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Das XII. A.-K. im Jahre 1915
Wir haben das XII. Armeekorps beim Jahresschluß
1914 an dem Aisneknie zwischen Laon und Reims ver-
lassen, wo das Bergland zwischen Aisne und dem Damen-
weg schon im September 1914 zu einem französischen
Durchbruchsversuch größten Stils angelockt hatte.
Da das XII. Armeekorps angewiesen war, bei feindlichem
ernsten Angriff seine vorderste Stellung unbedingt zu
halten, so wurde den ganzen Winter über mit immer
wachsender Erfahrung am weiteren Ausbau der Stellung
gearbeitet. Die Folgezeit erwies, daß es nur der betreffen-
den Truppe zum Segen gereicht, wenn die Vorgesetzten un-
ablässig selbst prüfen und auf immer neue Arbeitsleistung
dringen. Dort, wo in falscher Rücksichtnahme auf die
Schonung der Truppen über Mängel der Abwehrstellung
auf der deutschen Wesifront hinweggesehen worden ist,
haben die Feinde bekanntlich mit Vorliebe angegriffen
und zum Teil auch blutige Erfolge erzielt.
Das J. Bataillon Infanterieregiment 177 in der
hampagne
Am 3. Januar wurde Hauptmamn Kruspe mit I. Ba-
taillon Infanterieregiments 177 zur dritten Armee ent-
sendet, wo neue französische Durchbruchsversuche um diese
Zeit die große Winterschlacht in der Champagne einzuleiten
begannen.
Das I. Bataillon Infanterieregiments 177 wurde in der
Champagne zusammen mit zwei preußischen Bataillonen,
III. Bataillon Infanterieregiments 77 und III. Bataillon
Infanterieregiments 16 unter Oberst Siegener des In-
fanterieregiments 16, nördlich der Linie Perthes— Le Mes-
nil in der Zeit zwischen 4. und 23. Januar eingesetzt.
Die Stellung lag auf einem Höhenrand von 400 bins
500 Meter Breite. Durch die Beschießung seit Ende Sep-
tember war sie bereits fast völlig eingeebnet worden. Alle
Unterstände waren zerschossen, die Sandsäcke der Feuer-
linie abgekämmt. Die Verbindungswege waren vollgestopft
voll Leichen und Schlamm, sie glichen eher einer Mulde
als einem Graben. Die Kampfstellung war bedeckt von
bereits in Verwesung übergegangenen Leichen. Der Be-
erdigungotrupp des Bataillons begrub allein 42 Tote.
Ein Drahthindernis war nicht mehr vorhanden. Der feind-
liche Sturmgraben war nur 50 Meter entfernt, der Ver-
teidiger dem rasenden feindlichen Artilleriefeuer sowie dem
Winterwetter schutzlos preisgegeben. Die Mannschaften
standen knietief in Schlamm und Eiswasser. Nur eine
Verbindung nach der Reservestellung, die 1400 Meter da-
binter lag, war noch einigermaßen gangbar, wurde aber
auf der größten Strecke völlig eingesehen und lag dauernd
unter schwerem Feuer.
Die Zwischenstellung, ein dürres Kieferwäldchen, bildete
einen Kugelfang für die französische Artillerie und bot
in ganz niedrigen Erdhütten ohne Ofen und Trocken-
vorrichtungen nur sitzend Schutz. Baumaterial mußte
1½ Stunde weit durch tiefsten Schlamm herangeschleppt
werden. Jede Gelegenheit zur Erholung in den Kampf-
pausen fehlte. Alles das verzehrte schnell die Kräfte der
Leute. So wurde der feindliche Angriff als Erlösung
freudigst begrüßt, als am 9. Januar vormittags die Fran-
zosen nach stärkster Artilleriervorbereitung endlich zum
Sturm vorbrachen. Zwar gelang es ihnen, in den rechten
Abschnitt des Bataillons einzudringen. Aber die Ba-
taillonsreserve vernichtete den dort eingedrungenen Feind
nach fünfstündigem Ringen von Mann gegen Munn fast
vollsiändig. 2 Offiziere und 120 Franzosen wurden ge-
fangengenommen. Die llberlebenden des Bataillons fänden,
nahezu völlig erschöpft, in Tahure kurze, durch Arbeits-
dienst der verschiedensten Art nur zu sehr gekürzte Ruhe.
