Meurthe zurückgelassene II. Bataillon
Infanterieregiments 111 (Badener).