Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

Die Sachsen an der Westfront 
Überblick 
Das Jahresende 1914 hatte auf der Westfront in keiner 
Beziehung einen Abschluß in den kriegerischen Geschehnissen 
herbeigeführt. 
Wohl waren die wirtschaftlich wichtigsten Teile von 
Nordfrankreich und Belgien in deutscher Hand. Wohl 
war die Errichtung des Abwehrwalles, der in der Folge- 
zeit gegenüber jeder Ubermacht standgehalten hat, weit 
drinnen in Feindesland gelungen. Wohl war im Osten 
der russische Ansturm zunächst zurückgeschlagen. Aber noch 
stand selbst dort eine gewaltige Ubermacht dem Feinde zu 
Gebote. Daß der russische Feldherr sie rücksichtslos ein- 
setzen würde, war ohne Zweifel. Ein Glück für die Mittel- 
mächte war es, daß der Russe seine überlegenen Massen 
beim vergeblichen Ansturm gegen die Karpathenmauer und 
gegen die deutschen Stellungen in Polen und Ostpreußen 
den ganzen Winter über in sinnloser Verschwendung dahin- 
opferte. So wurde es den Mittelmächten möglich, ihrer- 
seits im Mai 1915 zum Schlage auszuholen, nachdem die 
Winterkämpfe das Kräftemißvcrhältnis wenigstens einiger- 
maßen ausgeglichen hatten. 
Dieser Schlag fiel zerschmetternd auf das Russenheer 
am Dunajec im Mai 1918. 
Bis zum September lgts wurde dann ganz Galizien, 
Polen und das Land nordwärts bis zum Rigaer Meerbusen 
von den Russen reingefegt. Rußlands Angriffskraft war 
damit in der Hauptsache erledigt. 
Das ist das Hauptergebnis des Kriegsjahres 10918. 
Daran vermochte auch das Eingreifen Italiens nichts mehr 
zu ändern, das Ende Mai 19185 treulos seinem bisherigen 
Verbündeten OÖsterreich-Ungarn in den Rücken fiel. 
Wie die Felsmauer der Alpengrenze, so hielten die tapfe- 
ren Osterreicher und Ungarn jedem Ansturm stand, den 
die verhaßten Welschen am Isonzo und auf den Alpen- 
pässen in den nächsten Jahren versuchten. 
Aber die schwerste Wunde hatte der Verräter Italien 
seinen beiden bisherigen Verbündeten schon bei Kriegs- 
beginn beigebracht, als Italiens Abfall alle französischen 
Truppen längs der italienischen Grenze noch zu der großen 
Septemberentscheidung 1914 freigab, während er gleichseitig 
an der ausgedehnten italienischen Grenze beträchtliche öster- 
reichisch-ungarische Streitkräfte festlegte, welche bei der Sep- 
temberentscheidung in Galizien 1914 so dringend nötig ge- 
wesen wären. 
Gleich mühselig und blutig wie im Osten verlief im neuen 
Kriegsjahr lo#s die deutsche Kriegsarbeit im Westen. 
Englands zäher Kriegswille trieb alles, was an Menschen, 
weißen wie farbigen aller Schattierungen, aufzubieten war, 
rücksichtslos auf die Schlachtfelder. 
Sein Gold stellte die verwegensten Kriegsmittel in den 
Dienst der Westmächte. Immer verschlagener und satanischer 
wurde die Kampfweise in dem nie rastenden Grabenkrieg. 
Dieser ruhte auch im Winter keinen Tag und keine Nacht, 
trotz Eis und Schnee, Kälte und Sturm. — 
Bei den sächsischen Truppenverbänden eröffnete das 
XII. Armeekorps schon im Januar lols durch die vorzüglich 
vorbereitete und demgemäß erfolgreiche Erstürmung der 
Franzosenstellung am Damenweg bei Craonne den Kampfes- 
reigen. Dann folgten im Februar die schweren Winter- 
kämpfe in der Champagne, bei welchem das XII. Reserve- 
korps sowie Teile des XII. Armeekorps und der ver- 
stärkten 47. Landwehr-Infanteriebrigade neuen Ruhm er- 
warben. Zu derselben Zeit schlug der Generalfeldmarschall 
von Hindenburg seine unvergleichliche Winterschlacht in 
asuren. 
Dann folgten auf der Westfront Ende April bis Ende 
Mai die schweren Kämpfe vor YDpern, wo das XXVII. Re- 
servekorps die Engländer in frischem Draufgehen weit 
zurückwarf. 
Zu derselben Zeit begann im Osten der Siegeslauf der 
Mittelmächte vom Dunajec aus durch ganz Galizien, gleich- 
zeitig auch die Bezwingung der russischen Festungsfront in 
Litauen und Nordpolen durch den Generalfeldmarschall 
von Hindenburg. Dabei schrieben sich mehrere sächsische 
Truppenteile eine blutige Heldengeschichte. 
Die gewaltigen Kämpfe im Osten lösten im Westen die 
Entlastungsoffensive der Engländer und Franzosen im 
Artois aus, welche den ganzen Sommer zähe aber ergebnis- 
los anhielt. Dort ernteten die braven Sachsen vom XII. 
Armeekorps neue Lorbeeren. Daselbst erhielten auch die 
lols neu zusammengestellten sächsischen Infanteriedivi- 
sionen §8 und 123 in furchtbarer Dauerschlacht ihre 
Feuertaufe. 
Im Spätsommer und Herbst lols vollendete dann der 
Generalfeldmarschall von Hindenburg sein Eroberungswerk 
in Ltauen und Kurland. In den Kämpfen um Wilna 
treffen wir dabei neben zahlreichen kl. ineren sämhsischen 
Truppenkörpern die sächsische s§s. Infanteriedivision wieder, 
nachdem sie schon an der Uberwindung der russischen 
Narewfront ruhmreichen Anteil genommen hatte. 
In Kurland gelangte die sächsische 8. Kavalleriedivision, 
in kühnem Reiterzug das weite Land durchstreifend, bis an 
die Düna, an der sie dann auf Jahre hinaus unerschütter- 
lich die Wacht gehalten hat. 
Im Westen suchten im Herbst lols die Franzosen mit 
dem Aufgebot ihrer gesamten Kräfte den deutschen Wall 
in der Champagne zu durchbrechen. In der furchtbaren 
Champagne-Herbstschlacht sehen wir die Sachsen vom 
XII. Reservekorps ruhmwvoll bluten; dort treffen wir auch 
Teile des XII. Armeekorps, des XXVII. Reservekorps und 
der verstärkten 47. Landwehr-Infanteriebrigade wieder, 
während die 19. Ersatzdivision sich mit siillerom Ausharren 
an der lothringischen Front begnügen mußte. 
Das ist in kurzem der Anteil, den die Sachsen an den 
kriegerischen Ereignissen des Jahres lg##s genommen haben. 
Um den Zusammenhang der Truppengeschichte der ein- 
zelnen Verbände zu erhalten, muß leider von einer den 
Gesamtverlauf der Ereignisse umfassenden Darstellung ab- 
gesehen werden. 
Ich beginne wieder mit der Wesifront, und zwar mit 
dem XII. Armeekorps, das schon im Januar zu neuem 
Angriffskampfe schritt. 
 
	        
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