Rur noch zu zwei Kompagnien formiert, trat der Rest des
Bataillons nunmehr in Reserve. Aus der Ruhestellung
eilte es aber sofort wieder vor, als der Feind am 13. Ja-
mar die preußischen Kameraden vom III. Bataillon In-
fanteriegeriments 77 von neuem angriff. An diesem Tage
erfolgten vormittags und nachmittags heftige Anstürme
der Franzosen, jedoch ohne jeden Erfolg. Am 9. Januar
war die Reserve des Sachsenbataillons mit entrollter Fahne
und unter Sturmsignal zum Gegenstoß vorgebrochen. Am
13. Januar durchbrachen die braven 177er mit dem
Schlachtgesange „Deutschland, Deutschland über alles“ die
furchtbare Feuersperre, welche die feindliche Artillerie
zwischen unsere Kampf= und Zwischenstellung gelegt hatte.
Die Verluste waren schmerzlich, 3 Offiziere ktot, 6 ver-
wundet, 92 Unteroffiziere und Mannschaften tot, 132 ver-
wundet. Nur noch 3 Offiziere und 419 Mann konnte
unser Kronprinz begrüßen, den die Meldung des preußischen
Regimentskommandeurs von der Heldentat des I. Ba-
taillons Infanterieregiments 177 alsbald herbeirief. Er
suchte die zu Tod erschöpften Leute in den Erdhöhlen
der Reservestellung, wo sie gegen Regen und eisigen
Wind vergeblich Schutz suchten, am 13. Januar früh auf
und nahm am Ergehen jedes einzelnen Mannes den wärm-
sten Anteil.
Der Drahtgruß des Königs: „Die Leute haben wie
die Löwen gekämpft. Ich spreche ihnen und dem helden-
mütigen Führer des Bataillons meine besondere An-
erkennung und wärmsten Dank aus“, fand drinnen im
Vaterland ebenso wie draußen an der Kampffront freu-
digen Widerhall in allen Sachsenherzen.
Craonne
Die Kämpfe vom 25. bis 27. Januar 1915
Die französische Stellung auf dem waldigen Bergrücken
südlich von Craonne bildete einen gewaltigen Brückenkopf
vorwärto# der Ai#one, aus dem ein plötzlicher Vorstoß zur
Durchbrechung der deutschen Front jederzeit möglich war.
Es ist dasselbe Gelände, wo 1917 vom April bis in den
Herbst hinein die furchtbar verlustreichen Durchbruchs-
versuche am Damenweg von den Franzosen unternommen
worden sind.
Das Generalkommando des XlI. Armeekorpo hatte schon
seit Anfang Dezember 1914 mit Billigung des Ober-
kommandos der siebenten Armee die Eroberung der fran-
zösischen Stellung vorbereitet, deren Mittelstützpunkte die
von den Franzosen stark ausgebauten Gehöfte La Creute
und Hurtebise am obengenannten Damenweg bildeten.
Mitte Januar la gestattete dann die Gesamtlage
an der deutschen Westfront die Ausfährung des An-
griffs.
Die 32. Infanteriedivision, Generalleutnant Edler
von der Planitz, hatte am 19. Oktober 1914 das XV. Ar-
meekorps im Abschnitt zwischen dem Waldstück ½ Kilo-
meter südöstlich von Ailles und dem Doppelwaldstück
1 Kilometer südöstlich Corbôny (beide einschließlich) ab-
gelöst und den Befehl auch über die dort zurückgelassene
25. gemischte Landwehrbrigade übernommen.
Durch Sappieren, d. h. durch Vorarbeiten mit Hacke
und Spaten, war gegen den Feind, der jedes Vordringen
über die Rückenlinie beiderseits Hurtebise-Ferme hinaus
mit kräftigem Feuer andauernd zu hemmen suchte, in
den vorangegangenen Monaten nach Süden zu weiterer
Geländegewinn erzielt und die erreichte Stellung aufs
stärkste ausgebaut worden.
Am 15. Januar lo#s erhielt nun die Division vom
Generalkommando den Befehl, den Feind vom Hange
beiderseits La Creute-Ferme herunterzuwerfen. Als An-