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Zertrümmerung und der russische Verlust von 30 ooo Ge-
fangenen ermöglicht.
Am 11. September, gegen 10 Uhr vormittags, traf
die Division Brecht um Goldap ein. Ihr wurde die Beute
übergeben und die Tagesaufgabe der Division — Vor-
marsch auf Dubeningken — unverzüglich aufgenommen.
Wieder leistete die feindliche Nachhut, eine Kavallerie-
division, geschickt an den zahlreich sich bietenden Wald-
und Sumpfabschnitten zähen Widerstand. Erst 6,30 Uhr
abends konnte die 8. Kavalleriedivision bei Rogainen zur
Ruhe übergehen. Dort stießen die beiden Eskadrons
Ulanen 17, die am 7. September direkt auf Goldap ent-
sendet worden waren, wieder zur Division. Sie waren
überall auf überlegenen Feind gestoßen. Das strategische
Tagesergebnis war, daß den Russen nunmehr auch die
aus dem Raume von Goldap nach Nordosten führenden
Rückzugswege sämtlich abgeschnitten waren.
Am 12. September kam ee bei der weiteren Verfolgung
des auf Kowno zu langsam zurückweichenden Feindes zu
neuen, hartnäckigen Waldkämpfen am Szittkehmer Forste
und in der Romintener „Heide. Am Abend biwakierte die
Didision, stark ermüdet, im Raume von Krolowe-Krzeslo—
Jakiszki. (Skizze 32.) Der Versuch, die Bahn Enydt-
kuhnen—Kowno zu unterbrechen, war der dazu entsandten
Eskadron Jäger 2 angesichts des starken russischen Bahn-
schutzes nirgends geglückt. An diesem Abend wurde die
letzte eiserne Portion verzehrt. Hafer gab es schon seit
Tagen nicht mehr. Die Nähe des Feindes verhinderte
Feuer anzuzünden.
Am folgenden Tage, 13. September, wurde bereits
4 Uhr morgens die Verfolgung wieder aufgenommen und
führte zu neuen hitzigen Gefechten bei Anczlawka, Eglupie
und Krolowe-Krzeslo, ebenso am 14. September- bei An-
tupie und Gize. Kriegslage und Armeebefehl verlangten
die Fortsetzung der Verfolgung bis heran an den Niemen,
unter Einsetzung des letzten Hauches von Roß und Reiter.
So wurde der Marsch beschleunigt fortgesetzt, obwohl die
Pferde sich kaum noch vorwärts bewegen konnten. Mehr-
fach fielen Pferde tot um.
Ein deutscher Flieger warf die Meldung herunter, daß
feindliche lange Kolonnen auf der Straße Wicowyszki—
Marjampol sich zurückwälzten. So ging es erneut mit
letzter Kraft vorwärts. Das Feuer der reitenden Artillerie
der 8. Kavalleriedivision erreichte bald die Straße und
zwang den Gegner zum Ausweichen in das Waldgebiet
nordostwärts. Alle drei Brigaden der Division wurden
mehrfach zu Fußangriffen auf die Waldränderstellungen
eingesetzt. Die Tagesbeute betrug: 1 General, 7 Offiziere,
400 Mann, 2 Geschütze und zahlreiche Wagen. Stark
ermüdet, ohne Verpflegung und Futter, biwakierte die Di-
vision um Gize (23. Kavalleriebrigade), Ruda (38. Ka-
balleriebrigade) und Antupie (40. Kavalleriebrigade). Aber
jeder Reiter hatte das Bewußtsein, auch an diesem Tage
zu dem Gesamtergebnis dieses Siegeszuges redlich bei-
gtragen zu haben, wenn auch die Früchte des kühnen
Vorstoßes der 8. Kavalleriedivision naturgemäß von an-
deren deutschen Truppen weiter westwärts eingeheimst
wurden.
Am 185. September half die Division einen russischen
Gegenstoß abwehren, der von Marjampol auf. Wikowyszki
gerichtet war und inöbesondere auf ein rapfer stand-
haltendes Bataillon des I. Armeekorps traf. Die Di-
vision verblieb in dieser Gegend auch die folgende Nacht.
Am Abend erreichten die Futterwagen die Division, die
Merde erhielten den seit drei Tagen entbehrten Hefer.
Der Feind hatte sich durch schleunigste Flucht der Hinden-
burgzange, Marke „Cannae“, die er mit Schrecken bei
Tannenberg kennen gelernt hatte, entzogen. Aber sein linker
Flügel, dem die 8. Kavalleriedivision alle Rückzugsstraßen
rechtzeitig verlegt hatte, war vernichtet. Das ist der herr-
liche strategische Erfolg unserer sächsischen Reiter in dem
denkwürdigen Hindenburgfeldzug gegen die russische
Rennenkampf-Armee.
Die nächsten Tage marsschierte die Dioision mit ein-
gelegten Ruhetagen, wobei sie sogar nach 8 Tagen ihre
Bagage wiedersah, zu neuer Aufgabe nach Korschen, Rasten-
burg und Lötzen. Wir werden sie bald auf einem weitent-
fernten, neuen Kriegeschauplat wiederfinden.
Der Herbstfeldzug Hindenburgs 1914 in Polen
1. Der Oktoberfeldzug
Um bei dem folgenden Feldzug die ganze Größe Hinden-
burgscher Feldherrnkunst zu ermessen, muß man sich die
Kriegslage Mitte September 1914 vergegenwärtigen. Im
Westen war die gewaltige Angriffsbewegung des deutschen
Feldheeres östlich von Paris zum Stehen gekommen. Einer
Vernichtungsschlacht im Nordosten Frankreichs, einem
„Cannae-Tannenberg“ auf der Westfront hatte sich der
französische Feldherr durch seine meisterhafte Rück-
gruppierung auf den Bogen Verdun—aris entzogen und
durch die Heranziehung aller, auch der an der italienischen
Grenze biöher zurückgehaltenen Truppen das Kräfteverhält-
nis zu seinen Gunsten umgestaltet.
Die im anfänglichen deutschen Kriegsplan vorgesehene
endgültige Abrechnung mit den Westgegnern hatte die
deutsche Heeresleitung Anfang September 1914 aufgeben
und zur Abwehr in der Feldstellung vom Meere bis zum
Jura übergehen müssen. Die Entscheidung sollte nunmehr
zunächst im Osten gesucht werden.
Die russische Kriegsbereitschaft hatte sich als viel weiter
vorgeschritten erwiesen, als vor Kriegsbeginn zu erwarten
stand. Nicht nur gegen Ostpreußen, sondern auch gegen
Galizien waren sofort nach der Kriegserklärung die Russen
mit. erdrückender Ubermacht vorgegangen.
Die österreichis -ungarische Heeresleitung in Przenwel
hatte bei Kriegsbeginn sechzehn, später siebzehn Armee-
korps, also im ganzen vier Dioisionen weniger verfügbar,
als die Franzosen beispielsweise um April 1916 auf dem
Schlachtfeld von Verdun, Frontbreite 40 Klometer, ein-
gesetzt haben. Diese Zahlen muß man sich immer wieder
vergegenwärtigen, um die ganze kriegerische Leistung der
Mittelmächte im Weltkrieg ermessen zu können.
Von den österreichisch-ungarischen Armeekorps wurdenn
zunächst zwölf gegen Rußland verwendet:
Die Armeeabteilung v. Köveß, später zweite
Armee (III., XII. Armeekorps, 11. und 43. Infan-
terie-Truppen-Dioision, 35. Landsturmbrigade und die
entsprechende Kavallerie unter dem General der In-
fanterie v. Köveß) um Stryi-—Slanislau südlich des
Dnjestr.
Die dritte Armee i und XIV Armeekorps, Land-
sturmformationen und stärkere Kxoalleric unter dem
General der Kavallerie v. Brudermann) um demberg.
Armeegruppe Erzherzog Ferdinand — ctwas
später erst gebildet — nördlich anschließend bis Belz.
vierte Armee (II., b IX. Armeekorpo- und
2 Kavalleriedivisionen * dem General d. Inf.
v. Auffenberg) um Jaroslau am San.
Die